Ein Arm, der wie beiläufig mit der gepflegten Hand eine Tisch-Ecke berührt: In der Fantasie stellt man sich eine Frau vor, die vielleicht gedankenverloren durchs Zimmer streift. Ein anderes Foto zeigt einen Mann nackt auf der Kloschüssel (auf nähere Schilderungen soll an dieser Stelle verzichtet werden) und auf einer weiteren amüsanten Aufnahme verhüllt eine Person das Gesicht komplett mit einer Mantelkapuze. Menschen beim Alleinsein hat der Mülheimer Foto-Künstler Max Schulz aufgenommen, was keinesfalls zu verwechseln sei mit „Einsamkeit“, wie er betont. Dabei ist nichts gekünstelt oder gestellt.

Schulz ist mit der Kamera losgezogen, hat spontan fotografiert und die Momente eingefangen: „Intensiv, ohne den Ansatz einer Inszenierung, auf den Menschen ausgerichtet, um mit einem Blick zu erfassen, in welcher Situation er sich gerade befindet.“ Ein Mann auf einem Stuhl guckt ins Leere, inmitten einer Gesellschaft hat eine Dame den Blick ins Innere gerichtet: Alleinsein geht auch in der Gruppe, hat viele Facetten.

Mit seinen sensiblen in den unterschiedlichsten Grauabstufungen gehaltenen, weichen Menschenbildern zeigt Max Schulz einmal mehr eine neue Seite seines reichhaltigen Repertoires. Mit seiner Lichtmalerei spürt er den großen Meistern nach. Im Gegensatz dazu stehen knallige Werbefotos in Hochglanz, die er schon für Kampagnen internationaler Firmen ehemals in seinem großen Studio im Haus Kron produzierte. In eine Nische mit spezieller Handschrift will Schulz sich nicht gesteckt wissen, sondern möchte in seiner Fotokunst frei bleiben. Die Arbeiten, die er jetzt in der Galerie von Gerold Hamé präsentiert, befördern in ihrer feinsinnigen Machart aus dem Alltagsgeschehen tiefer Gehendes empfindsam an die Oberfläche: „Gegenwärtigkeiten“ ist die Ausstellung in der Galerie Hamé, Wallstraße, überschrieben. Denselben Titel trägt auch der neue Kunst-Bildband von Max Schulz, der jetzt erschienen ist.

Die Menschen-Aufnahmen, die Schulz in der Ausstellung und im Bildband präsentiert, sind Mitte der 1990er Jahre entstanden und verströmen ein bisschen den Geist dieser Zeit. Aber nur, was die äußerlichen Dinge betrifft. Auch 20 Jahre später trifft man Menschen im Alltag, die vielleicht einfach nur auf einer Parkbank, im Café oder irgendwo auf einem Stuhl sitzen und den Blick schweifen lassen – wohin auch immer. Sie sind allein, aber bestenfalls nicht einsam.