Mülheim.

Neben den beiden Saarner CDU-Ratsherrn Frank Blum und Frank Wagner ist auch die stellvertretende CDU-Fraktionschefin Ramona Baßfeld (60) aus Partei und Fraktion ausgetreten. Gemeinsam mit dem ehemaligen AfD-Mitglied Jochen Hartmann werden sie eine Fraktion bilden, zu der auch Hans-Georg Hötger von der MBI gehört. „Nach 16 Jahren ist der gemeinsame Zeichenvorrat in der MBI aufgebraucht“, sagt der 74-Jährige, der einst zu den Gründungsmitgliedern der Grünen zählte und Hartmann seit 30 Jahren aus dem Dümptener Bürgerverein kennt. Näher auf das Verhältnis zu MBI-Fraktionschef Lothar Reinhard möchte er nicht eingehen. „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“, zitiert er Wolf Biermann.

„Bürgerlicher Aufbruch in Mülheim“, kurz BAMH, nennt sich die neue Fraktion, der bis zur Sommerpause auch noch der Aufbau einer Wählergemeinschaft folgen soll, die dann auch 2020 bei der nächsten Kommunalwahl antreten will. Sie ist somit nach den Grünen und vor der FDP die viertstärkste Kraft im Rat. Die CDU schrumpft damit im Stadtrat auf 12 Mitglieder.

Wählerbündnis folgt im Sommer

Anlass für die Bildung dieses Bündnisses, so erzählten sie gestern in einem Pressegespräch, waren kritische Äußerungen von Wagner zur Flüchtlingspolitik Ende des vergangenen Jahres, die von CDU-Fraktionschef Wolfgang Michels als Einzelmeinung charakterisiert wurden. Nach einer Solidaritätsbekundung durch Hartmann sei man ins Gespräch gekommen, habe politische Übereinstimmungen festgestellt und dass es auch menschlich passt.

Inzwischen liegt ein Kurzprogramm („Sechs Richtige für Mülheim“) vor. Auch Gespräche mit Stadtdirektor Frank Steinfort zur Bildung der Fraktion wurden geführt. Die Neukonstitution des Rates sei beantragt, aber die Bildung einer Fraktion könne man nicht nur erklären, so Hartmann, man müsse die Existenz auch durch eine gelebte Praxis, etwa durch gemeinsame Anträge unter Beweis stellen. Voraussichtlich im September sollen die Ausschüsse neu zugeordnet werden. Bis dahin werden die fünf weiterhin die Ausschüsse besuchen, in denen sie auch bislang vertreten waren.

In der Selbstwahrnehmung schätzen sie ihre Politik als konservativ-pragmatisch ein und fühlen sich der CSU verbunden. „Es muss ein Ruck durch Mülheim gehen“, sagt Hartmann, der die neue Fraktion führen wird, und kündigt an, dass sie die Bürger stärker einbinden wollen als bisher und die Politik raus aus den Hinterzimmern bringen wollen. Die naheliegende Frage, ob sie sich als eine AfD sehen, die es nur besser und professioneller mache, weisen sie entschieden von sich. „Wir wollen in die Lücke stoßen, die sich durch den Wandel in der CDU gebildet hat“, betont Wagner, der davon berichtet, dass er nach seinem gestern bekannt gewordenen Austritt aus der Partei zahlreiche positive und ermutigende Reaktionen aus Saarn erhalten habe. Auch Interessierte, die als sachkundige Bürger mitarbeiten wollen, hätten sich gemeldet und angeblich gebe es weitere Ratsvertreter, die mit einem Übertritt liebäugelten. Ob das wahr ist oder bloß Kraftmeierei, wer weiß das schon.

Baßfeld: "Jetzt kann ich wieder offen meinen Standpunkt vertreten"

Baßfeld, die in der Fraktionsgeschäftsstelle der CDU arbeitet, schildert die Diskussionen in der Fraktion „als Kampf gegen Windmühlen“. „Es gibt dort viele, die sich angepasst haben und nicht anecken wollen“, sagt sie. Der Schritt sei ihr, auch wegen der fast 20-jährigen Zugehörigkeit, nicht leicht gefallen. Neben den frustrierenden Erlebnissen in den Fraktionssitzungen habe sie aber auch im Gespräch mit Bürgern die Entfremdung zur Partei gespürt. „Jetzt kann ich wieder offen meinen Standpunkt vertreten“, sagt sie. „Die Michels-CDU war nicht unsere“, sagen sie und mit dem Fraktionschef habe auch keiner der drei das Gespräch gesucht, mit der Parteichefin und Bundestagsabgeordneten Astrid Timmermann-Fechter dagegen schon. Eine Erklärung von Partei- und Fraktionsspitze kam auch gestern nicht.