Der scheidende Hochschulpräsident Eberhard Menzel bedauert, dass Kinder zu wenig in Berührung mit Technik kommen. Er fordert eine Kurskorrektur.
In einem Antiquariat im schottischen Inverness entdeckte Eberhard Menzel ein Buch, das sein Interesse weckte: „Der Aufbau einer Universität“, lautet der englische Titel der Übersetzung. Es war nicht die Blaupause für die Hochschule Ruhr West, die der scheidende Hochschulpräsident in Mülheim und Bottrop mit Helmut Köstermenke seit 2009 aufgebaut hat, sondern die Geschichte der Uni der Highlands und Island, die, auf zahlreiche Standorte verteilt, 20 Jahre lang um ihre Existenz kämpfen musste. Da relativieren sich die Probleme in Mülheim.
„Ja, es war manchmal wie ein Krimi“, stimmt Menzel zu. Über die Konflikte und Probleme aus der Vergangenheit möchte er zum Abschied aber am liebsten gar nicht mehr reden. Nach dem Erfolg der Hochschule spielt das ohnehin keine Rolle. Ebenso wie die Verschiebungen des Fertigstellungstermins an der Duisburger Straße. Natürlich hätte er das noch gerne im Amt miterlebt.
Die einstigen, aber längst überwundenen Spannungen klingen auch in dem Grußwort von Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld in der zur Verabschiedung des Präsidenten erschienen Festschrift an. „Wenn ich je ‘Mensch gewordenes Sendungsbewusstsein’ erlebt habe, dann verkörpert von Prof. Dr. Eberhard Menzel. Da gab es kein Zaudern und kein Relativieren, hier wurde ausschließlich groß gedacht, argumentiert und gefordert. So anstrengend das in den Zeiten der Standort-Kakophonie auch war, als so richtig haben sich seine unbeirrbare Beharrlichkeit und gleichzeitige Diskussionsflexibilität erwiesen.“
Stolz auf seine Professoren
Die Festschrift gehörte neben den beiden das Steigerlied anstimmenden Dudelsackspielern zu den beiden Überraschungen bei der Verabschiedung, die in Bottrop, dem Dependance-Standort gefeiert wurde, der aber schon über ein fertiges und attraktives Hochschulgebäude verfügt. Die erste Veranstaltung seit der Hochschulgründung, deren Ablauf er nicht kannte. Das war eine anstrengende Zeit für einen Kontroll-Freak wie Menzel. Es gehört zur Gepflogenheit, den Chef mit den allerbesten Wünschen und viel Lob in den Ruhestand zu verabschieden. Die Herzlichkeit und die eingestreuten Anekdoten zeugen aber davon, dass Menzel, der seinen Professoren rasch das ‘Du’ angeboten hat, tatsächlich beliebt war. Davon künden auch die Fotos: Menzel am Grill bei der Erstsemesterparty, bei Experimenten und stets zu einem Spaß aufgelegt. Und man spürte es auch bei den Besuchen. Eine Aufbruchsstimmung und ein gemeinsamer Geist sind dort zum Greifen nah. Die Hochschule ist rascher groß geworden als geplant. 3500 Studenten waren erst für das Wintersemester geplant. Und die Zukunft ist gesichert. Stolz ist Menzel auf die über 70 Professoren, die in Millionenhöhe Drittmittel einwerben. Fehlbesetzungen habe es kaum gegeben. In die Auswahl hat Menzel auch immer besonders viel Zeit und Energie gelegt.
Aber nicht alles läuft wie erwartet. Ausgerechnet sein eigenes Fach Elektrotechnik bleibt leicht hinter den Erwartungen zurück. Ein gutes Dutzend mehr Studenten im Jahr könnten es sein. Das ist nicht so viel, dass man sich ernsthaft Sorgen machen müsste, aber Menzel hat hier Sorgen ganz grundsätzlicher Art, denn es sei in anderen Hochschulen nicht anders. In der Informatik sei inzwischen die Lücke geschlossen - mit Hilfe eines Tricks. Die Hochschule bietet den Studiengang auch zum Sommersemester an und spricht damit einen ganz anderen Interessentenkreis an. Der Einzugsbereich ist dann auch viel größer.
Technik, so seine Feststellung, habe einen zu geringen Stellenwert im Leben von Kindern. Sie müssten schon im Kindergarten für Technik begeistert werden, sollte in der Schule ihr Forscherdrang geweckt werden, herauszufinden wie etwas funktioniert - statt noch eine Fremdsprache zu lernen. Der Professor sieht da die Landesregierungen in der Pflicht. Menzel, dessen Vater Musiker war, hatte sein Schlüsselerlebnis im Keller eines Nachbarn. Zum ihm flüchtete sich der junge Eberhard vor dem Flötenunterricht. Es war ein Bastler und Tüftler, der an seiner Werkbank eine Modelleisenbahn komplett selbst herstellte. „Ich stand daneben und staunte“, so Menzel. So mit elf wickelt er Transformatoren und hat sogleich ein Erfolgserlebnis: Die Lampen leuchten. Schließlich experimentiert er mit Radios, deren Reichweite er immer weiter ausdehnt. „Irgendwann habe ich dann in Bielefeld den bayerischen Rundfunk empfangen.“ Das war ein großes Erfolgserlebnis, aber auch ein Beispiel seiner Hartnäckigkeit. „Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, dann setze ich das auch um.“ Um das Interesse der Jugendlichen für Technik und Naturwissenschaften zu wecken macht die Hochschule eine Menge vor allem in Kooperation mit den Berufskollegs am ZDI (Zukunft durch Innovation). Mit 48 mint 4u-Veranstaltungen erreichte die Hochschule im vergangenen Jahr über 1300 Jugendliche. „Unsere Kernaufgabe ist es, Ingenieure auszubilden, nicht Jugendliche für Maschinenbau zu interessieren“, so Menzel.
Genau das möchte der Pensionär Menzel jetzt in seiner Wohnung in Krefeld machen: In ‘Eberhards Bastelstube’ will er Jugendliche für Technik begeistern. Bei seiner Tochter hat er sich alle Mühe gegeben, wie sie in der Festschrift schreibt. Vergeblich, stellt Menzel lachend fest. Sie hat trotzdem ihren Weg erfolgreich gemacht.