Mülheim. . Schon seit 1960 betreibt Aldi Süd am Heifeskamp in Mülheim-Dümpten eine Rösterei. Sie zählt zu den modernsten der Welt – wir durften reinschnuppern.
Kaffeeduft liegt am Heifeskamp mal wieder in der Luft. Immer, wenn der Wind von Südwesten weht, riecht es hier – bis hoch zur A 40 – köstlich nach frisch gemahlenen Kaffeebohnen. Viele Mülheimer ahnten es, publik gemacht wurde es bisher aber nie: Aldi Süd betreibt hier in Dümpten eine Kaffeerösterei. Bereits seit 1960. „Aldi zählt momentan zu den drei größten Kaffeeproduzenten Deutschlands und hat hier in Mülheim eine der modernsten Röstereien der Welt“, erklärt Werksleiter Klaus Kramer.
Im Hof, an einer Laderampe, hat ein Lkw angedockt. Er liefert Rohkaffee an, grüne Bohnen von Arabica- oder Robusta-Pflanzen, die in verschiedensten Ecken der Welt angebaut werden. Die Ware wird zunächst gewogen, gereinigt und in ein Silo gefüllt, bevor der Produktionsprozess beginnt. Alles, was mit den Erträgen aus den Kaffeekirschen dann geschieht, ist vollautomatisch gesteuert und wird computerüberwacht. Vom Röstleitstand aus beaufsichtigen die Mitarbeiter auf mehreren Bildschirmen und mittels eines speziellen Computer-Programms jeden einzelnen Produktionsschritt – bis hin zur Auslieferung an die LKW.
Röstmeister Arthur Durdak beobachtet gerade, wie der frisch gelieferte Rohkaffee eingelagert wird, später wird er kontrollieren, ob die Weiterverarbeitung in den Röstanlagen problemlos funktioniert. Zuvor findet im Leitstand aber eine Wareneingangsverkostung statt. „500 Gramm des Rohkaffees werden hier in einer Miniatur-Röstanlage nach der entsprechenden Rezeptur einige Minuten lang geröstet und dann gemahlen, danach aufgebrüht und getestet“, berichtet Nina Desmer, Kaffee-Sommelière und Qualitätsbeauftragte am Standort.
Der Kaffee wird lauwarm verkostet
50 kleine Tassen Kaffee werden zubereitet und lauwarm verkostet. Bereichsleiter Reiner Bär, der einen besonders guten und geübten Geschmackssinn hat, nimmt aus jedem Tässchen in Schlückchen – schlürfend wie ein Weinkenner. „Ich rieche erst an jeder Probe, dann prüfe ich den Kaffee geschmacklich – auf Aroma, Säure und Körper“, erklärt er. Schon eine einzige schlechte (etwa überfermentierte) Bohne könne eine Charge verderben. „Dann geht die ganze Ladung zurück“, berichtet Klaus Kramer.
60 Tonnen Rohkaffee werden täglich am Heifeskamp angekarrt. Für jede Kaffeesorte von Aldi Süd gibt es eine eigene Rezeptur. Sie wurde von den Verkostern kreiert, ist meist eine Mischung verschiedener Bohnen, die miteinander harmonieren – und natürlich streng geheim.
Derzeit verkauft Aldi Süd in Deutschland sieben Sorten gemahlenen und vakuumverpackten Kaffee, fünf Sorten mit ganzen Bohnen und sechs Kaffee-Pad-Varianten. Die Produkte gehen an 40 Prozent der insgesamt 1860 deutschen Filialen, aber auch in die USA, nach Großbritannien und Australien. Für manche dieser Länder gibt es ganz eigene Rezepturen und Formate.
Besteht eine Rohware-Lieferung den Eingangstest, wird sie auf unterschiedliche Art geröstet. Vom Röstofen aus gelangen die Bohnen (auch entkoffeinierte) in eine von drei großen Mühlen, wo sie mit unterschiedlichem Mahlgrad gemahlen werden. „Das Kaffeepulver für den britischen Markt zum Beispiel ist grober gemahlen, weil die Briten meist Pressstempelkannen benutzen, für die das dünne Mehl nicht so geeignet ist“, erläutert Nina Desmer.
Bohnen reagieren auf Sauerstoff und verlieren ihr Aroma
Das Problem beim Kaffee: „Die Bohnen reagieren auf Sauerstoff, oxidieren dann und verlieren nach vier bis sechs Wochen einen Großteil ihres Aromas. Deshalb wird der gemahlene Kaffee in Vakuumpackungen gefüllt“, so Klaus Kramer. Bei den ungemahlenen Bohnen, die in Folienbeuteln verkauft werden, entsteht wegen noch freiwerdender Aromen in der Packung dann ein Überdruck. Damit der entweichen kann, aber kein Sauerstoff an den Kaffee kommt, ist in die Packung ein Überdruckventil eingebaut. Ein Maschinenführer hat sich eine verschweißte Packung geschnappt und führt eine Sauerstoffrestmessung durch. „Zwischenkontrollen gibt es in der Produktionskette an verschiedenen Stellen“, sagt der Werksleiter.
