Mülheim. . Verwaltung legt dezidierte Aufstellung zum Bedarf in allen Stadtteilen vor. Vor allem in Dümpten, Saarn und in Stadtmitte ist die Situation schwierig.

In den kommenden zwei Jahren, also bis Sommer 2018, will die Stadt 737 neue Plätze in Kindertageseinrichtungen schaffen. Der seit Jahren vorangetriebene Ausbau des Betreuungsangebotes ist unmittelbare Folge des seit 2013 geltenden Rechtsanspruchs auf Betreuung auch für Kinder unter drei Jahren (U3). Mittelfristig geht die Stadt davon aus, dass für rund 45 Prozent der U 3-Kinder ein Platz bereitstehen muss sowie für rund 99 Prozent der Kinder über drei Jahre (Ü 3).

Die Zahlen verschieben sich regelmäßig leicht, aktuell unter anderem durch die wieder ansteigende Geburtenrate sowie durch die Flüchtlingskrise, die ebenfalls neue Kinder in die Stadt gebracht hat. Aktuell geht man davon aus, dass die Einrichtung weiterer 620 U 3-Plätze sowie 630 Ü 3-Plätze in den Kitas erforderlich ist, heißt es in einem Papier der Verwaltung, welches in der kommenden Woche in die politischen Gremien geht.

„Der Landeszuschuss ist höher, wenn nicht die Kommune der Betreiber ist“

Der Ausbau soll – wenn möglich – nicht allein von der Stadt getragen werden, sondern von freien oder anderen Trägern. Das erfordert das Gesetz, erklärt Jugendamtsleiterin Lydia Schallwig, es sei aber auch deutlich wirtschaftlicher: „Der Landeszuschuss ist höher, wenn nicht die Kommune der Betreiber ist.“

In der Altersgruppe der unter Dreijährigen sollen künftig rund 20 Prozent der insgesamt benötigten 1895 Plätze durch Tagesmütter abgedeckt werden. Das würde einer Zahl von 378 Plätzen entsprechen. Bis zur Umsetzung der aktuellen Ausbaupläne sind deutlich mehr Tagesmütter im Einsatz: Rund 580 Plätze stehen zurzeit zur Verfügung. Im Bereich von Ü 3 werden die notwendigen Plätze laut der Beschlussvorlage derzeit durch Interimseinrichtungen sowie Überbelegungen – aktuell zusammen 408 Plätze – abgesichert.

Sprachheilkindergarten wird aufgelöst

Im Sommer gibt die Stadt den Interimsstandort Boverstraße 150 auf. Die 24 Betreuungsplätze des Sprachheilkindergartens werden auf vorhandene Kitas verteilt, ganz so wie es die neuen Inklusions-Regeln vorsehen.

Das NRW-Inklusionsgesetz besagt, dass jedes Kind mit Behinderung in jede Kita gehen kann. Um den Bedürfnissen gerecht werden zu können, ist für jedes der Kinder ein weiterer Platz freizuhalten.

Als Grundlage für die Berechnung der Betreuungsplätze dienten Bevölkerungszahlen vom 30. September vergangenen Jahres: Danach lebten damals 4214 Kinder unter drei Jahren in der Stadt sowie 4283 Kinder über drei Jahren. Gesamtstädtisch müssen demnach – wie gesagt – 1895 U 3- sowie 4240 Ü 3-Betreuungsplätze bereitstehen. Im Bereich U 3 führt der Ausbau bis Sommer 2018 zu 278 neuen Plätzen, im Bereich Ü 3 zu 459 Plätzen.

