Mülheim. Flüchtlingen fehlt Beschäftigung, das sieht man in den Unterkünften. Manche helfen sich aber mit Sport oder ehrenamtlicher Arbeit.

Dass Flüchtlinge, die nicht arbeiten dürfen, Beschäftigung brauchen, wird auch in Mülheim vermehrt gefordert. Die Stadt sucht momentan mit örtlichen Bildungsträgern nach Möglichkeiten. Praktikumsplätze für erwachsene Asylsuchende sind etwa im Gespräch, zur Zeit gibt es sie noch nicht.

Der Alltag ist von Leerlauf geprägt, das zeigt sich bei einem unangemeldeten Besuch der Häuserzeilen an der Gustavstraße in Styrum, wo derzeit rund 200 Flüchtlinge leben. Am späten Vormittag, wenn die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen unterwegs sind, halten hier junge bis ältere Erwachsene die Stellung. Viele atmen von den Balkons oder Fenstern aus frische Frühlingsluft, oft mit ihrem Handy beschäftigt.

"Zu Haus hatten wir alle einen Job"

An mehreren Eingangstüren hängen viersprachige Flyer der „Oase Unperfekt“, die auch helfende Hände sucht für die wachsenden Gemeinschaftsgärten in Styrum. Der Hausverwalter, ein Mitarbeiter des Sozialamtes, führt eine neu angekommene Familie in ihre Wohnung und trägt einen Stapel Post aus. Er sagt: „Die Leute hier würden gerne arbeiten, aber richtig. Mit Anerkennung und Papieren. Nicht für Noppes...“

In einer Wohnung leben zehn Männer aus Syrien zusammen. Einer erzählt, er sei vor etwa fünf Monaten nach Deutschland gekommen, habe große Angst um seine Frau und fünf Kinder, die in der Heimat ausharren. Ob sein Asylantrag anerkannt, die Familie wieder vereint wird, weiß er noch nicht. „Das Warten ist ein großes Problem. Zu Haus hatten wir alle einen Job, ich hatte eine Bäckerei. Hier lese ich meistens. Literatur.“

"Ich gehe auch zwei Mal pro Woche zum Sport"

Im Alleingang geflüchtet sind auch zwei sehr junge Männer, die in einem anderen Block wohnen. Der Ghanaer besucht das Berufskolleg an der Lehnerstraße, er hält ein Lehrbuch für Deutsch in der Hand und hat augenscheinlich zu tun. Sein „Freund“, wie er sagt, aus Marokko ist gelernter Friseur, seit sieben Monaten asylsuchend in Deutschland und ebenso lange ohne bezahlte Arbeit. Dennoch findet er sein Leben an der Gustavstraße nicht langweilig. Die Zeit ließe sich schon füllen, „ich gehe auch zwei Mal pro Woche zum Sport“. Genau wie sein Mitbewohner aus Ghana spielt er regelmäßig Fußball beim 1. FC Styrum.

Derzeit gibt es fünf Mülheimer Clubs, die Angebote für Flüchtlinge machen, auch für Frauen. „Diese werden regelmäßig genutzt“, sagt Nicole Nussbicker, Koordinatorin beim Mülheimer Sportbund. Am Fußball-Vereinstraining etwa würden interessierte Flüchtlinge teilnehmen. Es sei aber noch Platz, sowohl für neue Sportler als auch für engagierte Clubs, die einsteigen wollen. Sie können sich melden unter Tel. 3085030 oder info@msb-mh.de.

Ehrenamtliche sind oft selbst Asylsuchende

„Die Leute leiden sehr unter Langeweile“, sagt Reinhard Jehles, Gründer der Gruppe WiM (Willkommen in Mülheim), die an der Solinger Straße ein Warenhaus voller Spenden betreibt. Viele Asylbewerber wollen sich dort darum nicht nur einkleiden, sondern auch nützlich machen. Von mittlerweile mehr als 50 ehrenamtlichen Helfern seien über die Hälfte selber Flüchtlinge, so Jehles.

Letzte Woche hätten sie im Warenhaus die Selbstbedienung abgeschafft. Zum einen, um leichter Ordnung halten zu können. Zum anderen, um Asylbewerbern Gelegenheit zu geben, andere persönlich zu bedienen, wobei in verschiedensten Landessprachen kommuniziert würde. „Es ist schön zu sehen, wie die Menschen dabei aufleben“, berichtet der WiM-Initiator. „Viele leben sehr isoliert, aber hier herrscht das blühende Leben.“

"Die Türen zu den Deutschkursen müssten für alle geöffnet werden“

Deutschkurse kann aus Kapazitätsgründen nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge besuchen, die in den Mülheimer Übergangsunterkünften leben. Nach Auskunft von Ulrike Voß-Schulz, Bereichsleiterin bei der VHS, laufen momentan vier Kurse mit insgesamt 65 Teilnehmern, ein weiterer könne im Mai beginnen. Unterrichtet wird kostenlos, in der Willy-Brandt-Gesamtschule und im evangelischen Gemeindehaus Albertstraße.

„Die Türen zu den Deutschkursen müssten für alle geöffnet werden“, meint Ingrid Just, Vorsitzende des Mülheimer Flüchtlingsrates e.V., „damit die Leute keine Zeit verlieren, sondern gleich durchstarten können, sobald sie ein Bleiberecht bekommen haben.“