Man könnte die weit überlebensgroße Fotoinstallation als Mosaik Mülheimer Gesichter betrachten. Und stößt im Gespräch mit Oleg Tartakowski gleich auf mehrere wichtige Positionen, die der 23-Jährige hierin besetzt.
So gehört er zu den eindeutig jungen Einwohnern dieser oft als überaltert beschriebenen Stadt. Er befindet sich mitten in der Berufsausbildung, die er offenbar ernsthaft betreibt: Oleg studiert Medizin an der Universität Duisburg/Essen, will im August das Erste Staatsexamen schaffen und später gerne Kinderarzt werden. Er weiß, was einen in diesem Beruf erwartet, da seine Mutter ebenfalls Ärztin ist. Oleg Tartakowski, gebürtiger Ukrainer, steht ferner für jemanden, der in unterschiedlichen Ländern und Kulturen aufwuchs: 1994 wanderte die Familie aus. „Der Grund war”, sagt Oleg, „und dafür bewundere ich meine Eltern, uns eine sichere Zukunft zu ermöglichen.” Seinem drei Jahre jüngeren Bruder und ihm. „Dafür gaben sie alles auf, was sie hatten: Arbeit, Freunde . . .” Oleg kam, ohne ein Wort Deutsch zu können, in die dritte Klasse der Grundschule an der Zunftmeisterstraße, lernte die fremde Sprache aber so mühelos, dass er heute nicht mehr erklären kann, wie. Noch etwas zeichnet den jungen Mann aus: Er ist ein erfolgreicher Jiu-Jitsu-Sportler, gehört zum Team des Vereins Bujindo Mülheim, trägt in der japanischen Selbstverteidigungskunst den Schwarzgurt, nahm schon an deutschen Meisterschaften und internationalen Turnieren teil. Gleichwohl war es ein anderer, spezieller Beweggrund, der Oleg Tartakowski und den Fotokünstler Harald Hoffmann zusammenbrachte. „Er wollte wohl die Vielfalt Mülheims zeigen und auch einen jüdischen Mitmenschen haben”, meint Oleg – und fand diesen über die Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen. Hier arbeitet Oleg als Jugendleiter – eine Tätigkeit, die er nicht nur als Job versteht, sondern die in seinem Leben offenbar breiten Raum einnimmt. Das Jugendzentrum befindet sich, wie der Sitz der Gemeinde, in Duisburg. Es trägt einen hebräischen Namen, der „unsere Hoffnung” bedeutet und sich in deutscher Fassung „Tikwatejnu” schreibt. Sie haben dort Kicker, Couches, PCs, aber auch Klassenräume für Religionsunterricht, der wochentags stattfindet. Sonntags von 10 bis 17 Uhr ist das Zentrum für Kinder und Jugendliche geöffnet, die dort basteln, malen, Theater spielen, gemeinsam essen, gelegentlich die Gottesdienste mit vorbereiten, welche freitags und samstags stattfinden (aber von Jugendlichen, wie anderswo auch, nur wenig besucht werden). Manchmal kommen über 30 Leute, fast alle stammen aus ehemaligen Sowjetrepubliken. Oleg, der die Treffen vorbereitet, meint: „Es ist schwierig für die Kinder. Sie wachsen in einer christlichen Gesellschaft auf, assimilieren leicht. Wir versuchen ihnen jüdisches Leben wieder näherzubringen.” Was schwieriger würde, auch durch die zunehmende schulische Belastung: Viele wollen am Wochenende einfach ausschlafen, nichts unternehmen. Die Eltern, andererseits,, sehen den Nachwuchs lieber am Schreibtisch, darum wollen Oleg und seine Teamkollegen demnächst eine Hausaufgabenbetreuung anbieten. Alles am Sonntag. Kontakte laufen auch über Mail, SMS, gängige Internetplattformen. „Wir benutzen alle Medien”, sagt Oleg, „Jugendarbeit muss mit der Zeit gehen.” Folglich sind sie auch selber im Netz vertreten: www.tikwatejnu.de. Doch das Entscheidende bleibe: der persönliche Kontakt. „Wir wollen vermitteln, was man beim Chatten am PC nicht bekommt: Menschliche Werte, Wärme, damit punkten wir.” Das Foto für die Parkhaus-Verhüllung zeigt den 23-Jährigen im schlichten Hemd, ohne die traditionelle jüdische Kipa, die nur im Gottesdienst seinen Kopf symbolisch bedeckt. Allerdings trägt Oleg eine Halskette mit dreidimensionalem Davidsstern, die ihm eine Kusine aus Israel schenkte. „Ein bisschen Judentum wollte ich doch zeigen . . .” Die Aufnahme entstand bei ihm vor der Haustür, in Saarn. Als Oleg sich später auf dem riesengroßen Transparent sah, fand er es: „Krass!” Aber positiv gemeint: „Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich als einer der Bürger Mülheims angesprochen wurde.”