Nicht alle Reisenden hatten vor dem Wochenende mitbekommen, dass die Bahn für die Inbetriebnahme des Styrumer Stellwerks den Verkehr einstellen musste. Busse teils mit deutlichen Verspätungen
Samstag, High Noon an den Bahngleisen. Wären wir tatsächlich im Western, würde man nur die Steppenhexer über den Hauptbahnhof huschen sehen. Kurzum: totale Stille. Aber am Nordausgang, an den Bushaltestellen, tobt es – um kurz beim Western zu bleiben – wie im Saloon. Hier waren am Wochenende zweimal stündlich Ersatzbusse für all die Züge unterwegs, die normalerweise in Mülheim Halt machen.
Die Vorbereitungen für die Inbetriebnahme des ausgebrannten Stellwerks in Styrum hat Chaos in den Nah- und Fernverkehr gebracht. Viele Bahnkunden wurden von dem Ersatzfahrplan überrascht – weil sie kein Radio gehört haben, keine Zeitung gelesen haben oder einfach empfinden, dass die Deutsche Bahn die Pläne nicht genug publik gemacht hat. Größere Plakate, und das schon vor Tagen, hätte sich etwa Anthony Odame gewünscht.
Heute besucht der Mülheimer zum Glück nur einen Freund in Essen-West. Aber wegen der immer wieder auftretenden Zugausfälle seit dem Brand im Stellwerk Anfang Oktober 2015 sei er in den vergangenen Monaten oft fast zu spät zur Arbeit gekommen. „Ich musste mir oft einen Taxi nach Duisburg nehmen, anders ging es nicht“, sagt der gelernte Koch. Aber ab heute Morgen, vier Uhr, soll der Verkehr ja wieder ganz normal laufen. „Endlich!“
Neben Aushängen am Bahnhofsdurchgang und Mitteilungen an den Anzeigetafeln hat die Deutsche Bahn am Wochenende auch durch einen zweiten Service-Mitarbeiter versucht, den Fahrgästen die Umstände zu erleichtern. „Es gibt sehr viele, die uns Fragen stellen und nicht Bescheid wussten“, sagt einer der Mitarbeiter. Also alle Hände voll zu tun.
Manch ein Fahrgast beschwert sich lautstark, viele fragen freundlich nach. Die eine kommt fast zu spät zur Arbeit nach Bochum, die andere möchte mit ihren Kommilitonen in Essen für die nächste Klausur lernen.
Und Merlin Brötz (19) möchte seinen Vater in Rheinland-Pfalz besuchen, den er so selten sieht. „Ich hab ihn seit über zwei Monaten nicht getroffen“, sagt er. „Deswegen habe ich es ein bisschen eilig. Ich will wirklich jede Minute mit meinem Vater auskosten.“ Normalerweise steigt Brötz direkt in Mülheim in den Zug, heute versucht er es mit dem Schienenersatzverkehr. Und der spielt nicht mit. Drei Minuten Verspätung. Fünf Minuten. Zehn Minuten.
„Zur Hauptverkehrszeit ist das leider schwierig mit den Bussen“, sagt einer der Service-Mitarbeiter. Der Ersatzbus für die S1 nach Duisburg sei wegen des hohen Verkehrsaufkommens auf der Autobahn am Samstagvormittag direkt einmal ausgefallen, verrät er. „Vielen Reisenden empfehlen wir deswegen, auf die U-Bahn oder Straßenbahn zurückzugreifen.“
Merlin Brötz sputet zur Straßenbahn, nachdem der Bus nach zwölf Minuten immer noch nicht gekommen ist. „Das geht schon an die Nerven“, sagt er. Ob sein Vater noch lange auf ihn warten musste?