Trauer und Mitgefühl lassen sich vielfältig ausdrücken, weiß Pfarrerin Birgit Meinert-Tack. Doch Trauergottesdienste müssen bei ihr persönlich sein.
Trauer kann Menschen die Sprache verschlagen. Weil die Worte für den eigenen Verlust fehlen, weil Außenstehenden nichts tröstend genug erscheint. „Man findet nicht immer die richtigen Worte“, sagt Pfarrerin Birgit Meinert-Tack, und sie findet das in Ordnung, nur menschlich. Die evangelische Pfarrerin, die seit 20 Jahren die Gemeinde im Theodor-Fliedner-Dorf seelsorgerisch betreut, weiß: Manchmal sind Gesten viel aussagekräftiger.
Es soll ein Gespräch sein über Trauerreden, darüber, was man sagt, um Verlust zu erleichtern, wie man tröstet – und dann fängt Birgit Meinert-Tack bei stummen Gesten an. Sie beschreibt ein Ritual, das zu Trauerfeiern im Fliednerdorf gehört und für „geistig behinderte Menschen erdacht wurde, die sich verbal schlecht ausdrücken können“. Ein Weidenkorb steht dann auf dem Glasaltar in der Dorfkirche, gefüllt mit Steinen. Jeder Trauergast nimmt einen und tauscht ihn gegen ein Teelicht. Er legt alles, was schwer ist, was er mit sich herumschleppt, ab und in Gottes Hand. Stattdessen zündet er ein Licht an als Zeichen der Hoffnung. Die Steine, sagt Birgit Meinert-Tack, sind etwas Handfestes, ein greifbares Symbol für all das, was unbegreifbar bleibt: „Das Ritual ist auch für nicht Behinderte tröstend.“
Eben das ist der Pfarrerin wichtig. Trauerfeiern sind bei ihr stets von drei Aspekten geprägt: dem Teilen der Trauer, dem Erinnern an den Verstorbenen und dem Suchen nach Worten und Gedanken, „um in die Zukunft zu gehen“. Persönlich sind Trauergottesdienste bei ihr. Musik, Bilder, Gegenstände können dazu gehören – und die Marotten des Verstorbenen. „Es darf auch geschmunzelt oder gelacht werden.“
Dennoch sollen Trauerfeiern nie „Show“ sein. Angebote, wie die Asche eines Verstorbenen zum Diamanten pressen zu lassen, sieht sie kritisch. „Wer es braucht und möchte, okay. Aber ich habe das Gefühl, dass durch den Event-Charakter oft Trauer ersetzt wird.“ Unangenehmes werde weggeschoben. Trauer müsse man zulassen, ihr Raum und Zeit geben. Trauergespräche seien deshalb wichtig – auch, um herauszufinden, „was die Trauernden brauchen“. Immer wieder falle dabei der Satz: „Reden Sie nicht zu lange.“ Überspitzt fügt Meinert-Tack an: „Und am besten übers Wetter.“ Doch die Pfarrerin hat erfahren: „Je näher eine Trauerfeier am Menschen ist, desto eher kann ein hoffnungsvolles Wort Menschen erreichen.“
Im Fliednerdorf habe sie „den Luxus und die Freiheit“, viel Zeit in Trauerfeiern zu investieren, anders als in Trauerhallen, wo Beerdigungen teils eng getaktet sind. Trauer sei ein Prozess, der nicht mit der Bestattung abgeschlossen sei. Eben die Begleitung dieses Prozesses ist für Birgit Meinert-Tack „eine Stärke der Kirche“. Ihr ist es wichtig, Trauer in ihrer Vielfalt anzunehmen: „Jeder Tod ist traurig, aber nicht jeder ist tragisch. Man darf auch erleichtert sein, dass ein Schritt vollzogen ist.“