Mülheim. Wilfried Stascheit leitet mit seiner Frau den Verlag Tibia Press, der Platz für Autoren bietet, die ihre Leser unterhaltsam bilden und die Demokratie stärken wollen.
Klar, den Besuch von Barack Obama auf Kuba hat Wilfried Stascheit natürlich aufmerksam verfolgt. Es ist schließlich kein Zufall, dass in seinem Arbeitszimmer jeweils ein Bild von Che Guevara und Fidel Castro hängen. Erstaunlich ist es da schon eher, dass auf den beiden Schwarz-Weiß-Fotografien die zwei Revolutionsführer beim Golfspielen zu sehen sind, dem Kapitalistensport schlechthin. Aber gerade das Gebrochene ist es, was der 66-Jährige so an den Bildern mag. Darin spiegelt sich auch seine Selbstironie wider, die ihn, wie er sagt, immer davor geschützt habe, zum Fundamentalisten zu werden. Kommunist ist Stascheit, der einst auch mal beim Kommunistischen Bund Westdeutschlands aktiv war, schon lange nicht mehr. Ein politischer Mensch freilich ist der Verleger immer noch. Und wenn es um den Kampf der Menschen gegen ihre selbstverschuldete Unmündigkeit geht, zeigt der überzeugte Aufklärer auch jetzt noch klare Kante. „Ich habe das Gefühl, dass gerade jetzt Aufklärung wichtig ist.“
Notwendiger denn je
Der 66-Jährige spielt auf den Rassismus an, der seiner Ansicht nach immer noch in der Gesellschaft latent vorhanden sei und der gerade aktuell sein hässliches Gesicht zeige. Stascheit, der auch eine Stiftung gegründet hat, die in der Vergangenheit etwa auch die WiM unterstützt hat, könnte eigentlich angesichts dieser Diagnose verzweifeln. Schon vor 20 Jahren hatte er sich angesichts der Anschläge in Rostock gegen Ausländerfeindlichkeit engagiert - und als Verleger des Verlages an der Ruhr mit dem Schwerpunkt pädagogische Literatur hatte er dazu auch vielfältige Möglichkeiten. „Ich habe vor kurzem ein Flugblatt von damals gefunden. Das könnte man heute alles noch genauso schreiben.“ Also, hat die ganze pädagogische Aufklärungsarbeit nichts genutzt? „Gegen den Durchzug im Gehirn“ - unter diese Devise hat Stascheit seinen neuen Verlag Tibia Press gestellt, den er mit seiner Frau Annelie Löber-Stascheit, die sich um das Marketing kümmert, leitet. Obwohl so jung ist Tibia Press auch nicht mehr. Schon vor 15 Jahren hatte Stascheit ihn als Zweitverlag gegründet, neben dem viel größeren Verlag an der Ruhr.
Schon damals war er als Nische gedacht, in der er seine Buch-Ideen ausleben kann, für die in dem großen Pädagogik-Fachverlag kein Platz war. Den Verlag an der Ruhr hat Stascheit mittlerweile verkauft und Tibia Press - das gibt er ganz offen zu - muss nicht seinen Lebensunterhalt erwirtschaften. Finanziell selbst tragen „das sollte sich der Verlag schon. „Nicht für den Profit“ - so heißt der deutsche Titel des Buches von Martha C. Nussbaum, das Stascheit gerade herausgebracht hat. Das ist nicht irgendeine Autorin, sondern eine der einflussreichsten US-Philosophinnen der Gegenwart.
Den 66-Jährigen freut es, diesen Fang gemacht zu haben und es wundert ihn eigentlich noch immer, dass kein größerer Verlag ihm das Werk vor der Nase weggeschnappt hat. Denn Nussbaums Buch - Untertitel: „Warum Demokratie Bildung braucht“ - ist aus seiner Sicht äußerst aktuell. Und gleichzeitig steckt in dieser Feststellung auch so etwas wie sein verlegerisches Credo. Deswegen ist Stascheit eben auch immer noch ein Aufklärer - er ist immer noch davon überzeugt, dass die Welt besser werden könnte. Der Schlüssel dazu liegt für ihn in Bildung.
Die Jugend im Blick
Und die brauchen vor allem junge Leute. An die richtet sich denn auch die erfolgreichste Reihe von Tibia Press: „Info-Comics“ heißen die Bände, die in jede Jackentasche passen. Die thematische Bandbreite reicht von Quantenphysik bis zu Einführungen in die Gedankenwelt berühmter Philosophen wie Wittgenstein, Nietzsche oder den aktuell sehr trendigen Mode-Philosophen Slavoj Zizek, dessen kulturkritischen Werke ständig auf der Bestseller-Liste landen. Das was die Bände von üblichen Einführungen unterscheidet: Eben die Comics - sie sind nicht nur anschaulich, sondern auch unterhaltsam. Und entsprechende Texte von Experten gibt es auch dazu. Besonders gut geht die Reihe in Universitätsstädten - das freut Stascheit natürlich besonders - und in Bahnhofsbuchhandlungen.
Gerade die besonders komplizierten Themen, sind beliebt: 13.000 Mal ging die Quantentheorie etwa über die Ladentheke. Das einzige was Stascheit ärgert: Die Reihe stammt aus England, er würde nun gerne auch deutsche Autoren dazu gewinnen. „Doch leider ist es bei den deutschen Professoren verpönt, populärwissenschaftlich zu arbeiten.“ Aus seiner Sicht schwer verzeihlich, fast schon eine Verletzung ihrer staatsbürgerlichen Pflichten durch die Gelehrten. Denn wie gesagt: „Demokratie brauche Bildung“. Doch Stascheit ist ständig auf der Suche nach neuen Autoren. Demnächst wird es wohl einen Band zum Islam geben. Auch das sehr aktuell.