Sie sitzen an Grashalmen, lauern im Laub, klettern auf sommerlich bekleidete Körper und bohren ihre Köpfe in verborgene Stellen: Zecken. Schrecken vieler Eltern, die ihrem Nachwuchs naturnahe Bewegung wünschen.
Im Moment sei es ganz besonders schlimm, hört man manche Mülheimer Väter und Mütter klagen. Als Tatort nennen sie beispielsweise den Witthausbusch. Kann das sein? Das Team der Kindertagesstätte Stöpsel an der Tilsiter Straße zieht hier jede Woche einmal mit einer ganzen Gruppe durchs Grün. Auch abseits der Wege, sagt Erzieherin Melanie Jakobs, in den Wald. Eine Zeckenplage im Witthausbusch sei ihr allerdings noch nicht aufgefallen. Auch bei den Waldmeistern der Stadt mag man diesen Verdacht nicht bestätigen. Hierfür hätten sie keine Anhaltspunkte, erklärt Beate Schäfer von der Oberförsterei. „Wir haben keine Untersuchung darüber gemacht.” Und was berichten ihre Mitarbeiter, die den ganzen Tag im Grünen sind? „Die zählen keine Zecken.” Das tut wohl niemand, auch nicht das Gesundheitsamt. Zu einer aktuellen Warnung bestehe kein Anlass, erklärt Amtsleiter Dr. Georg Ohde, „da wir die Daten auch gar nicht haben”. Im Bilde ist er aber schon. Die Zeckenaktivität sei witterungsabhängig, das Verhalten der Menschen auch: „Wenn das Wetter schön ist, gehen die Leute natürlich mehr nach draußen und streifen durchs Gebüsch.” Dabei sei ein Zeckenbiss „erst mal harmlos, noch keine Erkrankung”. Die kann es werden, wenn die Parasiten Viren übertragen. Viel gesprochen wird in diesem Zusammenhang von der Frühsommer-Meningo-Encephalitis. Doch deren Risikogebiete liegen nicht in NRW, sondern in südlichen, östlichen Regionen. In Mülheim wurde nach Angaben des Gesundheitsamtes noch kein einziger Fall dieser gefährlichen Virusinfektion bekannt. Wichtig ist aber überall, dass man die saugstarken Milben möglichst bald entfernt. Dr. Bärbel Kröner-Beglau ist stellvertretende Sprecherin der Mülheimer Kinderärzte und mit dem Thema Zecken eng vertraut. Sie persönlich hat das Problem noch nicht als dramatisch erlebt: „Aber die Eltern erzählen es. Sie ziehen die Zecken meist selber.” In ihre Praxis kämen pro Woche ein bis zwei Kinder, um die Parasiten entfernen zu lassen – oder die Reste davon. Die Ärztin nimmt dazu eine normale Pinzette, kontrolliert per Lupe, ob die Beißwerkzeuge komplett entfernt sind, trägt dann desinfizierende Salbe oder Lösung auf. Klebt ein Pflaster auf die Wunde. Auch Fälle von Lyme-Borreliose, durch Zecken übertragen, habe es in ihrer Praxis „schon öfter” gegeben. Früh erkennbar an einer lokalen Hautrötung, die sich vergrößert. Wenn die Krankheit nicht behandelt wird, kann sie beispielsweise zu Gelenkentzündungen führen. Es gebe aber Medikamente, die schnell anschlagen, meint Dr. Kröner-Beglau: „Penicillin hilft ganz gut.” Für Eltern, gleichwohl, sind Zecken derzeit ein beunruhigendes Thema: Man hört von Gewimmel im Wald, und dass der Befall spürbar stärker geworden sei. Einschlägig erfahrene Mütter oder Väter machen es so: Schauen ihr Kind abends nach dem Ausziehen genau an, auch in den Hautfalten, unter den Armen, zwischen den Beinen, ob da kleine dunkle Punkte erscheinen, die eindeutig kein Muttermal sind. Falls sie etwas finden, drehen sie die Milbe mit einer Zeckenzange oder Zeckenpinzette (die Geräte kosten knapp 5 € in der Apotheke) heraus. Es gibt auch scheckkartenähnliche Zeckenentferner (für 2 bis 3 €), doch die funktionieren, wie viele sagen, weniger gut, weil sie in vielen Fällen nicht flach genug seien. Eine örtliche Apothekerin meint, am besten sei die Operation per Stecknadelkopf. Doch das sollten nur Profis wagen. Und wer möchte schon Zeckenprofi werden?