Mülheim.. WAZ-Mitarbeiter Dennis Vollmer beschreibt seinen Weg mit dem Rad von Saarn nach Oberhausen zur Arbeit. Hürden erschweren das Vorankommen, findet er.
Ich bin überzeugter Pedalstrampler. Schnurstracks zum Bäcker, zur Post und zum Supermarkt – im Radius von fünf Kilometern hat das Fahrrad keinen Konkurrenten. Wer aber in Mülheim mit dem Drahtesel unterwegs ist, muss bisweilen verrückt sein. Oder sagen wir mal: Es hilft. Denn regelmäßig gerate ich in schizophrene Situationen, strample bisweilen am Rande der Legalität, wenn ich mich von Saarn zur neun Kilometer entfernten Arbeit nach Oberhausen in den Sattel schwinge.
Schon der Weg über Düsseldorfer Straße, Kassenberg und Bergstraße fängt mit einer Herausforderung an. Just vor dem Gewerbegebiet wurde der Radweg von der Straße auf den Fußweg verlegt. Für einen knappen Kilometer bis zur Lederfabrik kreuzen immer wieder Autos den Weg, die sich von den Parkplätzen vor Aldi und weiteren Händlern in den Verkehr einpendeln.
Vorbeischlängeln an Buspendlern
Zum ganz normalen Wahnsinn gehört es auch, dass ich mich an der Haltestelle Feldmannstiftung vorsichtig mitten durch noch bettwarme Buspendler schlängeln muss. Den nächsten Konflikt zwischen Radfahrer und Fußgänger gibt’s kurz nach dem Abzweig zur Saarner Aue – hier laufen die Wege eng ineinander. All das kostet nicht nur Zeit und Nerven, sondern wäre vermeidbar, wenn Radwege konsequent auf die Straße verlegt würden. Oder wenigstens hinter der Haltestelle vorbeiführten statt davor.
An der Lederfabrik Ecke Heuweg gibt es zum ersten Mal seltsame Signale der Dritten Art. Eine Ampel jeweils für Autos und Radler „regelt“ den Verkehr auf gerader Strecke: Ich sehe rot, der Fußgänger übrigens auch, nur der Autofahrer darf weiterfahren, bis auch sein Signal umspringt – 20 Sekunden sind reichlich Zeit über den Zweck solcher rot-grünen Koalitionen zu grübeln. So mancher Radler lässt sich nicht beirren, und fährt weiter.
35 sonderbare Signalgeber in Mülheim
Und das ist kein Einzelfall: 35 dieser sonderbaren „gesonderten Signalgeber“ für den Radverkehr gibt es in der gesamten Stadt. Allein sechs davon sind auf meiner Alltagsroute Kassenberg, Ruhrufer und Bergstraße verstreut. An der Ecke Bergstraße, Cäcilienstraße etwa hat der Radler grün, die Fußgängerampel zeigt kurioserweise rot – muss man hier stehen bleiben? Stillstand fürs Rad heißt’s anschließend auf halben Berg an der Ecke Xantener Straße, obwohl die Strecke gerade und übersichtlich ist, und sich hierhin selten Fußgänger verirren. Eine Leidensgenossin zieht bei grün überraschend flüssig an mir vorbei: „Sorry – E-Bike“, ruft sie zurück.
Die Ampelregelung für Radler ist gerade auf dieser Route eine echte Bremse – eine unnötig frustrierende dazu: An der Kreuzung am Schloß Broich tummeln sich die Zweiradfahrer auf der Verkehrsinsel in Richtung Stadthalle, weil es Seltenheitswert hat, wenn man es hier in einem Rutsch ‘rüber schafft. Die Ampel „regelt’s“, und zwar genau so, dass das Signal im zweiten Abschnitt auf rot springt, kurz nachdem man im ersten bei Grün ins Pedal steigt. 1 Minute und 50 Sekunden dauert es für Radler, um die vielleicht 30 Meter zu überwinden. Genug Zeit, neidisch auf den fließenden Autoverkehr zu blicken, der in dieselbe Richtung unterwegs ist. Wenn man nur auf die Straße dürfte...
Nach der Konrad-Adenauer-Brücke geht’s auf den Broicher Damm ins Grüne. Halbe Strecke geschafft. Der Blick von der Styrumer Brücke auf die Ruhr und die Stadtsilhouette entschädigt für den Stress.
Eigene Ampeln für Radfahrer können Wartezeiten reduzieren
Herr Voß, wie viele Fahrradampeln gibt es im Stadtgebiet?
Helmut Voß: Gibt es überhaupt auf der Welt eine reine Fahrradampel? Bei Lichtsignalanlagen wird in der Regel der motorisierte Verkehr untereinander oder auch mit dem nicht-motorisierten Verkehr geregelt. Knoten mit einzelnen oder mehreren gesonderten Signalgebern für den Radverkehr gibt es natürlich öfters, in Mülheim sind es rund 35.
Wer entscheidet über die Installation einer Fahrradampel?
Voß: Die Verwaltungsvorschrift zur StVO und die Richtlinie für Signalanlagen (RiLSA) schränkt den Ermessensspielraum stark ein. Grundsätzlich werden in Mülheim nur separate Signalgeber für den Radverkehr vorgesehen, wenn diese notwendig sind bzw. eine erhebliche verkehrliche Verbesserung erzielt werden kann.
Fahrradampeln können eine ärgerliche Bremse im Verkehrsfluss sein. Welchen Sinn haben sie?
Voß: Es gibt drei Signalisierungsformen für den Radverkehr: Mitbeachtung des Kfz-Signals, gemeinsame Signalisierung mit dem Fußgängersignal und mit eigenem Signalgeber. Ein gemeinsames Signal mit dem Fußgängerverkehr kommt nur in Frage, wenn ein Radweg vorhanden ist und die Radwegefurt neben der Fußwegefurt angeordnet werden kann. Der Signalgeber muss frühzeitig und eindeutig erkennbar sein. Eine Signalisierung mit dem Kfz-Signal scheidet z.B. aus, wenn die Aufstellfläche für den Radverkehr hinter dem Kfz-Signal angeordnet werden muss. Durch eigene Signalgeber kann die Zwischenzeit bei den Signalzeiten den jeweiligen Räumgeschwindigkeiten der unterschiedlichen Verkehrsarten angepasst werden.
Müssen Radfahrer das Signal des Kfz-Verkehrs beachten, ist das Grün-Ende von der Räumzeit des Radverkehrs bestimmt, d.h. Kraftfahrzeuge bekommen „unnötig“ früher rot, was für die Leistungsfähigkeit des Knotens ein Problem darstellt. Müssen Radfahrer das Fußgängersignal mit beachten, wird die Räumzeit durch die Geschwindigkeit des Fußgängers bestimmt. In diesem Fall bekommen Radfahrer früher rot, was unattraktiv ist und zu Regelverstößen und damit auch zu Verkehrsgefährdungen führen kann.
Wo sind sie denn sinnvoll?
Voß: Aktuellstes Beispiel ist die Stadtmittekreuzung in Richtung Kaiserplatz. Die Räumwege sind in dieser großen Kreuzung recht lang. Die Räumzeiten – das sind unproduktive Zeiten – für den Radverkehr konnten durch den nachträglich installierten Signalgeber am Inselkopf in etwa halbiert werden, was der Leistungsfähigkeit des Knotens dient.