„Für kleinere Kinder gibt es hier viel, für Jugendliche leider wenig“, sagt eine Mutter. Die Basisversorgung sei im dorf gegeben

Grün vor der Haustür wünschte sich Familie Schneider, kurze Wege zur Naherholung, zu Spazierwegen und Fahrradrouten, dazu ein Miteinander mit dörflich anmutendem Jeder-kennt-fast-jeden und guter Gemeinschaft. Der Umzug von Styrum nach Selbeck, einen der beiden ländlicheren Stadtteile Mülheims, vor über zehn Jahren also war eine sehr bewusste Entscheidung der fünfköpfigen Familie – und rückblickend die absolut richtige. „Hier zu leben, ist wunderbar“, sagt Annegret Schulz-Schneider. Doch wer nah an der Natur wohnen möchte, muss weitere Wege zur städtischen Infrastruktur in Kauf nehmen.

Drei Töchter hat Annegret Schulz-Schneider. Inzwischen sind sie aus dem Haus – beim Umzug nach „Neu-Selbeck“ waren die zwei älteren Teenager und mussten sich wohl am meisten umstellen. Der Schulweg beispielsweise war plötzlich „sehr viel weiter“, sagt ihre Mutter. Aus ein paar Haltestellen mit der Straßenbahn wurde eine längere Busfahrt in die Stadt. Und überhaupt der Bus: Die Linie 131 steuert die Innenstadt an – alle 30 Minuten. Der 752er fährt stündlich und der 753er Richtung Ratingen. „Ich weiß noch“, erinnert sich Annegret Schulz-Schneider, „der letzte Bus fuhr um halb 11. Wenn die Mädchen da nicht drin saßen, wusste ich, dass ich sie wieder irgendwo abholen muss.“

Es sind solche Kleinigkeiten, die zum Familienleben in Selbeck gehören. Ohne Auto, zeigt sich, geht dort im Mülheimer Süden nichts. Eltern müssen ihre Kinder fahren: zum Kindergarten (oft) ins angrenzende Saarn, zum Sporttraining, zum Musikunterricht, zur Schule. „Gott sei dank gibt es ein neues erstes Schuljahr an der Selbecker Grundschule“, sagt Annegret Schulz-Schneider und nennt das „einen großen Vorteil für Selbecker Familien“. Doch auch dorthin kann der Weg weiter sein, wenn Kinder z.B. aus Ratingen kommen.

„Für Kinder bis zum Grundschulalter gibt es in Selbeck viel“, sagt die Wahl-Selbeckerin. Angebote wie Infrastruktur meint sie. Ein Beispiel sieht man direkt beim Blick aus dem Küchenfenster: Der Kinderspielplatz ist bei „guten Wetter sehr gut frequentiert“. Abends treffen sich dort Jugendliche. „Für sie gibt es in Selbeck leider wenig.“ Die Kinderdisco des Bürgervereins fällt ihr als Unterhaltungspunkt etwa ein.

Auch zum nächsten Supermarkt müssen Selbecker fahren – Richtung Ratingen. „Die Akutversorgung ist aber geregelt“, sagt Annegret Schulz-Schneider mit Blick auf den Ortskern. „Es ist prima, dass wir hier eine Post haben.“ Bäcker, die Dependance eines Internisten, Schreibwarenhändler zählt sie unter anderem auf. „Nur eine Apotheke fehlt.“

Annegret Schulz-Schneider nennt all das, ohne zu werten. Fakten sind es, die sie und ihr Mann vorher kannten und hinter dem naturnahen Wohnen einsortierten. Sie fühlen sich in Selbeck wohl, die Menschen dort haben es ihnen angetan, die sich als Gemeinschaft verstehen und sich für ihren Stadtteil einbringen. „Es gibt in Selbeck Strukturen und Angebote, die allerdings zum Großteil auf ehrenamtlichem Engagement beruhen“, sagt die Leiterin des Kirchenkinderchors. Die katholische Kirchengemeinde nennt sie da gleich, zudem den Bürgerverein, die Werbegemeinschaft, den Schützenverein. Auch die im Schulgebäude eingerichtete Stadtteilbücherei basiert auf ehrenamtlichem Engagement.

Im August steht nun wieder das jährliche Nachbarschaftsfest in ihrer Straße an. Ein Zeichen für das gute Miteinander im Viertel ist es für Annegret Schulz-Schneider und einer der Gründe, warum sie aus vollem Herzen sagt: „In Selbeck zu leben, ist toll. Ich möchte hier nicht mehr weg.“

Selbecker wünschen sich Bolzplatz

Auf der Internetseite des Selbecker Bürgervereins haben sie ihren eigenen Online-Auftritt: „Kinder in Selbeck“ heißt dort ein Link, der unter anderem zu Informationen über Tagesmütter, Krabbel- und Mäusegruppe, Kindergarten und Grundschule, Kinderturnen und Kinderchor in Mülheims südlichstem Stadtteil führt. Für Rolf Gentges, den ersten Vorsitzenden des Bürgervereins, ist das ein Beleg, welchen Stellenwert Familien in Selbeck haben.

