Mülheim. . Nach der Eröffnung des Radschnellweges zwischen Heißen und Hauptbahnhof in Mülheim kündigtdas Verkehrsministerium an, Ende 2017 in Duisburg angelangt sein zu wollen.

Die Bürger hatten ihn längst für sich vereinnahmt, am Freitag folgte der offizielle Akt: Im Beisein von NRW-Verkehrsminister Michael Groschek wurde das Teilstück des Radschnellweges Ruhr zwischen Heißen und Hauptbahnhof freigegeben. Dabei sendete das Ministerium am Nachmittag auf Nachfrage dieser Zeitung das klare Signal, dass zügig weitergebaut werden soll gen Duisburg.

10.09 Uhr: Das rot-weiße Flatterband ist in konzertierter Aktion der Verantwortungsträger durchtrennt. Bei eisiger Kälte, aber prächtigem Sonnenschein setzt sich ein vielrädriger Fahrradtross kurz nach dem Anschluss zur Essener Gruga-Trasse gen Hauptbahnhof in Bewegung. Der behelmte Minister Groschek, umringt etwa von RVR-Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel sowie Mülheims OB Ulrich Scholten und Planungsdezernent Peter Vermeulen als Tandem-Gespann, an der Spitze.

2016 soll weitergebaut werden

Bei seiner Eröffnungsrede verwies Groschek zwar auf die wachsende Bedeutung des Radverkehrs für die NRW-Verkehrspolitik, doch zum weiteren Radschnellwegebau in Mülheim blieb er vage. Nur so viel verriet er da: „Diese Trasse ist Vorbild für weitere Strecken, die wir bauen werden.“ Am Nachmittag wurde sein Ministeriumssprecher auf Nachfrage deutlicher: Ziel sei es, den Radweg bis Ende 2017 weiterzuführen bis zur Stadtgrenze Duisburg, auch wenn es da noch Unwägbarkeiten gebe. Ende 2017 – ein ehrgeiziges Ziel, da bislang nur die weitere Finanzierung bis zur Ruhr per Förderbescheid abgesichert ist. Üppige 5,26 Millionen Euro stehen für jene Hochpromenade auf altem Bahnviadukt von Land und RVR zur Verfügung. Die Stadt muss nur 47 000 Euro beisteuern für den Kauf des Viadukts. Anfang 2016 sollen laut Radwegeplaner Helmut Voß die Arbeiten an der Hochpromenade beginnen.

Neue Chancen

Das Interesse ist schlichtweg riesengroß: Der neue Radweg, in seiner Dimension und Vision einzigartig in Deutschland, hat das Zeug, die Mobilitätsgeschichte der Region um ein gewichtiges Kapitel zu ergänzen, vielleicht gar etwas umzuschreiben. Schnelle, kreuzungs- und ampelfreie Stadtverbindungen für Räder können dem hiesigen Ballungsraum nur guttun. Zu sehr ist die Stadtplanung hier und ringsum weiter auf den Autoverkehr konzentriert.

Die neue Strecke kann attraktiv werden für Berufspendler, für Freizeitradler sowieso. Für Mülheims Radwegenetz ist der Radschnellweg gar ein Quantensprung, wenn er mal bis Duisburg führt. Das innerstädtische Radwegenetz hatte bis jetzt – Pardon – keineswegs den Eindruck hinterlassen, einer Marke wie der „Klimastadt Mülheim“ gerecht zu werden. Nun wird es darum gehen, auch im stadtweiten Umfeld des Radschnellweges dafür zu sorgen, dass Verbindungen entstehen, ein echtes Radwegenetz.

Stadtplanerisch treten an der neuen Trasse weitere Baustellen zutage. Ringsum muss sich das Umfeld neu erfinden, das wird Zeit brauchen. Wünschenswert wäre mehr Verweilqualität für die weniger hastenden Radfahrer und Fußgänger. Durch Gastronomie etwa. (Mirco Stodollick)

Im Wirtschaftsministerium liegt derweil bereits ein Förderantrag der Stadt für das nächste Teilstück bis zur Duisburger Straße in ­Broich vor (6,9 Millionen Euro). Noch in diesem Jahr, so OB Scholten und Vermeulen, wird ein Fördermittelbescheid erwartet. Auch auf diesem Abschnitt sollen die Bauarbeiten 2016 beginnen.