Das Amt für Kinder, Jugend und Schule hat eine dezidierte Aufstellung der Kitaplätze für alle Stadtteile erarbeitet. Klar ist, dass auch nach dem jetzt anvisierten Sommer 2018 weiter kräftig gebaut werden muss. Schwierigkeiten gibt es vor allem in Dümpten, in Saarn – und in Stadtmitte. „Dort besteht der höchste Ausbaubedarf“, so Lydia Schallwig. „Wir haben das im Fokus, suchen weiter nach geeigneten Flächen.“

Stadt baut Betreuungsangebote aus: Was für die einzelnen Stadteile geplant ist  

In Saarn, Dümpten und vor allem in der Innenstadt fehlen die meisten Kindergartenplätze. Die Stadt fahndet dort weiter intensiv nach Grundstücken für Neubauten. „Und wenn jemand etwas Geeignetes anbieten möchte, sagen wir gern: ,Bitte, nur zu’“, so Jugendamtsleiterin Lydia Schallwig.

Vor allem in der Innenstadt gestalte sich die Suche schwierig: Die Bebauung ist dicht, freie Flächen sind Mangelware, insbesondere solche, die auch noch Platz ließen für ein großzügiges Außengelände. Gesetzlich vorgeschrieben sei zudem, dass Kitas nicht in der Nachbarschaft von Betrieben liegen dürfen, in denen es zu Störfällen kommen kann, also etwa zu schädlichen Emissionen. Trotz aller Schwierigkeiten bleibt Schallwig zuversichtlich, dass sich geeignete Flächen finden lassen. Der Ausbau Schritt für Schritt habe auch einen Vorteil: „So können wir nachjustieren, in Ruhe schauen, ob sich der Bedarf tatsächlich so entwickelt, wie wir das annehmen.“ Schon jetzt, so zeigen die Unterlagen, die ab 5. April in den politischen Gremien beraten werden, tut sich viel in den Stadtteilen:

Innenstadt

Aktuell fehlen in der Innenstadt 285 U 3- sowie 345 Ü 3-Plätze. Nach den Sommerferien werden an der Löh­straße und am Tourainer Ring/Auerstraße zwei Kitas in Betrieb genommen. Am Standort Tourainer Ring/Auer­straße wird in der kommenden Woche Richtfest gefeiert; Auch die Jungen und Mädchen aus der Kita Zunftmeisterstraße werden die Einrichtung künftig besuchen.

Die „Sonnenblume“ an der August-Schmidt-Straße, die bis Mitte 2015 zur Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde (VEK) gehörte, mittlerweile aber von der Graf Recke Stiftung getragen wird, wird erweitert und alsbald mit fünf Gruppen betrieben. Die Stiftung verhandelt mit der VEK auch über die Übernahme des Kindergartens am Muhrenkamp, der dann um zwei Gruppen erweitert werden soll.

Außerdem plant die Stadt, bis 2017 an der Bruchstraße eine neue sechsgruppige Kita einzurichten.

Nach Abschluss der Bauarbeiten fehlen voraussichtlich immer noch 170 U 3- sowie 121 Ü 3-Plätze. Vor dem Hintergrund des seit 2013 geltenden Rechtsanspruchs auf Betreuung aller Kleinkinder sind fünf zusätzliche Gruppen erforderlich, heißt es in den Unterlagen. Nachgedacht werden solle deshalb auch über die Weiterführung der Interimseinrichtung Wilhelmstraße.

Heißen

Heißen ist besser versorgt, zeigen die Zahlen: 30 U 3-und 57 Ü 3-Plätze fehlen. Pläne für Neubauten gibt es nicht, aber Überlegungen, einen bestehenden Standort zu erweitern. Um welchen genau es sich handelt, wollte Schallwig noch nicht sagen.

Menden/Holthausen

Die Pläne zur Zukunft der Lernwerkstatt Natur im Glashaus am Tiergehege im Witthausbusch werden kritisiert, zum Beispiel vom Stadtelternrat. Die fremdfinanzierte Förderung der Einrichtung an der Pettenkofer Straße läuft aus, und bei der Stadt denkt man nun über einen Waldkindergarten für 20 Jungen und Mädchen nach. Dass die Lernwerkstatt nicht erhalten werden kann, missfällt vielen. Auch Schallwig weiß: „Das Angebot ist gut.“ Doch die finanzielle Misere zwinge zu Alternativen. „Bei anderer Haushaltslage hätten wir wohl eine andere Lösung gefunden.“ Der Waldkindergarten wäre wegen der besonderen pädagogischen Ausrichtung für Kinder aller Stadtteile interessant. Und Natur und Umwelt könne man auch so vermitteln; „wir werden Erzieherinnen fortbilden“.

