Bei einer Veranstaltung der Dialog-Offensive Pflege wurden die Berliner Reformpläne für die Pflegeausbildung einhellig als kontraproduktiv abgelehnt. Die Pflege-Praktiker fürchten Qualitätsverluste, die nicht nur die Altenpflege beeinträchtigen könnten.

„Drei Berufe in drei Jahren? Wie soll das gehen? Wen lassen die dann auf uns los?“, fragt sich Inge Stahl. Die Seniorin wohnt im Haus Ruhrblick und wird dort von ausgebildeten Altenpflegefachkräften und ausgebildeten Krankenpflegefachkräften betreut. Das soll sich ändern, wenn es nach dem Willen der für die Senioren zuständigen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) geht. Ihr Ziel: Künftig soll es eine einheitliche und als Fachhochschulstudium akademisierte Ausbildung zum Pflegefachmann oder zur Pflegefachfrau geben, die Module der Altenpflege, der Krankenpflege und der Kinderkrankenpflege kombiniert.

Mehr als 100 Pflegepraktiker diskutieren auf Einladung der Dialogoffensive Pflege im Haus Ruhrgarten über die Reform der Pflegeausbildung. Diese will das Bundeskabinett am 13. Januar auf den Gesetzgebungsweg bringen. Im Saal sind sich alle einig: Diese Reform würde keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung bringen. „Die Probleme, die wir in der Pflege haben, sind nicht mit einem Einheitspfleger zu lösen, sondern nur durch die Zusammenarbeit multiprofessioneller Teams. Wenn man die 2100 Praxisstunden einer dreijährigen Altenpflegeausbildung jetzt auf drei verschiedene Pflegebereiche aufteilt, kann man es auch gleich sein lassen“, betont der Pflegedienstleiter des Ruhrgartens, Oskar Dierbach. Martin Behmenburg vom ambulanten Dienst Pflege Zuhause möchte sich nicht vorstellen, dass seine Auszubildenden künftig nur noch wenige Monate in seinem Betrieb mitarbeiten. „Dann würde die Zahl der Ausbildungsplätze in der Altenpflege drastisch zurückgehen“, glaubt er. „Die Ausbildung würde in die Breite aber weniger in die Tiefe gehen“, fürchtet die Leiterin des Pflegseminars der Arbeiterwohlfahrt, Gabriele Tenbrink. Kleinere Pflegeseminare und Pflegedienste könnten durch die Reform in ihrer Existenz gefährdet werden.

Mit Blick auf die Auswirkungen des demografischen Wandels und die Herausforderung der palliativen Versorgung hochbetagter und mehrfach erkrankter Pflegebedürftiger macht Thomas Kunczik von der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und Gerontopsychotherapie deutlich: „Wir brauchen in der Altenpflege Spezialisten und keine Generalisten.“ Er weist auf eine Umfrage seiner Gesellschaft hin, die zeige, dass sich 93 Prozent der angehenden Altenpfleger ganz bewusst für diesen und keinen anderen Pflegebereich entschieden hätten.

Eine Nachfrage bei anwesenden Altenpflegeschülern bestätigt diese Tendenz. „Unter den jetzt geplanten Rahmenbedingungen hätten wir uns sicher nicht für diese Ausbildung entschieden“, betonen Alisa Gessler (21) und Torsten Sommerfeld (28). Und ihre Kollegin Jasmin Mallmann (22) macht deutlich, dass sie sich nach einer generalistischen Pflegeausbildung ihren Aufgaben im Altenheim gar nicht gewachsen sähe.

Auch der für die Pflege zuständige Abteilungsleiter aus dem NRW-Gesundheitsministerium, Markus Leßmann, lässt keinen Zweifel daran, dass die Landesregierung die von der Bundesregierung geplante Reform in der Pflege kritisch sieht. Er könnte sich eine akademisierte und um ein generalistisches Modul erweitere Altenpflegeausbildung nur dann vorstellen, wenn eine solche Ausbildung dreieinhalb oder vier Jahre dauern würde.

Den kontraproduktiven Knackpunkt der Berliner Reformpläne sieht der Düsseldorfer Ministerialbeamte vor allem darin, dass Auszubildende künftig auf den Personalschlüssel angerechnet werden sollen. Dass hieße, dass ausbildende Pflegeheime und Pflegedienste künftig ein Drittel der Ausbildungskosten selber finanzieren müssen. Derzeit werden diese noch über eine Ausbildungsumlage aller Pflegeanbieter zu 100 Prozent bezahlt.