Mülheim. . Angeregte Diskussion im Medienhaus zu Stadtplanung, Finanzen und Zuwanderung: Die beiden Spitzenkandidaten für das Amt des Mülheimer Oberbürgermeisters, Werner Oesterwind (CDU) und Ulrich Scholten (SPD), stellten sich den Fragen der Leserbeiräte und des Publikums.
Den beiden Mülheimer OB-Kandidaten auf den Zahn gefühlt hat am Donnerstag der WAZ-Leserbeirat bei einer offenen Diskussionsrunde im Medienhaus. Werner Oesterwind (CDU) und Ulrich Scholten (SPD) stellten sich den Fragen des Gremiums, das aus zehn Mülheimern und Mülheimerinnen besteht, die die Arbeit der Lokalredaktion über zwei Jahre begleiten, Anregungen liefern und aufzeigen, welche Themen sie in der Stadt bewegen.
Das spiegelte sich auch in der Auswahl der Themen wider, die das Leserbeirat-Team für die Fragestunde mit den Spitzenkandidaten formuliert hatte. In drei Blöcke gestaffelt, ging es um die Finanzen der Stadt und dortige Einsparmöglichkeiten, um Stadtplanung wie die Fortentwicklung bei Ruhrbania und die Zukunft des ÖPNV in Mülheim sowie Soziales, bei dem vor allem die Zuwanderungsproblematik und die Unterbringung von Flüchtlingen im Mittelpunkt standen.
Interessiert verfolgten die Zuschauer – etwa 60 Besucher waren der Einladung ins Medienhaus gefolgt – die Stellungnahmen der Spitzenkandidaten und stellten auch selbst Fragen. Deutlich wurde, dass Scholten und Oesterwind bei vielen Themenbereichen nicht weit auseinander liegen, wohl aber unterschiedliche Herangehensweisen als Problemlösung wählen würden, wenn sie denn zum Oberhaupt der Stadt gewählt werden würden.
Beim ÖPNV ansetzen, um zu sparen
Wenn dieses Duell ein Fußballspiel gewesen wäre, hätte es Verlängerung gegeben. Denn die Fragen, die die Mitglieder des WAZ-Leserbeirates für die Runde mit den beiden OB-Spitzenkandidaten vorbereitet hatten, boten eine umfangreiche Diskussionsgrundlage.
Den Auftakt machte der Themenkomplex Stadtfinanzen. „Wo sehen Sie Einsparpotenziale?“ richtete Leserbeiratsmitglied Ulrich Müffler die erste Frage an die beiden OB-Kandidaten. SPD-Mann Scholten sieht eine Lösung darin, die Struktur des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) aufzubrechen. „35 Millionen im Jahr sind klar zu teuer. Damit ist der ÖPNV bei uns signifikant teurer im Vergleich zu den Nachbarstädten.“
An der Steuerschraube drehen?
Die Stadtschulden rechnete CDU-Kandidat Osterwind vor – die Gesamtverschuldung
liegt aktuell bei 1,4 Milliarden Euro. „Ein Riesenbatzen, der uns die Luft zum Atmen nimmt“, nannte es Osterwind. Um davon herunter zu kommen, würde er – falls er zum Oberbürgermeister gewählt würde – preiswertere Wege einschlagen und abwägen, ob gewisse Projekte überhaupt noch in Angriff genommen würden. Oesterwind betonte: „Wir wollen kein ‘Weiter So’.“
Ein Masterplan gegen weiteres Kostenwuchern, das könne der Stadt doch aus der Klemme helfen, war sich der Leserbeirat sicher. Ob einer der beiden Herren einen solchen parat habe, lautete daher eine weitere Frage. „Es geht nur über ständiges Kontrollieren – bei jeder neuen Entscheidung“, sagte Ulrich Scholten dazu und CDU-Mann Oesterwind regte an, bei Leuchtturmprojekten künftig auch an die Folgekosten zu denken.
Ob der neu gewählte Oberbürgermeister an der Steuerschraube drehen und die Grundsteuer B erhöhen wolle, wollten die Mitglieder des Leserbeirates wissen. „Ja, damit müssen Sie rechnen“, lautete die Antwort von Werner Oesterwind darauf. Damit löste der CDU-Kandidat unzufriedenes Gemurmel im Publikum aus. „Schon wieder“, entfuhr es einer Besucherin. SPD-Mann Scholten relativierte dieses Vorgehen in seiner Antwort: „Der OB legt die Steuerhöhe nicht alleine fest, das ist ein fragiles Gebilde.“ Statt die Steuerschraube anzudrehen, sagte Scholten, würde er als Oberbürgermeister auf Ausgabendisziplin dringen. „Da helfen uns die kleinen Summen nichts, wir müssen bei den großen ansetzen.“
Ähnliches gelte für die Gewerbesteuer, auf die eine weitere Frage des Leserbeirates abzielte. Ob diese gesenkt werden müsse, um zu verhindern, dass weitere Unternehmen den Wirtschaftsstandort Mülheim verlassen, fragten die Beiräte. „Entscheidend ist bei der Gewerbeansiedlung nicht, die Steuer um fünf Prozent rauf oder runter zu setzen, sondern das, was Unternehmen in Mülheim an Infrastruktur geboten wird“, sagte Scholten, der als Personalchef bei Mannesmann arbeitet.