In der riesigen Produktionshalle, die zwischen 2013 und 2015 nochmal erheblich vergrößert wurde, geht es nicht gerade leise zu. Neben den Mühlen gibt es hier auch hochmoderne, eigens für diese Rösterei entwickelte, neue Verpackungsmaschinen – sowohl für den gemahlenen Kaffee als auch die ganzen Bohnen und seit Kurzem für die Pads.
Ganze Bohne ist erst seit 2006 wieder gefragt
Durch lange Rohrleitungen, die unter der Decke verlaufen, wird der Kaffee in die Anlagen geleitet. Zum Beispiel in die Schlauchbeutelanlage, den Füllgutverteiler oder die Dosiereinrichtung. Faszinierend wie dort die Verpackungen erstellt, dann befüllt und schließlich versiegelt und bedruckt werden.
Die fertigen roten, grünen oder braunen Pakete werden schließlich auch noch in die Verkaufskartons gestellt und auf langen Laufbändern zum Palettierroboter und ins (auch ziemlich neue) Hochregallager transportiert. Dort liegen sie nicht länger als ein paar Tage, dann geht es zur Rampe und in den LKW. „Der Kaffee soll ja möglichst frisch rausgehen und auch verkauft werden“, erklärt Werksleiter Klaus Kramer.
Den Kaffee am Besten im Kühlschrank lagern
Für uns und alle anderen Verbraucher hat er folgenden Tipp parat: Den Kaffee nach dem Öffnen im Kühlschrank lagern – gut verschlossen in der Originalverpackung oder in einer Dose. So behält er sein Aroma am längsten. Aufbrauchen sollte man ihn dennoch relativ zügig. Denn: „Nach vier bis fünf Wochen wird der Kaffee einfach flach.“
Etwa 60 Mitarbeiter sind in der Dümptener Rösterei am Start, ein Großteil in Management, Technik, Materialfluss, etc. In der Produktion sind unter anderem Röstmeister, Maschinenführer und Handwerker im Einsatz. Für die Mitarbeiter, die als Verkoster aktiv werden möchten, gibt es Sensorikschulungen.
Zwischen 2008 und 2015 hat man viele Sondermaschinen für die Kaffeeproduktion in Mülheim entwickelt und bauen lassen, nach der Erweiterung der Logistikfläche (2013 bis 2015) konnten ganz neue Verpackungsmaschinen (u.a. auch eine Pad-Maschine) bzw. Förderanlagen aufgestellt werden, auch das Hochregallager kam dazu. Auf Qualitätsmanagement legt man laut Werksleiter Klaus Kramer viel Wert. Produziert wird nach sieben verschiedenen Standards – darunter soziale und ökologische Verpflichtungen zu Anbau und Verarbeitung. Abfallprodukte bei der Produktion in der Rösterei werden übrigens zu Pellets gepresst und entsorgt.
Neben der Rösterei in Mülheim betreibt Aldi Süd eine weitere, noch etwas größere Rösterei in Ketsch (bei Mannheim, seit 1973). Dort werden die gleichen Produkte wie am Heifeskamp produziert. Aldi Süd stellt Kaffeesorten für jede Zubereitungsart her, für die normale Filterkaffeemaschine ebenso wie für Siebträgermaschinen, Vollautomaten, Pressstempelkannen, Pad-Maschinen oder Espressokännchen. Interessant: Zwischen 1993 und 2006 waren ganze Bohnen völlig out und wurden weder produziert noch verkauft. Erst mit der Cappuccino-Mode und den Vollautomaten kamen sie wieder zurück ins Sortiment.
Das ist die ideale Brühtemperatur
Die Ernte der roten Kaffeekirschen erfolgt überwiegend per Hand. In jeder Kirsche stecken zwei Bohnen, die sich durch zwei verschiedene Aufbereitungsverfahren im Ernteland gewinnen lassen: durch Trocknen oder durch Pulpen, Fermentieren und Waschen vor dem Trocknen. Nach der Sortierung werden die Bohnen verpackt und verschifft.
Es gibt sortenreine Kaffees, meistens aber werden verschiedene Bohnen gemischt. Wie danach Röstung und Mahlen erfolgen, ist das Geheimnis der jeweiligen Rösterei.
Beim Rösten bilden sich rund 1000 Aromastoffe. Die Bohne dehnt sich aus, wird dabei aber leichter. Zucker und Proteine verschmelzen zu aromatischen Verbindungen. Aromaöle treten an der Oberfläche der Bohne auf. Jeder Kaffee schmeckt anders – je nach Pflanze und Herkunftsort, aber auch je nach Mahlung, Röstung, Wasser und Zubereitungsart. Ideale Brühtemperatur: 92 bis 96 Grad, nicht kochend. Milch reduziert den Säuregehalt, macht den Kaffee bekömmlicher.
Weltweit leben rund 25 Millionen Menschen von der Kaffeeproduktion. Die Geschichte des Kaffees soll bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen und ihre Wurzeln in der Türkei haben.