Horst Fischer vom RVR stellte in Aussicht, dass sein Verband möglicherweise schon parallel von der Hochschule gen Duisburg bauen lassen kann. Und auch diese Vision war zu hören: Der Radschnellweg zwischen Uni Essen und Rheinpark in Duisburg-Hochfeld könnte bis 2020 komplett fertig sein. . .

Vermeulen: „Wir bekommen ein anderes Stadtbild“

Die offizielle Freigabe der Radschnellweg-Trasse zwischen Heißen und Hauptbahnhof soll für Mülheim eine Initialzündung sein. Verkehrsdezernent Peter Vermeulen kündigte am Freitag an, dass die städtische Radwegeplanung – gar die Stadtplanung insgesamt – nun gefordert sei, aus den Möglichkeiten, die der Radschnellweg biete, etwas zu machen. Hier das Drumherum von der Eröffnungstour:

1 Vier Meter Rad-, zwei Meter Fußweg – ringsum noch einige Ödnis. Vor allem das eine oder andere gastronomische Angebot, ein Biergarten etwa, täte dem neuen Radweg sicher gut. Planungsdezernent Peter Vermeulen steht solchen Ansiedlungen offen gegenüber, spricht wie auch Oberbürgermeister Ulrich Scholten gar explizit das alte Winkhaus an, das in Sichtweite der Radtrasse vor sich hin gammelt. „Das Winkhaus könnte natürlich reaktiviert werden“, sagt Vermeulen, man sei „kompromissbereit“, was das Baurecht anbelange, der Bestandsschutz für die ehemalige Gastronomie sei inzwischen allerdings erloschen. In Essens Westen hat sich in Nähe der Radstrecke eine publikumsträchtige „Bar Celona“ niedergelassen. Warum so etwas nicht auch auf Mülheimer Terrain? Vermeulen hält das für denkbar, verweist allerdings darauf, dass die Initiative von privater Seite ausgehen müsse.

Stadt will Radwegenetz „in Rippen denken“

2 „Städtebaulich müssen wir in Rippen denken“, sagt Vermeulen mit Blick auf ein neu zu denkendes Radwegenetz ringsum den Radschnellweg. Zuwegungen sind ausreichend vorhanden, nun geht es laut Dezernent darum, über die Zugänge den Stadtraum zu erschließen, „dann wird es umso attraktiver“. Will heißen: Er will innerstädtisch Möglichkeiten schaffen, den neuen Radweg „möglichst autofrei“ zu erreichen. „Wir bekommen ein anderes Stadtbild, wir wollen planungsrechtlich Voraussetzungen schaffen für einen weiteren Ausbau.“

3 Das werden die örtlichen Vertreter des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs gerne hören. Dessen Sprecherin Doro Kleine-Möllhoff sieht noch „viele Entwicklungsmöglichkeiten“ für den Radverkehr in Mülheim. Die neue Vorzeigetrasse sei jedenfalls „ein Ansatz, um in Mülheim ein bisschen Schwung in den Radverkehr zu bekommen. Vieles in der bisherigen Radwegeplanung sei doch Stückwerk gewesen. Nun gehe es darum, mit einem durchgängigen System das Radfahren in der Stadt alltagstauglich zu machen, „damit klar ist: Ein Radweg ist genauso wichtig wie eine Straße.“

4 „Wir suchen händeringend nach einer Nachfolgefinanzierung für Radwege und umweltbezogene Maßnahmen“, forderte Horst Fischer, Referatsleiter für den Emscher Landschaftspark beim Regionalverband Ruhr, gestern das Land auf, neue Fördertöpfe aufzumachen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte NRW-Umweltminister Johannes Remmel dem RVR den Geldhahn zugedreht für das ÖPEL-Programm (Ökologieprogramm im Emscher-Lippe-Raum), mit dem der RVR die ersten Kilometer Radweg von Essen nach Mülheim gebaut hat.