Heißen. . In St. Joseph in Heißen gibt es seit 70 Jahren Pfadfinder. Wer den Stamm einst gegründet hat, ist nicht bekannt. Etwa 100 Mitglieder zählt er heute. „Learning by doing“ lautet ein Motto der zwölf Gruppen. Auch in Speldorf wurde ein Jubiläum gefeiert, der Stamm St. Michael besteht aber erst seit 25 Jahren.

Wer ins Zeltlager fährt und sich durchschlagen will in der Natur, der sollte zumindest etwas Erste Hilfe beherrschen. Deshalb üben die Heißener Juffis (Jungpfadfinder) auf der Wiese vor der St. Josephskirche, wie man Verletzte versorgt. „Was macht ihr zuerst?“, fragt Gruppenleiterin Ramona Mohr. „Die Unfallstelle sichern“, schlägt ein Mädchen vor. „Gucken, ob der Verletzte ansprechbar ist“, sagt ein Junge.

Die Sonne strahlt vom Himmel, also sind die Juffis nicht drinnen im Jugendheim, sondern draußen. „Wie immer, wenn es nicht regnet“, sagt Kati Geiger, ebenfalls Gruppenleiterin. Möglichst viel an der frischen Luft machen, lautet ein Grundsatz der Pfadfinderei, ein anderer propagiert das Prinzip „Learning by doing“. Jedes Kind soll sich bei den Aktivitäten der Pfadfinder ausprobieren können, soll Fähigkeiten entdecken und Fertigkeiten entwickeln können. Und möglichst viel mitentscheiden.

Momentan bereiten sie sich hier bei der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg, Stamm St. Joseph, auf das nächste Zeltlager vor. „Wir haben über die Kluft gesprochen, uns die Pfadfindergesetze angeschaut und geübt, uns mit Hilfe von Karte, Kompass und Sonnenstand zurechtzufinden“, so Geiger. Und damit sie unterwegs nicht hungern müssen, haben die 11- bis 14-Jährigen auch ein Kochbuch verfasst. Das gemeinsame Kochen gehört ebenso wie das gemeinsame Essen zum Pfadfindertag. „Die Kinder sollen Gemeinschaft erleben, das soziale Miteinander trainieren, lernen, wie man Konflikte in der Gruppe löst“, erklären die zwei Betreuerinnen.

Der Zusammenhalt der Gruppe und die gemeinsamen Unternehmungen seien das Beste am Pfadfindersein, findet Anna (13). Auch Niklas (12) mag es, „dass wir gemeinsam Sachen machen“. Sein tollstes Erlebnis: das Zeltlager in England. Obwohl es geregnet hat wie blöd. „Wir haben einen Graben um unser Zelt herum gegraben, um das Wasser abzuhalten, am nächsten Tag war der Graben vollgelaufen.“

Ein Sommerlager in Wales war für Gruppenleiterin Kati Geiger das prägende Ereignis: „Da war ich 13 und das erste Mal länger von meinen Eltern weg. Es war ein tolles Gefühl, dass ich die drei Wochen überstanden habe und richtig Spaß dabei hatte“, erinnert sie sich. 450 Juffis aus der Diözese waren damals dabei. „Es war beeindruckend für mich, dass es so viele von uns gibt“, so die 25-Jährige. Nicht vergessen hat sie auch, dass ein alter Brite sie mit dem Pfadfindergruß grüßte.

70 Jahre alt ist der Stamm St. Joseph mittlerweile, er zählt rund 100 Mitglieder. Wer ihn 1945 gegründet hat, konnten die heutigen Pfadfinder trotz Recherchen in Stadtarchiv und Bistumsarchiv nicht herausfinden. „Wir geben aber nicht auf und forschen weiter“, sagt Kati Geiger.

