Mülheim. Der Schlagball-Verein Weitschlag Mülheim e.V. ist eine der wenigen Gemeinschaften, die der Sportart mit Ball und Schläger neues Leben einhauchen.
Vom gegnerischen Team als Ziel ausgewählt, versucht das Mädchen noch zu entkommen, doch muss sich ihrem Schicksal fügen und wird abgeworfen. Einen kurzen, schmerzhaften Moment später ist der Treffer aber schon wieder vergessen und die Spielerin rennt mit ihren Teammitgliedern zum anderen Ende des Spielfelds. Schlagball kann bei korrektem Spielablauf auch weh tun. Das haben alle Anwesenden am eigenen Leib erfahren. Doch der Schmerz rückt in den Hintergrund, denn das Spiel verlangt die Aufmerksamkeit jedes Einzelnen.
Schlagball ist eine Sportart, in der Egoisten nicht weit kommen. Das Team muss als Einheit arbeiten. Zwei Parteien versuchen mit Schlagen und Fangen des Balles, Läufen über das Spielfeld, sowie durch Abwerfen der Gegenspieler, in 60 Minuten so viele Punkte wie möglich zu erzielen.
Familiensport wird zum Renner unter Freunden
Mülheim ist einer von sehr wenigen Orten, wo Schlagball gespielt wird. Deutschlandweit gibt es nur acht eingetragene Vereine, die genaue Zahl ist wegen der geringen Popularität nicht genau bekannt. Die Spielregeln sind unerwartet komplex, es braucht Zeit, bis alles verstanden ist.
Jens Hermanns, Gründer des Mülheimer Vereins, kann auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen: „Ich habe Schlagball auf Spiekeroog kennen gelernt und mit meiner Familie dort schon oft gespielt.“ Diese Urlaubserfahrungen haben sich im Freundeskreis seines Sohnes herum gesprochen. Das Interesse an dieser Sportart sei sofort da gewesen und es wurde sich zu kleinen Spielen in der Freizeit getroffen.
Inoffizielles Turnier auf Spiekeroog
Seit Ende vergangenen Jahres ist aus den Freizeitspielen eine Trainingseinheit des noch jungen Vereins mit fast 40 Spielern geworden. Sogar ein inoffizielles Turnier auf Spiekeroog wurde schon bestritten. Auf Langeoog und Spiekeroog ist Schlagball Tradition. Zum diesjährigen Inselturnier an Christi Himmelfahrt wurden alle deutschen Mannschaften eingeladen. „Es war eine wirklich tolle Erfahrung, auf Spiekeroog gegen die anderen Mannschaften zu spielen“ freut sich Jens Hermanns.
Erfolglos kehrte die Mülheimer Mannschaft nicht zurück, sie belegte den dritten von acht Plätzen. Von Training zu Training stoßen immer mehr Spieler dazu, mittrainieren kann jeder. Auch der Gedanke einer Elternmannschaft steht im Raum. Die Faszination an diesem Ballsport scheint groß. „Wenn wir im Witthausbusch trainieren, gibt es immer viele neugierige Zuschauer“, meint Jens Hermanns. Er hofft, dass es künftig weitere Mannschaften bei Weitschlag Mülheim geben wird.
Schlagball wurde 1916 fast olympisch
Als um das Jahr 1900 vom deutschen Turnerverband einheitliche Regeln für Schlagball eingeführt wurden, ahnte niemand, dass der Sport eines Tages fast Teil der Olympischen Spiele wurde. Vor 1900 wurde das Spiel von Ort zu Ort mit anderen Richtlinien gespielt, der genaue Ursprung ist unbekannt. Nach der Einführung eines Regelwerks wuchs das Interesse an der Sportart rapide. Es bildeten sich deutschlandweit mehr Vereine, so dass 1913 die erste Deutsche Meisterschaft ausgetragen wurde.
1916 erreichte der Sport einen vorzeitigen Höhepunkt, als er Teil der Olympiade in Berlin werden sollte. Der Erste Weltkrieg verhinderte dies. Nach diesem Rückschlag folgte ein Tiefpunkt, bis Schlagball zu Zeiten des Nationalsozialismus wieder erblühte. Fest im Sportunterricht integriert, sollte das Ballspiel zum deutschen Traditionssport werden. Nach dem Krieg verblasste jedoch die Beliebtheit, die Verbindung zum NS-Regime weckte Unbehagen. Seit den letzten Deutschen Meisterschaften 1954 ist Schlagball größtenteils in Vergessenheit geraten.