CDU-Kandidat Oesterwind argumentierte mit Blick auf die Gewerbesteuer: „Wir müssen an anderer Stelle zu Einsparungen kommen.“ Wie man denn angesichts des Wegzugs einiger Unternehmen neue Gewerbeansiedlungen beschleunigen könne, wollte Manfred Bogen aus dem Leserbeirat wissen. „So ganz schwarz sehe ich die Lage gar nicht, es sind immer schon Firmen weggegangen, wie vor Jahren etwa Onken. Aber: Bei der Ansiedlung von neuen Firmen müssen Bescheide zügig erteilt werden.“ Er sehe die Wirtschaftsförderung als eine der Hauptaufgaben des Oberbürgermeisters an, betonte Oesterwind. Scholten verdeutlichte in diesem Zusammenhang, dass in Mülheim viele Produktionsarbeitsplätze dauerhaft verloren gegangen sind, obwohl die Auftragsbücher auf Jahre voll seien. „Da muss der OB Flagge zeigen und für geeignete Gegenmaßnahmen sorgen.“
Hohe Zahl der Zuwanderer: Wie kann man das gute Klima in der Stadt erhalten?
Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen wollte der Leserbeirat von den OB-Kandidaten wissen, wie der soziale Frieden in Mülheim erhalten werden kann und wo die beiden Diskutanten weitere Unterbringungsmöglichkeiten sehen.
Für Werner Osterwind liegt der Schlüssel in der Unterscheidung der Flüchtlinge. „Wir müssen differenzieren zwischen Armutsflüchtlingen und Kriegsflüchtlingen. Menschen, die nur nach Deutschland kommen, weil sie denken, sie könnten hier besser leben, dürfen Mülheim gar nicht erst erreichen.“ Das stieß auf Widerspruch im Publikum. Eine Dame äußerte empört die Frage: „Aber die Menschen sind doch da. Wo sollen sie denn hin? Wir können ja keine zweite Ebene einziehen, um die Flüchtlinge dort unterzubringen.“
Ulrich Scholten denkt bei der Unterbringung künftig kommender Flüchtlinge an eine möglichst gleichmäßige Verteilung auf die Stadtteile. „Es darf keine Ghettoisierung geben“, findet der SPD-Kandidat und betonte: „Mülheim spielt eine herausragende Rolle bei der Betreuung von Flüchtlingen.“
In Ruhrbania sehen beide Kandidaten ein richtiges Zeichen für die Stadt
In Sachen Stadtplanung führen in Mülheim alle Wege zu Ruhrbania. Wie zufrieden sie mit den bisherigen Ergebnissen der Baumaßnahme seien, wollte Günter Wusthoff stellvertretend für den Leserbeirat wissen. „Ruhrbania ist das geworden, was den Wünschen weitestgehend entspricht, aber auf viele nüchtern wirkt“, sagte CDU-Mann Werner Oesterwind dazu und forderte: „Wir müssen es weitertreiben und Ruhrbania zu Ende bringen.“ Für den SPD-Kandidaten Ulrich Scholten ist „Ruhrbania gelebte Wirtschaftsförderung. Das sieht nicht nur gut aus, sondern das lockt auch die Leute nach Mülheim. Und das Projekt bedient auch keinen Selbstzweck.“ Für ihn gehöre Ruhrbania zu dem, was eine Stadt heute zu bieten habe, so Scholten.
Die Sicherheit in dem neu entstanden Quartier ist beiden Kandidaten ein Anliegen, nachdem Anwohner im Umfeld der Ruhrpromenade vor Kurzem über Ruhestörungen, Randale und Drogenhandel berichtet haben. „Dem müssen wir direkt entgegentreten und zügig wegkommen von der Gefahr“, sagte Werner Oesterwind. Und auch Ulrich Scholten machte deutlich: „Da schleicht sich eine Entwicklung ein, bei der null Toleranz gilt.“
Auch beim Themenkomplex Stadtentwicklung kam der ÖPNV aufs Tableau. Ob sie im Falle ihrer Wahl zum OB eine interkommunale Zusammenarbeit im Nahverkehr anstreben würden, wollte der Leserbeirat von den beiden Kandidaten wissen. „Wir müssen Verwaltungsprozesse vereinheitlichen, um zu sparen. Andere Kommunen machen das längst vor“, sagte Werner Oesterwind. Und Ulrich Scholten forderte: „Wir brauchen eine Ruhr-Verkehrsgesellschaft. Von der Bevölkerungsstruktur her können wir uns mit Berlin vergleichen und müssen daher ruhrgebietsweit als Metropole denken.“
Denkmal oder Abriss lautete die provokante Frage zur Zukunft der Volkshochschule. SPD-Mann Scholten sagte dazu: „Wir brauchen einen zentralen VHS-Standort in der Innenstadt. Zusätzliche Satelliten-Standorte wären ideal.“ CDU-Kandidat Oesterwind plädiert für die kostengünstigste aller möglichen Lösungen. „Wenn ein Neubau günstiger ist als eine Sanierung, ist das zu präferieren.“