Mülheim.. Finanzierung durch Stiftung läuft aus. Stadtverwaltung möchte Einrichtung daher in einen Waldkindergarten umwandeln. Tausende Kinder erkundeten die Natur
Das Glashaus neben dem Tiergehege im Witthausbusch ist ein Treffpunkt für kleine Forscher. Die „Lernwerkstatt Natur“ lädt seit 2006 Kindergartengruppen zu einwöchigen Erkundungen im Freien ein. Mit dem Bollerwagen geht es in den Wald, wo Naturmaterialien gesammelt und später unter die Lupe genommen werden. Doch mit dem frühkindlichen Lernen vor Ort könnte es bald vorbei sein. Die Verwaltung regt die Umwandlung der Lernwerkstatt in einen städtischen Waldkindergarten für 20 Kinder an.
„Es wäre schön, wenn wir die Lernwerkstatt halten könnten, aber die Finanzierung durch die August- und Josef-Thyssen-Stiftung läuft Ende 2016 aus. Die Stadt müsste dann eine sechsstellige Summe aufbringen, um das Projekt weiterzuführen. Das ist einfach nicht möglich. Und andere Sponsoren haben wir leider auch nicht gefunden“, erklärt Lydia Schallwig, Jugendamtsleiterin.
Kosten für Waldkindergarten im Etat schon berücksichtigt
Gestartet worden war das einzigartige Angebot 2006 von Prof. Dr. Gerd Schäfer von der Universität Köln, der es mit seinem Team auch wissenschaftlich begleitete. Das Ziel lautete: Kindern aus städtischen Ballungsräumen möglichst frühe Naturerlebnisse zu ermöglichen, aber in einer zweiten Phase auch Kita-Personal naturwissenschaftlich zu schulen. Anfangs förderten das Familienministerium NRW, die Telekom Stiftung und die Stinnes-Stiftung die Maßnahme, 2011 sprang dann die Thyssen-Stiftung ein. In der Lernwerkstatt endete zu dieser Zeit auch eine erste Fortbildung: 21 Erzieherinnen hatten das Zertifikat „Fachfrauen für Naturwissenschaften“ erworben.
Wie viele Kinder die Lernwerkstatt bis heute besucht haben, kann das Jugendamt nicht genau beziffern. Von 2006 bis 2010 waren es, Zeitungsberichten zufolge, ca. 1750 junge Naturforscher. Ebenfalls nicht spontan sagen kann die Behörde, wie viele Erzieherinnen im Glashaus weitergebildet wurden. Dort sind derzeit zwei Fachkräfte tätig, die – so Lydia Schallwig – bei Aufgabe der Lernwerkstatt z.B. in den Waldkindergarten wechseln könnten. Die kommunalen Kosten für einen Waldkindergarten (76.000 Euro) seien im städtischen Etat schon berücksichtigt.
Das Erlebnis Natur allen Kindern zugänglich machen
Waldkindergarten statt Lernwerkstatt? In der Politik stößt das nicht überall auf Begeisterung. SPD-Fraktionsvorsitzender Dieter Wiechering schreibt in einem Antrag für den Jugendhilfeausschuss (22.2.): „Ziel muss es sein, dieses bundesweit einmalige Projekt zur frühkindlichen Bildung in Mülheim zu halten. Dafür spricht auch das nach wie vor hohe Interesse der Kindertagesstätten an diesem Bildungsangebot.“ Die SPD möchte die genauen Kosten für beide Einrichtungen sowie verschiedene Möglichkeiten der Finanzierung noch einmal aufgezeigt bekommen.
Joachim vom Berg (FDP), Mitglied der BV I, will erreichen, „dass das pädagogische Konzept von „Lernwerkstatt Natur“ und Waldkindergarten von der Verwaltung so weiterentwickelt wird, dass das Erlebnis Natur allen Mülheimer Kindern zugänglich ist“ - etwa über Projekttage und Tagesausflüge. Einen entsprechenden Antrag hat er für die BV-Sitzung am 25. Februar gestellt. Dass in einem zukünftigen Waldkindergarten auch Fortbildungen oder Projekttage stattfinden, das kann sich auch Jugendamtsleiterin Lydia Schallwig vorstellen.