In Menden und Holthausen ist die Situation nicht schlecht: Aktuell fehlen 34 U 3-Plätze, im Bereich der Ü 3-Plätze gibt es sogar einen Überhang von 20. Zudem baut die Elterninitiative Stöpsel am Oppspring eine neue sechsgruppige Einrichtung – auch für die Kinder, die bis dato ins einst ebenfalls zur VEK gehörende Raadthäuschen gehen.

Styrum

An der Burgstraße in Styrum, ganz in der Nähe von Aldi, soll bis 2017 eine ebenfalls sechsgruppige Kita entstehen, wobei die Hälfte der Plätze für Kinder der Aldi-Belegschaft vorgesehen sein soll. Außerdem sollen dort auch die Kinder aus der Einrichtung Albertstraße unterkommen, die aufgegeben wird. Aktuell fehlen in Styrum 43 U 3-Plätze und es besteht ein Überhang von 3 Ü 3-Plätzen.

Dümpten

63 U 3-Plätze und 33 Ü 3-Plätze fehlen. „In Dümpten ist aus Bedarfssicht die Errichtung einer vier- bis fünfgruppigen Kindertageseinrichtung erforderlich“, heißt es in der Beschlussvorlage. „Gleichzeitig soll eine städtische Tageseinrichtung in Dümpten, die seitens der Verwaltung als nicht zukunftsfähig eingestuft wird, aufgegeben werden.“ Genauere Angaben können laut Lydia Schallwig noch nicht gemacht werden; „wir suchen ja noch nach Flächen“. Und man wolle auch niemanden verunsichern, indem man schon jetzt verkünde, welche Kita eventuell geschlossen wird.

Broich

Am 9. April von 10 bis 14 Uhr ist Tag der offenen Tür in der gerade erst gestarteten Kita am Siepmanns Hof. Rund die Hälfte der Plätze ist bereits besetzt; sechs Gruppen sollen letztendlich betreut werden. Darüber hinaus wird der Interimsstandort Kurfürstenstraße mit derzeit 40 Plätzen erweitert – und bis Sommer 2016 zu einer Regeleinrichtung ausgebaut. Wenn beide Einrichtungen den Betrieb voll aufgenommen haben, wird es elf U3- und 29 Ü3-Plätze zu viel im Stadtteil geben – diese sollen laut aktueller Planung der Nachfrage des neuen Personals der Hochschule Ruhr West sowie dem Ausgleich fehlender Plätze in Saarn und Speldorf dienen.

Speldorf

Es fehlen aktuell 52 Plätze für Kinder unter drei Jahren und 57 Plätze für Kinder, die älter sind als drei Jahre. 2017 soll eine neue viergruppige Kindertageseinrichtung am Standort Frühlingstraße – nahe der Katharinenschule – an den Start gehen. Trotzdem verbleibt danach ein Ausbaubedarf von 30 U3- und vier Ü3-Plätzen. Daher sei nicht davon auszugehen, dass die „als nicht zukunftsfähig“ eingestufte Kita an der Richard-Wagner-Straße schon aufgegeben werden könne.

Saarn

In Saarn ist der Mangel an Kita-Plätzen ebenfalls groß: Aktuell besteht ein Ausbaubedarf von 65 U3- und 55 Ü3-Plätzen oder, wie es in der Beschlussvorlage für die Politik heißt, von vier Betreuungsgruppen. Um die Not nicht noch zu vergrößern, soll der Interimsstandort Erlenweg zunächst weitergeführt werden. Und, wie gesagt: Auch in Saarn sind Jugendamtsleiterin Lydia Schallwig und ihr Team auf der Suche nach Flächen für neue Kitas.