Mülheim. Auch Alten- und Seniorentreffs, die Alkohol ausschenken, müssen eine gaststättenrechtliche Erlaubnis beantragen. Ordnungsamt wurde nach Hinweis tätig.
Es geht um vielleicht zehn Flaschen Bier pro Woche, die ein Altentreff an Bingoabenden oder in ähnlichen Runden verkauft. Bislang brachte dies den Senioren einmal im Jahr eine gut gefüllte „Kaffeekasse“ von maximal 300 Euro ein, die dann wieder in einen Ausflug oder andere gemeinsame Aktivitäten geflossen sind.
Doch mit diesen Einnahmen für die Kaffeekasse könnte es bald vorbei sein. Flatterte doch diesem Altentreff eine Aufforderung des Ordnungsamtes an Senioreneinrichtungen ins Haus, bei Alkoholausschank eine gaststättenrechtliche Erlaubnis zu beantragen. Die kostet eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 845 Euro. „Einmalig“, wie Christa Bargatzky, Abteilungsleiterin Gewerbe im Ordnungsamt, erklärt. Dennoch: Im Altentreff reagierte man schockiert.
Ordnungsamt erhielt Hinweis
Beim Ordnungsamt war ein Hinweis eingegangen, „dass in diesem Altentreff Alkohol ausgeschenkt wird“, so Bargatzky. Dem sei man nachgegangen und hat zugleich sieben Alten- und Seniorentreffs angeschrieben mit dem Hinweis, dass alle Vereine und Einrichtungen, in denen Alkohol ausgeschenkt wird, nach dem Gaststättengesetz eine Erlaubnis benötigen.
„Das ist die Rechtslage, die können wir nicht ändern“, sagt Christa Bargatzky. Die meisten Einrichtungen wie die Awo, Sport- oder Freizeitvereine, auch türkische Vereine und Chöre hätten eine solche Erlaubnis.
Die Kosten richten sich nach dem Verwaltungsaufwand, der in Mülheim auf 845 Euro festgelegt wurde und für alle Antragsteller gilt – egal wie groß der Verein oder Altentreff ist. Eine Gebührenermäßigung für gemeinnützige Vereine könne seit der Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem Jahre 2009 nicht mehr erfolgen. Bis dahin war dies noch möglich. 2004 hatte der Verwaltungsvorstand beschlossen, dass Vereine und Werbegemeinschaften lediglich eine reduzierte Gebühr zahlen müssen, da der mögliche Gewinn dem Zweck der Gemeinschaft zu Gute käme. Doch das ist Vergangenheit.
Gebührenermäßigung nicht möglich
Es gebe noch die Möglichkeit, zu Feierlichkeiten jeweils eine gesonderte Erlaubnis einzuholen, die sei dann erheblich günstiger. Für drei Einrichtungen wurden bereits Genehmigungen erteilt, zwei Anträge liegen dem Ordnungsamt vor, eine Tagesstätte hat den künftigen Verzicht auf Alkoholausschank erklärt, vier Einrichtungen sind noch unentschlossen.
Am 24. September hat das Ordnungsamt zu einer Informationsrunde Vertreter der Alten,- und Seniorentreffs, des Seniorenbeirates und der Pflegekonferenz sowie die sozialpolitischen Sprecher der Fraktionen eingeladen.
Für Jochen Hartmann, fraktionsloses Ratsmitglied, wird hier „das Ehrenamt mit Füßen“ getreten. Er kritisiert die Höhe der Verwaltungsgebühr. „Das ist wohl Bürokratismus pur. Da werden kleine und große Vereine über einen Kamm geschoren. 845 Euro für eine Alteneinrichtung, die maximal zehn Flaschen Bier in der Woche ausgibt, ist eine Unverschämtheit.“ Mit großem „Tam Tam“ finde jährlich der Bürgerempfang der Oberbürgermeisterin statt. Wenn es aber um konkrete Hilfen für das Ehrenamt ginge, versage die Verwaltung offensichtlich.
