Mülheim. . Das freie Theaterkollektiv Andcompany & Co. nahm die Zuschauer im Ringlokschuppen mit auf eine Zeitreise in die 1980er Jahre, als Pop noch Protest war.

Was ist das für eine verrückte Zeit, in der rechtsextreme Hooligans Applaus bekommen, weil sie angeblich „gegen Salafisten“ sind? In der vermeintlich patriotische Europäer behaupten „Wir sind das Volk“ und für Fremdenfeindlichkeit demonstrieren? „Wessen Demo ist das hier eigentlich?“, fragt Performerin Nicola Nord mit bunt gefärbter ‘Assi-Palme’ auf dem Kopf.

Im Ringlokschuppen sah sich das freie Theaterkollektiv Andcompany & Co. am Wochenende im „Schland of Confusion“, und spielt damit nicht nur auf einen Genesis-Hit aus den 1980ern an. Denn die Verwirrungen darum, wogegen oder wofür man guten Gewissens noch sein kann, sind heutzutage groß, und die 80er Jahre – der Pop und die sich darin spiegelnde Politik – erscheinen dagegen geradezu simpel: Atomkraft? Nein danke. Lieber Friedenstauben auf dem Autoblech.

Bühne ist ein Rutschenspielplatz

Frankie goes to Hollywood ließ damals im Video „Two Tribes“ Reagan und Tschernenko im Wrestling-Ring antreten. Anarchie in the UK!? Ultravox inszenierte die letzten fünf Minuten vor dem ausweglosen Atomkrieg dagegen sentimental als „Tanz mit Tränen im Auge“. Alles Hysterie oder hatte die Angst etwas Gutes?

Der Blick „Back to the future“ lohnt sich, meinen Andcompany. Und wollen mit Props und Popkultur-Zitaten von damals einen roten Faden durch das angstbesetzte Hier und Jetzt fädeln. Die Bühne ist ein Rutschenspielplatz mit darüber schwebender Zeitanzeige bis zur Apokalypse. Logisch: Die zeigt 5 vor 12. Es geht abwärts, oder? Nicht ganz.

„Warpop Mixtake Fakebook Volxfuck Peace off“ klingt nur oberflächlich wie Sprachwirrwarr. Darunter taucht eine verführerisch-schrille wie aufrüttelnde Zustandsbeschreibung auf. Da wehrt sich ein moderner Max Headroom (Alexander Karschnia) gegen gesellschaftliche Lagerbildung: „Ich lasse mich nicht ‘-isieren’!“ Da will Terminator-Braut Sarah Connor eine syrische Familie schützen. Da fühlt sich Claudia Splitt als „Pershing 2“ zu „The Power of Love“ missverstanden, und rechnet auf, wie viele Leben das Atomraketensystem wohl gerettet hat.

Versatzstück an Versatzstück heften Andcompany ein neues Bild zusammen. Lösungswege aus dem konfusen „Schland“ kann man vom Theater ja nicht erwarten. Vielleicht nur so viel: „Man muss aufpassen, wer hier Frieden schreit!“, mahnt Nicola Nord in einer ernsten Minute.

Stark aber sind die vier Kreativen gerade darin, wie sie bekannte Musik und Klänge aufgreifen und in neue Zusammenhänge stellen. Das erinnert an Kurt Weil oder an die Residents, die mit Pop-Stücken bizarre Geschichten erzählen. Und darin sind Andcompany fabelhaft.