Mülheim. . 35 Mauersegler hat die Mülheimerin Inge Püschel aufgepäppelt. Alle haben den Jungfernflug geschafft.

Das Gros der Mauersegler ist schon längst weg, ihre Nester verlassen. In großen Schwärmen sind sie nach Afrika gezogen, um dort zu Überwintern. Ihre Jungen ziehen mit ihnen – darunter auch die 35 Tiere, die allein die Mülheimerin Inge Püschel aufgepäppelt hat. Denn es war ein sehr, sehr hartes Jahr für die Mauersegler, die standorttreu jeden Mai zurückkommen in ihre Nester unter unseren Dächern. Weil es so brütend heiß war, fielen die Jungtiere reihenweise vom Dach – lieber versuchen, schon zu fliegen, als vor Hitze im Nest umkommen.

Mauerseglerkinder auf dem Boden brauchen dringend Hilfe: Ihre Eltern versorgen sie nicht, weil sie vom Boden aus nicht starten können. Diese Luftikusse sind gemacht für ein Leben in der Luft. Dort schlafen und dort fressen sie, dort paaren sie sich. Die unglaubliche Zahl von 200 Vögeln haben die privaten Aufzuchtstationen in Mülheim, Essen, Oberhausen und Duisburg aufgepäppelt. Mitgezählt sind dabei noch nicht mal die einzelnen Vögel, die bei privaten Helfern nach professioneller Anleitung aufgezogen wurden. „Das haben wir so noch nie gehabt“, zieht Inge Püschel Bilanz. „Das ist die absolute Ausnahme, und das können wir nicht jedes Jahr stemmen – weder personell noch finanziell.“

Gelungen ist es überhaupt nur, weil die Vogelschützer viel Unterstützung bekamen, wofür sich Inge Püschel bedanken will. Bei Tierärzten und bei Helfern, die Fahrten übernommen haben, bei allen, die für die Mauersegler gespendet haben (die Aufzucht eines Vogels kostet 50 bis 80 Euro), bei der Abteilung Flugmodellbau des Aero-Club Mülheim, die wieder ihr Modellflug-Gelände an der Rembergstraße zur Verfügung gestellt hat.

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Denn Mauersegler wissen, wann es Zeit ist, abzuheben. Inge Püschel merkt es an ihrem Verhalten, am Gewicht, an den Muskeln unter den Schwingen. Mauersegler kann man nicht in Käfigen halten. Muss man auch nicht, wenn sie noch gepäppelt werden. Inge Püschel hielt die sehr sozialen Tiere zusammen in flachen Wannen. Die Jungtiere mussten alle ein, zwei Stunden gefüttert werden. Und wenn sie soweit sind, fahren die Vogelschützer zum Modellflug-Gelände an die Rembergstraße im Landschaftsschutzgebiet, um die Vögel dort zu „starten“. Auf der Hand sitzt dann der Vogel vor dem Jungfernflug, viel freie Luft vor sich, wie beim Verlassen des Nestes in luftiger Höhe. Es braucht Geduld, bis ein Vogel fliegt, denn keiner ist wie der andere, sagt Inge Püschel. Die Biologin ist weit weg davon, die Tiere zu vermenschlichen, doch sie weiß aus Erfahrung: Jeder Mauersegler hat sein eigenes Tempo. Eins ist bei allen gleich: Hebt der Vogel ab, sieht sie ihn nicht mehr wieder. Obwohl sie wieder da sind, im Mai.

Für Nachzügler kann es zeitlich eng werden

Einen Mauersegler hat Inge Püschel noch in Pflege: Der ist vor ein Auto geflogen und muss die Schwungfedern erst neu bilden. Zum Glück nimmt der erwachsene Vogel die Futtertiere von der Pinzette. Das ist nicht selbstverständlich, denn während sich junge Vögel füttern lassen, tun sich erwachsene Tiere schwer, würden nie aus Näpfen fressen.

Der Instinkt sagt dem Vogel, dass er längst in Richtung Afrika unterwegs sein müsste, bevor es zu kalt wird und keine Insekten mehr in der Luft – die einzige Nahrung, die Mauersegler akzeptieren. „Der will weg und muss das jetzt aussitzen“, weiß Inge Püschel. Die Deutsche Gesellschaft für Mauersegler in Frankfurt ist in diesen Sommer total überlastet und hat Aufnahmestopp. Inge Püschel hofft nun auf einen „goldenen Oktober“, dann könnten die Nachzügler noch ziehen. Wenn die Zeit nicht mehr reicht, bringt die Gesellschaft für Mauersegler die Vögel an die spanische/französische Küste. Dann müssen sie es nicht über die Alpen schaffen.