Mülheim. . Early Excellence ist längst Alltag. Bei der Stadt beschäftigt man sich trotzdem noch viel damit, will sicher sein, dass es wirklich funktioniert.
„Early Excellence heißt nicht, dass das einzelne Kind exzellent sein soll, sondern die Einrichtung muss es sein“, sagt Prof. Dr. Sabine Hebenstreit-Müller. Sie ist eine von zwei Expertinnen, die der Stadt Mülheim seit Jahren beim Projekt „Mülheim bildet – von Anfang an!“ zur Seite stehen. Hebenstreit-Müller und ihre Kollegin, Prof. Dr. Ursula Rabe-Kleberg, haben das Konzept wesentlich mitgeprägt und sind auch jetzt immer wieder mal als Beraterinnen an Bord. So am Freitag, als Sozialdezernent Ulrich Ernst, Jugendamtsleiterin Lydia Schallwig sowie Mitarbeiter im Stadtarchiv beratschlagten, wie auf Dauer gewährleistet werden kann, dass EEC ein Erfolgsmodell ist.
„Wir müssen weiter optimieren“
Bei allen Erwägungen gehe es immer um eines, so Ernst, „um möglichst hohe Qualität der Kitas“. Vor neun Jahren habe man sich auf den Weg gemacht, mittlerweile sei die Umstellung aller städtischen Einrichtungen auf EEC längst bewältigt, „nun müssen wir schauen, was wir tun können, um möglichst optimale Bedingungen zu haben“. Die individuelle, exzellente Förderung eines jeden Kindes sei die Aufgabe, und seit geraumer Zeit denke man über Instrumente der Qualitätssicherung nach, über Prozesse, mit denen sich sicherstellen lässt, dass auch wirklich alles gut läuft. „Wir müssen immer weiter optimieren.“
Wie frühkindliche Betreuung bestenfalls aussieht, darüber streiten Experten leidenschaftlich. Für Hebenstreit-Müller und Rabe-Kleberg ist EEC der richtige Ansatz: Anders als in früheren Zeiten, in denen man Kinder kaum individuell, sondern vor allem als Gruppenmitglied gesehen habe, berücksichtige man bei diesem Konzept kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten des Individuums. Das zur Jahrtausendwende aus England übernommene Konzept stelle sicher, „dass kein Kind verloren geht“, sagt Hebenstreit-Müller. Die Zusammenarbeit mit Eltern sei wesentlicher Faktor, ebenso die genaue Beobachtung des Kindes durch die Erzieherinnen und eine entsprechende Dokumentation. Nur so ließen sich Stärken entdecken, die Kinder gezielt fördern.
Unabdingbar sei darüber hinaus eine Eingewöhnung, die eine echte Bindung zur Erzieherin ermöglicht. „Wenn das nicht stattfindet oder zu kurz ausfällt, ist die Prognose fürs Kind nicht gut“, sagt Rabe-Kleberg. Man brauche genaue Vorgaben für die Eingewöhnung, ein verlässliches System. So sehe es das Mülheimer Konzept auch vor; „aber leider heißt das nicht, dass es auch überall schon so der Fall ist“.
„Studien widerlegen Kritiker“
Wichtige Stationen im Berufsleben der Beraterinnen
Prof. Dr. Ursula Rabe-Kleberg (67) aus Halle an der Saale war bis 2012 Professorin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; sie hatte den Lehrstuhl für Bildungssoziologie inne. Bis 2015 war sie auch wissenschaftliche Leiterin des Instituts „Bildung elementar“ in Halle, das sich u.a. auf Bildungsprogramme für Kitas spezialisiert hatte.
Prof. Dr. Sabine Hebenstreit-Müller ist noch heute Professorin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, und zwar im Bereich Kleinkindpädagogik. Seit 1999 ist sie Direktorin des Pestalozzi-Fröbel-Hauses in Berlin, das Erzieherinnen ausbildet und zugleich Träger zahlreicher Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Berlin ist.
Dass es auch Kritiker an frühkindlicher Betreuung allgemein gibt – so etwa Dr. Rainer Böhm, Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums in Bielefeld-Bethel, der Anfang März in der Ev. Familienbildungsstätte vor allzu früher Fremdbetreuung warnte (wir berichteten) –, schreckt die Expertinnen nicht. Zum einen habe sich Böhm bei seinen Ausführungen vielfach auf Studien aus Amerika bezogen, und dort sei das System deutlich verschulter als in Deutschland. Zum anderen gebe es reichlich Studien, etwa eine von Bertelsmann, die das Gegenteil seiner Argumente belegten. Anders als von Böhm behauptet, zeigten diese, „dass Kinder, die früh betreut wurden, deutlich bessere Bildungschancen haben“, so Rabe-Kleberg. Vor allem für Kinder, die sonst eher wenig Chancen hätten, sei die frühe Betreuung „eher Potenzial denn Gefahr“.
Und auch wirklich kleine Kinder sind laut der Expertinnen bei EEC gut aufgehoben: Sie könnten sich jederzeit in ihr Nestchen zurückziehen, also in ihre Gruppe mit anderen Kleinen unter Obhut einer festen Erzieherin. Diese achte genau darauf, welche Freiräume man dem Kind schon zumuten könne.