Mülheim.. Polizei Essen/Mülheim wird Schwerpunktbehörde und bekommt zusätzliches Personal für den Wach- und Wechseldienst. Gewerkschaft rechnet mit 30 Stellen.

Die Polizei Essen/Mülheim wird von den 500 geplanten zusätzlichen Polizeistellen in NRW profitieren, die in Städten mit einer hohen Kriminalitätsrate geschaffen werden sollen. Die hiesige Polizeibehörde zählt zu den insgesamt acht Schwerpunktbehörden.

Ziel der Maßnahme des Landes ist es, die Polizeipräsenz deutlich zu steigern. Das Polizeipräsidium Essen rechnet mit ca. 30 Angestellten, die das Team verstärken. Aus Gewerkschaftssicht ist dies eine dringend notwendige Maßnahme: „Die Realität holt den jahrelang vollzogenen Stellenabbau ein“, sagt Heiko Müller, der jüngst zum Kreisgruppenvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Essen/Mülheim (GdP) wiedergewählt wurde. Auch, dass die Zahl der Polizeianwärter landesweit um 250 auf 1900 pro Jahr erhöht wurde, lässt Müller erst einmal aufatmen. „Das fängt zum Glück unseren Stellenabbau auf, den wir durch den Ruhestand bis 2021 haben. Sonst hätten wir ein Minus von 88 Polizisten gehabt, was die Größenordnung einer Wache wäre“, so Müller.

Er kritisiert, dass viele Themen aus der öffentlichen Diskussion verschwunden sind. Flüchtlinge, die Silvesternacht in Köln – und sonst? „Nichts mehr“, sagt Heiko Müller. Dabei steige die Belastung der Polizisten genauso durch Demonstrationen, Fußballspiele und durch die Kriminalitätsbekämpfung. „Die Auftragsbücher werden immer voller.“ So voll, das Heiko Müller sagt: „Die Polizei wird sich verändern.“ Man müsse darüber nachdenken, welche Aufgaben „an die Ordnungsbehörde abgegeben werden können.“

152 000 Einsätze in 2015

Muss die Polizei einen Schwertransport begleiten? Oder den Ärger am Nachbarschaftszaun regeln? „Früher haben wir den Schiedsmann dazu gerufen. Heute nehmen wir die Personalien auf, schreiben eine Anzeige, die wird wieder hier nachbearbeitet“, erklärt Heiko Müller.

Die Einsatzzahlen der Polizei in Essen und Mülheim sind 2015 erneut um 10 000 auf über 152 000 gestiegen, fast 70 000 Überstunden liefen in der Behörde an. Stark zugenommen habe die Belastung für die Einsatzhundertschaft, die zunehmend auch zu Einsätzen außerhalb von NRW abgerufen wird. 2014 waren es 720 000 Stunden, die für bundesweite Einsätze angefallen sind. Zum Vergleich: 2013 waren es 145 000 Stunden. „Das kann nicht sein. Die Bundesländer haben die Verpflichtung, Polizei vorzuhalten“, so Heiko Müller.

Bislang konnten sich die Polizisten 480 Überstunden pro Jahr auszahlen lassen. „Der Anteil soll nun verdoppelt werden“, sagt Heiko Müller. Das sei gut, aber Geld sei auch nicht alles. „Der Körper reagiert darauf. Man braucht die Freizeit zur Erholung.

Gerade wenn man über Jahre im Wach- und Wechseldienst arbeitet“, sagt Müller. Unter dem neuen Polizeipräsidenten Frank Richter hat man in Essen/Mülheim ein von den Polizisten erarbeitetes „5-Schichtenmodell“ eingeführt, das den Polizisten im Wach- und Wechseldienst eine Entlastung in ihre 41-Stunden-Woche bringen soll. Zwischen den Schichten müssen elf Stunden liegen, eine Schicht ist in Bereitschaft und eine hat frei. In der Regel. Denn natürlich gibt es Sonderteams für bestimmte Einsätze.

Mehr Rückhalt gefordert

Auch die Justiz, so fordert die Gewerkschaft der Polizei, müsse umdenken. Heiko Müller, Vorsitzender der GdP-Kreisgruppe Essen/Mülheim, nennt das Beispiel der Verfolgung von Einbrüchen. „Das kann die Polizei nicht alleine leisten. Auch die Justiz muss sich darauf einstellen, dass wir reisende Täter haben. Wenn wir die Täter festgenommen haben, ist es für die Polizei ärgerlich, wenn sie wieder auf freien Fuß gesetzt werden“, sagt Heiko Müller. Man brauche „beschleunigte Verfahren. Die Strafe für die Täter muss auf den Fuß folgen.“ Auch dann, wenn Polizisten angegriffen werden.

Heiko Müller fordert ein „konsequentes Vorgehen gegen Straftäter, die Polizisten angreifen. Sie greifen den Staat an, nicht nur Polizisten.“ Die GdP beklagt seit längerem eine zunehmende Gewalt gegen Beamte – vor allem im Wach- und Wechseldienst. 363 Übergriffe auf Polizisten der Essener Behörde wurden dem Innenministerium allein in 2014 bekannt. Heiko Müller spricht von einer deutlichen Zunahme der Fälle um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch in Internetforen gebe es viele Hass-Kommentare gegen Polizeibeamte. „Die Polizisten müssten mehr Rückhalt haben“, so Müller.

Denn dies alles motiviere nicht unbedingt junge Leute, sich für den Beruf eines Polizisten zu entscheiden. „Wir verlieren neun Prozent aller Polizeianwärter im Studium. Die Stellen sind für uns verloren, werden auch nicht ins nächste Jahr übertragen“, sagt Heiko Müller. Demnach könnte es schwierig werden, die vom Land geschaffenen zusätzlichen Stellen auch alle zu besetzen.