Verschiedene Akteure, betont Rolf Gentges, bemühen sich Kindern Angebote zu unterbreiten, um letztlich die Eltern zu entlasten: Die katholische Kirchengemeinde nennt er beispielsweise, Vereine wie seinen eigenen (natürlich) und die Selbecker Schützen sowie private Anbieter. Die Tagesmütter, beispielsweise, seien „sehr wichtig für berufstätige Eltern. Und die Mäusegruppe ist immer voll.“ Kinder ab zwei Jahren werden da an drei Vormittagen im Bürgersaal betreut. „Wir bemühen uns sehr, dass die Eltern nicht so weit fahren müssen“, sagt Rolf Gentges mit Blick auf Kindergarten und Grundschule – letztere war kurzzeitig in der Diskussion. Doch in den vergangenen Jahren konnten Eingangsklassen gebildet werden.

Für ältere Kinder und Jugendliche, muss auch der Vereinsvorsitzende einräumen, fehlt das ein oder andere. Die Selbecker versuchen, das selbst auszugleichen: Die Kinderdisco im Pfarrheim nennt Rolf Gentges, den Tennisverein, der jetzt auch einen Beachvolleyballplatz hat, den Ponyhof, die Jugendarbeit des Schützenvereins, die Stadtteilbibliothek.

Doch nicht alles lässt sich durch freiwilligen Einsatz ausgleichen. „Wir haben noch nicht mal einen Bolzplatz in Selbeck“, sagt Rolf Gentges und dass man bereits seit längerem mit der Stadt im Gespräch sei. Doch der fehlt dafür Geld. Also versuche man auf andere Weise, „das dörfliche Leben aufrecht zu halten“. Der Bürgerverein lädt im September wieder zum Bürgerball ein, eine große Stadtteilfete, die ebenfalls aktive Werbegemeinschaft organisiert stets den Weihnachtsmarkt. All das, fasst Rolf Gentges letztlich zusammen, mache Selbeck – „trotz der hoch belasteten Kölner Straße“ – zu einem Stadtteil, in dem es sich „wunderbar leben“ lässt.

Das gibt es in Selbeck

1 Spielplätze. Der Kinderstadtteilplan der Stadt (abzurufen auf www.muelheim-ruhr.de) markiert für Selbeck genau einen Kinderspielplatz. Der liegt mitten im verkehrsberuhigten „Neubaugebiet“ am Markscheiderhof. Der Platz ist mit Spielgeräten und Sandkasten jedoch großzügig gestaltet. Einen Bolzplatz – ein lang gehegter Wunsch im Stadtteil – gibt es nicht.

2 Schulen. Auch bei Schulen ist die Auswahl in Selbeck begrenzt: Es gibt lediglich die Grundschule an der Karl-Forst-Straße, die eine Dependance der Saarner Gemeinschaftsgrundschule am Oemberg ist. Mehrfach stand die Aufgabe des Gebäudes wegen zu geringer Anmeldezahlen im Raum. Die Selbecker setzten sich sehr für den Erhalt der Schule ein, die auch Kinder aus Ratingen besuchen. Zuletzt konnte stets eine Eingangsklasse gegründet werden. Zudem ist im Gebäude die ehrenamtlich betriebene Stadtteilbücherei untergebracht. Zur weiterführenden Schule müssen weitere Wege in anderen Stadtteile in Kauf genommen werden.

3 Kindertagesstätten. Und wieder: Auf dem Internetstraßenplan weist nur ein Pfeil gen Selbeck und auf die Kindertageseinrichtung der dortigen katholischen Gemeinde St. Theresia von Avila. Doch gibt es darüber hinaus weitere Betreuungsangebote für Kinder, die der Bürgerverein auf seiner Internetseite auflistet (www.selbecker-buergerverein.de). Kontaktmöglichkeiten zu Tagesmüttern im Stadtteil sind da zu finden sowie Informationen zu Betreuungsangeboten, die jedoch nur an einigen Vormittagen, stundenweise stattfinden.


4 Jugendheime. Fehlanzeige. Es gibt aber einen Bürgersaal, in dem der Bürgerverein beispielsweise Kinderdiscos organisiert. Die katholische Kirchengemeinde hat zudem eine Messdiener-Gruppe, die sich regelmäßig trifft und Angebote für Jugendliche macht.

5 Kirchengemeinden. Die Kirche St. Theresia von Avila liegt zentral in Speldorf und gehört zur Saarner Gemeinde St. Mariä Himmelfahrt. Die Kirchengemeinde ist, so hört man aus dem Stadtteil, wichtiger Anlaufpunkt für Selbecker und bietet auch Freizeitgestaltung. Kinder- und Kirchenchor werden da genannt, zudem gibt es eine rege „Seniorengemeinschaft“. Rund 35 Jugendliche engagieren sich als Messdiener (siehe oben). Nicht vergessen werden darf das Pfarrfest – es findet wieder am 13. September statt.

6 Sport/Vereine. Mädchen in anderen Stadtteilen würden davon träumen: Auf dem Selbecker Kinderstadtteilplan sind zehn Pferdehöfe eingezeichnet. Damit wird klar: Selbeck bietet viele Möglichkeiten zu reiten. Zudem gibt es einen Tennisclub, auf dessen Gelände sich nun auch ein Beachvolleyballfeld befindet. Selbeck hat zudem einen Golfclub. Ein reger Verein ist die St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft Selbeck-Breitscheid, deren Schützenfest jüngst wieder drei Tage Party bedeutete. Apropos: Unheimlich aktiv sind auch Werbegemeinschaft und Bürgerverein. Letzterer lädt jährlich zum Bürgerball – das nächste Mal am 26.