Gruppenleiter werden manchmal knapp

Ist die Pfadfinderei heute noch angesagt oder gilt sie als überholt? „Altmodisch? Das denken nur Leute, die nicht wissen, was wir machen und vielleicht das Bild der US-Pfadfinder im Kopf haben“, sagt Kati Geiger, Gruppenleiterin beim Stamm St. Joseph. Mit Drill habe das Pfadfindertum überhaupt nichts zu tun. „Im Ausland geht es teilweise auch militärisch zu. In Deutschland hat man, schon wegen unserer deutschen Geschichte, Abstand genommen von Aufmärschen und Appellen“, berichtet Michael Treutwein (Stamm St. Michael). Die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg sei eine absolut pazifistische Organisation. „Ziel ist es, den Kindern zu vermitteln, wie man sich in der Gruppe fair verhält.“

Nachwuchssorgen haben die DPSG-Pfadfinder nicht. „Neue Kinder finden sich immer“, berichtet Johanna Reh (Stamm St. Michael). Einen „Leiternotstand“ gebe es da schon eher. Aus den eigenen Reihen könne man die (ehrenamtlichen) Gruppenleiterposten (ab 18 Jahren) nicht immer alle besetzen. „Wir freuen uns über jeden Quereinsteiger. Er muss nur gut mit Kindern umgehen können und Bock darauf haben, viel draußen zu sein“, erklärt Michael Treutwein.

Die DPSG sei kein „eingeschworener Verein“, man müsse auch nicht katholisch sein, um mitzumachen. „Wer sagt: Mit Kirche kann ich nichts anfangen, aber Lagerfeuer finde ich geil, ist bei uns ebenfalls willkommen.“

Pfadfinder in St. Michael

Im Zeltlager gewinnen Kinder an Selbstbewusstsein

Wild geht es rund um die Kirche St. Michael zu. Etwa zwölf Kinder rennen hin und her, versuchen sich gegenseitig eine Flagge zu klauen. „Ein Spiel zum Auspowern“, kommentiert Michael Treutwein, Gruppenleiter der „Juffis“ (10 bis 13 Jahre) beim DPSG-Pfadfinderstamm St. Michael. „Die Kinder wollen raus, wollen rumlaufen. Das ist hier das Kontrastprogramm zum langen Sitzen in der Schule.“

Die Speldorfer Pfadfinder haben gerade ihr 25-Jähriges Bestehen gefeiert. „In den 50ern gab es hier schon mal Pfadfinder, zwischenzeitlich nicht. 1990 wurde der Stamm dann neu gegründet“, erklärt Treutwein. Rund 60 Mitglieder zählt man zurzeit, jede Altersklasse, von den Wölflingen bis zu den Rovern, ist vertreten. Jede Gruppe trifft sich ein Mal pro Woche zur Gruppenstunde.

Bei den Juffis steht nach dem Spielen im Freien immer eine gemeinsame Aktivität oder inhaltliche Arbeit auf dem Programm. „Wir machen ganz unterschiedliche Sachen. Wir bauen Stühle aus Holz, basteln für den Weihnachtsbasar, üben das Aufbauen unserer Zelte, gehen im Sommer auch mal Eis essen“, zählt Johanna Reh, ebenfalls Gruppenleiterin, auf. Oft wird auch über bestimmte Inhalte gesprochen und dazu gearbeitet. Momentan geht es um das aktuelle Thema „Gastfreundschaft für Menschen auf der Flucht“. Die Mädchen und Jungen diskutieren darüber, was Gastfreundschaft bedeutet oder schauen sich an, wie Flüchtlinge leben. „Schnell sind wir dann beim Thema Integration“, so Michael Treutwein.

Kontrastprogramm zur Schule

Gemeinsam in der Gruppe vorbereitet werden auch die berühmten Zeltlager. Für zwei, drei Wochen geht es an fremde Orte, werden Erfahrungen (oft in der Natur) gemacht. Handys oder Tablets bleiben zu Hause. „Die Kinder brauchen sie auch gar nicht, sie sind immer beschäftigt. Und am Ende oft erstaunt, dass sie tatsächlich 14 Tage nicht gechattet oder gespielt haben.“

Wichtig sei auch die Erfahrung, einmal ohne Eltern und in der Gemeinschaft der Pfadfinder zurecht zu kommen. Besonders beim Haik, einer Drei-Tages-Wanderung in der Kleingruppe, bei der man sich u.a. die Übernachtungsmöglichkeit selber organisieren muss. „Viele Kinder gewinnen durch das Zeltlager wahnsinnig an Selbstbewusstsein“, wissen die beiden Gruppenleiter. Abgesehen davon, dass ihnen die Freizeit auch einfach Spaß macht.