Mülheim. „Rot, schwarz und ignorant“, „Tatjana Repina“ und „Hungernde Hunde“ stehen auf dem internationalen Programm des Theater an der Ruhr.
Gespielt wird Bond, nein, eben nicht James, sondern Edward Bond. Der 81-jährige gebürtige Londoner ist einer der bedeutendsten britischen Gegenwartsdramatiker, um den es nach einer Phase in den 80er und 90er Jahren, als seine Stücke hoch im Kurs standen, etwas ruhiger geworden ist. Der erste Teil seiner Trilogie „Kriegs-Spiele“ ist im Rahmen der Szene Istanbul durch das Theater Biiyatro am Raffelberg zu sehen. In der seit vier Jahren bestehenden Reihe sind in den nächsten Monaten noch drei Theatervorstellungen zu erleben.
Es ist jenes kleine Theater inmitten des Künstler-Quartiers Galata, an dem Roberto Ciulli vor einigen Jahren den Kleinen Prinzen inszenierte, das am 16. Januar „Rot, schwarz und ignorant“ zeigt. Auch wenn Bond dieses Stück in den 80er Jahren vor dem Hintergrund eines drohenden Atomkrieges schrieb, hat es gerade jetzt in der Türkei wieder große Aktualität. Man denke nur an Erdogans Kriegsrhetorik und den aufflammenden Bürgerkrieg. „Es passt wie die Faust aufs Auge“, schrieb die türkische Zeitschrift Hürriyet.
Eine sehr eindringliche Bildsprache
Bond ist ein dezidiert linker Autor, sieht sich in der Tradition von Brecht und Beckett und hat großes Interesse an der türkischen Adaption. Die Inszenierung des Franzosen Fabien Aïssa Busetta (*1973), einem Bond-Experten, hat eine sehr eindringliche Bildsprache, so dass die Aufführung gut ohne deutsche Übertitelung auskommen könnte, kündigt Rolf Hemke an, der die Reihe konzipiert hat.
Im Mittelpunkt steht ein Monster, das ein Musterleben absolviert. Es lernt in der Schule, seine Angst in Hass zu verwandeln, und wird von seinem Sohn bei einer Waffenübung erschossen. „Ein Stück über die barbarischen Zeiten, in denen die Regierenden mit Rot an den Händen, dem Schwarz im Herzen und Ignoranz in den Köpfen dafür sorgen, das die Menschheit ihrer Selbstvernichtung entgegengeht“, wie der Text vom Suhrkamp-Verlag beworben wird.
Alltäglicher Überlebenskampf
Eine außergewöhnliche Konstellation bietet auch der zweite Theaterabend: Das Theaterkollektiv Biriken spielt am 27. Februar Anton Tschechows Einakter Tatjana Repina, der auf einem Text seines Freundes Alexej Suworin aufbaut. Nach der Premiere geht die Schauspielerin feiern. Je länger der Abend dauert, desto entlarvender werden die Unterhaltungen und eindeutiger die Geständnisse. Es mündet in den Selbstmord der Schauspieler. Aber darum geht es nur vordergründig, wie Hemke erläutert, tatsächlich wird das Verhältnis zwischen Realität und Kunst ausgelotet. Wie kann Theater auf die Gesellschaft wirken? Wo liegen die Grenzen in einem Land, in dem Zensur herrscht. So wird der Suizid für das Kollektiv Biriken zu einem Akt der Selbstbehauptung, um sich nicht bis zur Selbstaufgabe verleugnen zu müssen. Das Biriken ist ein Aushängeschild der freien Szene. Ihre Produktionen werden oft zu internationalen Festivals eingeladen, auch nach New York.
Mit Hungernde Hunde wird am 9. April die Kooperation mit dem Theater Kumbaracı 50 fortgesetzt, die im vergangenen Jahr mit der deutsch-türkischen Inszenierung Economania einen Höhepunkt fand. Nun ist es ein Ein-Personenstück. Der großartige Schauspieler Sermet Yeşil spielt die berührende Geschichte der gegensätzlichen kurdischen Zwillingsbrüder Beşer und Beşir und ihren ganz alltäglichen, unspektakulären Überlebenskampf. Hier geht es nicht um Krieg, sondern die ganz normale Diskriminierung der Kurden. Während der eine Bruder jammert, versucht sich der andere als Kleinkrimineller über Wasser zu halten.