Altenvereine müssten Programm stark kappen - Ein Besuch in Winkhausen
845 Euro für die bloße Erlaubnis, hin und wieder mal ein Glas Bier auszuschenken oder auch mal eine Bowle in netter Runde? Das ist doch lächerlich – da sind sich Ehrenamtler und Besucher des „Winkhauser Treff 50 plus“ einig. Das Vorhaben, womöglich auch von den so genannten Altenvereinen künftig eine Schankerlaubnis zu fordern, stößt auf massiven Widerstand. „Ich finde, es ist eine Zumutung, alte Leute so zu unterdrücken“, sagt etwa Ursel Osterfeld (85). Solch eine Idee verleide einem den Spaß am geselligen Beisammensein.
Es geht in der Woche um höchstens zehn Flaschen Bier
Viermal in der Woche treffen sich in der Begegnungsstätte an der Hügelstraße Frauen – und einige Männer –, um fröhliche Stunden miteinander zu verbringen. Durchschnittlich rund 80 der 155 Vereinsmitglieder nehmen Angebote wahr: Die Woche startet mit Sitzgymnastik plus Kaffeetrinken. Und auch dienstags kommen die Senioren zum Kaffeekränzchen zusammen. „Hier sind überwiegend Alleinstehende“, sagt Dagmar Freihoff (71), „und die sind froh, dass sie herkommen können.“ Mittwochs werde Karten gespielt oder auch mal Bingo und donnerstags Skat, Kanaster, Rummikub. . .
„In der Woche werden dabei höchstens zehn Flaschen Bier getrunken“, betont die Vereinsvorsitzende Brigitte Tonak (72). Im Angebot sei neben Pils, Radler, Weizenbier und alkoholfreiem Bier „auch mal eine Runde Likör zum Geburtstag“. 80 Prozent der Getränke aber seien alkoholfrei: „Die meisten trinken Wasser, Apfelschorle, Cola oder Kaffee.“ Schon wegen der Autofahrt, „aber auch, weil ältere Menschen grundsätzlich weniger trinken“, so Brigitte Lenz (64), 2. Vorsitzende. Der Alkohol nämlich vertrage sich oft nicht mit den Medikamenten, die man einnehmen müsse. „Hier betrinkt sich wirklich keiner.“
1,50 Euro kostet die 0,5er-Flasche
Für 1,50 Euro ist die 0,5er-Flasche Bier derzeit in der Altentagesstätte zu haben. Der Gewinn aus dem Verkauf komme der ehrenamtlichen Arbeit zugute, sagt die Vereinsvorsitzende. Müsse man nun wirklich die angedachten 845 Euro bezahlen, sei klar, dass viele schöne Dinge nicht mehr möglich seien.
Denn allein von den 12 Euro Beitrag sei vieles nicht zu stemmen. „Wir müssten also zum Beispiel an der Geburtstagsfeier der über 80-Jährigen sparen, die wir einmal im Jahr organisieren.“ Bislang gebe es für die Geburtstagskinder dann alles umsonst: Kaffee, Kuchen. . . „Das könnte nicht mehr so üppig ausfallen“, so Tonak. Auch die Weihnachtsfeier müsse man dann bescheidener gestalten. „Das Ehrenamt wird uns immer schwerer gemacht – wir sind deshalb wirklich sauer“, schimpft Lenz.
Infoveranstaltung am 24. September geplant
Laut Information der Vereinsmitglieder fallen die 845 Euro übrigens nicht nur einmalig an, sondern bei jedem Vorstandswechsel. Leider wähle man alle zwei Jahre einen neuen Vorstand. „Und wir sollen künftig auch Hygienekurse belegen.“ Das sei ein Unding, denn hygienisch sei auch jetzt schon alles, „und wir verkaufen ja auch nur Bier in Flaschen und nicht aus der Zapfanlage“, so Tonak.
Bei der Infoveranstaltung am 24. September mit Vertretern der Stadt sollen offene Fragen geklärt werden – und man werde dort bestens gewappnet auflaufen. „Wir haben gute Argumente gegen das Vorhaben“, ist sich Tonak sicher. So müsse es doch einen Unterschied machen, ob man in einer öffentlichen Kneipe sei oder aber – wie an der Hügelstraße – in den geschlossenen Räumen eines Vereins. „Ich habe das Gefühl, die haben geschaut, wo sie mal wieder abkassieren können – und wir sind gefundenes Fressen.“</p>