Weltweit leiden 47 Millionen Menschen an Demenz. Jedes Jahr kommen rund acht Millionen Neuerkrankte hinzu. Darauf wies die Welt-Gesundheitsorganisation WHO in Genf jetzt angesichts ihres Demenz-Kongresses hin. In Deutschland geht man derzeit von 1,4 Millionen Demenzkranken aus.
Auf der Basis von Zahlen der Deutschen Alzheimergesellschaft schätzt man die Zahl der an Demenz erkrankten Mülheimer beim Gesundheitsamt auf rund 3800. Nach Angaben des für die Region westliches Ruhrgebiet zuständigen Servicecenters Demenz muss man für Mülheim von rund 760 Neuerkrankungen pro Jahr ausgehen.
Fest steht: Schon heute ist fast jeder dritte Mülheimer über 60 Jahre alt und mit dem Alter steigt auch das Risiko einer demenziellen Veränderung. Folgt man der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, so sind bei den 80- bis 85-Jährigen 15,6 Prozent, bei den 85- bis 90-Jährigen 26,1 und bei den über-90-Jährigen 40,95 Prozent von Demenz betroffen.
Wie geht unsere vergleichsweise alte und weiter alternde Stadtgesellschaft mit dem Thema Demenz um? „Das Wichtigste, was wir schaffen müssen, ist, angstfrei mit Demenz umzugehen und die Krankheit, die bisher nicht heilbar ist, als ein Stück sozialer Normalität zu akzeptieren“, sagt Peter Behmenburg. Er engagiert sich im Vorstand der örtlichen Alzheimer-Gesellschaft und arbeitet hauptberuflich in der ambulanten Kranken- und Altenpflege.
Aus der Praxis weiß er, dass mehr als 70 Prozent der Demenzkranken zu Hause von Angehörigen gepflegt werden. „Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Hilfsangeboten, aber die Angehörigen müssen sie sich auch wahrnehmen“, betont Behmenburg. Wo und wie man sich als Angehöriger Hilfe holen kann, erfährt man zum Beispiel auf der Internetseite und am Beratungstelefon der örtlichen Alzheimer-Gesellschaft, (siehe Kasten). Bisher haben sich dort 100 Mülheimer zusammengeschlossen, die beruflich oder aus persönlicher Betroffenheit mit dem Thema zu tun haben.
Das Spektrum der lokalen Hilfsangebote reicht von der professionellen Alltagsbegleitung über die Tages- und Verhinderungspflege durch ambulante Pflegedienste und Altenheime bis hin zu selbstständigen Alltagsbegleitern. Hinzu kommen Gesprächskreise, Selbsthilfegruppen, Pflegekurse und Freizeitangebote, die alle das Ziel verfolgen, Demenz-Kranke und ihre Angehörigen zu stärken, zu informieren und aus ihrer sozialen Isolation herauszuholen.
Dass es in Mülheim inzwischen 35 ausgebildete und selbstständig arbeitende Alltagsbegleiter gibt, die sich auf die Betreuung von Demenzkranken spezialisiert haben, sieht Behmenburg als ein gutes Zeichen dafür, dass der Bedarf an ambulanter Versorgung und Hilfe für Demenzkranke und ihre Angehörigen erkannt worden ist.
Dienstleister lassen sich schulen
Auch Dienstleister, wie zum Beispiel Supermärkte, Taxi-Unternehmen und die Sparkasse greifen inzwischen auf Behmenburgs Fachwissen zurück, um ihre Mitarbeiter für den Umgang mit demenziell veränderten Kunden zu trainieren und zu sensibilisieren. Auch von Wohnungsgesellschaften und Hausärzten werden Behmenburg und seine fachkundigen Mitstreiter aus der örtlichen Alzheimer-Gesellschaft eingeladen, um über das Thema Demenz zu informieren.
Behmenburg lobt ausdrücklich das zum Jahresbeginn in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz der Bundesregierung, das die finanziellen Hilfen für pflegende Angehörige auch auf den reinen Betreuungsbereich erweitert. Vorausgesetzt, der demenzerkrankte Angehörige hat die Pflegestufe 0, können pflegende Angehörige bei ihrer Krankenkasse monatlich 120 Euro Pflegegeld oder 240 Euro Pflegesachleistungen und 240 Euro für Tagespflege beantragen. Hinzu kommen noch einmal bis zu 1660 Euro, die pro Jahr für Verhinderungspflege abgerufen werden können.
Nachholbedarf sieht Behmenburg derzeit noch bei der Pflege demenzkranker Patienten in den Krankenhäusern und ihren psychiatrischen Abteilungen. Notwendig wären dort aus seiner Sicht eigene Abteilungen, in denen Demenzkranke, ihrem Krankheitsbild entsprechend, von ausgebildeten Fachkräften sensibel behandelt würden und alle Facharztuntersuchungen durchlaufen könnten, ohne die Abteilung wechseln zu müssen. Auch hier sucht er das Gespräch.