Darsteller des Mülheimer Seniorentheaters und des Kölner Atonal Theaters zeigen Elfriede Jelineks Bühnenstück in einer Neuinszenierung im Theater am Raffelberg.
Es gehört zum Selbstverständnis des Theaters an der Ruhr, das Inszenierungen über Jahre im Repertoire bleiben, sich verändern und wachsen. Das gilt im besonderen Maße auch für die „Winterreise“ von Elfriede Jelinek, die der Kölner Regisseur Jörg Fürst zum Start der Volxbühne inszenierte, wie das Seniorentheater Spätlese seit der Rettung durch das Theater an der Ruhr heißt. Der hundertseitige Text, der, wie bei der Nobelpreisträgerin üblich, ohne Szenen und Rollenzuschreibungen auskommt, ist schon für professionelle Theaterleute ein Brocken, an dem sie leicht scheitern könnten. Aber die Senioren meisterten den Abend mit Bravour. Doch der gut 50-minütige Abend war nur die erste Stufe, eine Vorstufe zu dem, was dann Anfang Januar in Köln Premiere feierte und vom Kölner Stadtanzeiger gelobt wurde und zwölf Mal hinter einander zu ausverkauften Vorführungen führte.
Dass der Abend mit 95 Minuten inzwischen fast doppelt so lange ist wie die ursprüngliche Version, ist nur ein erster äußerlicher Unterschied. Es gab auch Umbesetzungen - gewollte und unfreiwillige durch Krankheit und Tod, womit man bei Menschen von Mitte 80 leider rechnen muss. Aber Fürst hat den neun „Experten des Alters“, wie er die Schauspieler der Volxbühne nennt, die zwischen 65 und 82 Jahre alt sind, drei Profis zur Seite gestellt, die zwischen 30 und 45 Jahre alt sind, mit denen er sonst in seinem Kölner Theater A.Tonal arbeitet.
Neue Dimensionen
Im ersten Zugriff konzentrierte sich Fürst auf die Texte, in denen sich Jelinek mit dem Alter, der Vergänglichkeit und der Demenz ihres Vaters beschäftigte. Die Akteure verliehen dem Text dabei eine besondere Authentizität. Andere Teile, in denen die 68-Jährige sich mit den politisch-zeitgeschichtlichen Dingen wie dem Fall Kampusch und der Banken-Hochzeit beschäftigt, sparte Fürst zunächst aus, lässt sie nun aber von den drei Profis spielen. Es wird aber kein bloßes Nebeneinander geben, sie spielen auch zusammen und die gemeinsamen Proben hat Fürst als für beide Seiten fruchtbar erlebt. Das chorische Sprechen gelinge den Senioren noch besser als zuvor und auch die Profis hätten profitiert.
Aber auch ästhetisch gewinnt die Inszenierung neue Dimensionen. Video, Beleuchtung und Musik haben tragende Funktionen, dafür konnte Fürst den Videodesigner Valerij Lisac gewinnen. Die Kampusch-Szene beschreibt Fürst als Installation. Und als Soundtrack erklingen unter anderem Blixa Bargeld aber auch Live-Musik, die Fürst selbst am Keyboard erzeugt. An der Spielstätte an der Adolfstraße ließe sich eine solche Inszenierung nicht realisieren, sagt er. Der Stadtanzeiger schrieb: „Ein herausragender Abend, verpassen Sie ihn bloß nicht.“ Deshalb wollte das Theater an der Ruhr dieses Erlebnis dem Mülheimer Publikum nicht vorenthalten.
So ist zunächst eine einmalige Aufführung am 9. April um 19.30 Uhr im Theater am Raffelberg zu sehen. Karten kosten 15 Euro, ermäßigt 8 Euro. An der Finanzierung weiterer Aufführung arbeitet das Theater.