Viermal klingelt in diesen zwei Stunden das Telefon, ebenso oft klopfen Menschen an der Bürotür von Reinhard Jehles. Sie alle wollen Spenden für die WiM abgeben. Dieser Vormittag steht als Beispiel für unzählige andere: Die Bereitschaft zur Hilfe ist ungebrochen. Ständig treffen neue Spenden ein: Gerade hat etwa eine Frau Kuscheltiere gebracht und ein Gastwirt, der seine Kneipe umbaut, wollte wissen, ob Gläser gebraucht werden könnten. Hinter jeder Spende steht eine gute Absicht. Oft sogar eine ganze Geschichte. Reinhard Jehles hat viele von ihnen gehört. Und er findet es wichtig, ein offenes Ohr zu haben. Denn aus seiner Sicht bietet „Willkommen in Mülheim“ nicht nur bloß einen Umschlagplatz für Spenden, die Initiative steht vielmehr für eine Haltung: Und diese Haltung hat auch etwas mit den Geschichten der Spender zu tun. Sie wollen berichten, was sie hierher treibt. Sie wollen jemandem sagen, was sie berührt: Manchmal sind es die Bilder aus dem Fernsehen, sehr oft aber auch ganz individuelle Gründe. „Mir ist auch einmal in Not geholfen worden“, solche Sätze hören Jehles und seine 74 Mitstreiter dann. Und da ist dann auch psychologisches Fingerspitzengefühl gefragt. WiM-Ehrenamtler sind also auch so etwas wie Seelsorger, bisher müssen sie aber vor allem Organisatoren sein. Wie man auch in Zukunft diesem komplexen Profil gerecht werden kann, darüber denkt Reinhard Jehles nach.
Er sitzt hinter seinem Schreibtisch und blickt auf das letzte Jahr zurück. Das 2015 alles so gut geklappt hat, hängt übrigens auch damit zusammen , dass dieser Tisch genau hier steht. In der Solinger Straße ist nämlich nicht nur das WiM-Warenlager, direkt nebenan sitzt auch Jehles Dekordruck-Betrieb. Dieser kurze Weg hat vieles erleichtert. Aber er muss verbreitert werden: Die WiM steht vor einer organisatorischen Reform. „Bisher hatten wir nie die Zeit dazu, uns grundlegend Gedanken über die Organisation zu machen. Ständig standen neue Aufgaben an, auf die wir schnell reagieren mussten.“ Jehles verdeutlicht das an den Zahlen: Anfang 2015 wurde mit 500 Flüchtlingen gerechnet, Ende des Jahres waren es nun rund 2400. Und dieses Jahr geht es weiter. Diesen Herausforderungen sei man gerecht geworden, weil die Hilfsinitiative von einem positiven Klima getragen wurde. „Wir sind Teil einer besonderen Willkommenskultur, die diese Stadt auszeichnet. Die ist nicht selbstverständlich, ich sehe es in den Nachbarstädten.“ Aber auch ein positives Klima braucht Strukturen, in denen es sich fruchtbar entfalten kann. „Jetzt haben wir endlich die Luft, über solche Fragen nachzudenken“, sagt Jehles.
Und man denkt auch schon: Die Rechtsform der Initiative soll sich ändern. Eine Möglichkeit sei etwa eine gemeinnützige GmbH - was genau für Varianten zur Auswahl stehen, wird gerade von Fachleuten geprüft. Entscheidend dabei ist: Es sollen hauptamtliche Mitarbeiter eingestellt werden können, die das Warenlager verwalten. Jehles befindet sich vor diesem Hintergrund auch in Gesprächen mit Frank Schellberg von der Pia.
Die Arbeit, die im Warenlager geleistet wird, ist nämlich allein mit Ehrenamtlern nicht mehr zu schaffen. Nicht nur, dass ständig neue Spenden angenommen und sortiert werden müssen. Viele der Spenden eignen sich auch einfach nicht für Flüchtlinge. „Was sollen wir mit Kinderautositzen machen? Flüchtlinge haben keine Autos.“ Diese Spenden gehen dann an andere Hilfsorganisationen, in diesem Fall an den Kinderschutzbund. Bücher werden an die Saarner Klosterbücherei weitergegeben.
Und auch an anderer Stelle ist noch eine weitere Professionalisierung geboten. Die einzelnen Flüchtlingsunterkünfte melden sich bei der WiM regelmäßig und geben an, was sie brauchen. Vor allem Hygieneartikel sind sehr gefragt. Um diese Arbeitsabläufe schneller zu gestalten, existieren zwar schon Formblätter. Doch Effektivität kann immer noch gesteigert werden. Eines soll aber natürlich gleich bleiben: „Das was uns ausmacht, ist unsere Authentizität“, sagt Jehles. „Wir sind zum Anfassen.“ Hier helfen Flüchtlinge anderen Flüchtlingen. Begegnung ist wichtig, Dass sich die Ehrenamtler auf diese Stärken konzentrieren können, auch dazu soll die Organisationsreform beitragen.