Mülheim. . Die Mülheimer Schlaraffen sind ein ungewöhnlicher Männerbund.
Es begab sich am Abend des 13. im Lenzmond 156 (13. März 2015), dass sich 23 gestandene Männer des „Reyches Schlaraffia Möllmia“ auf ihrer Burg Nibelheim an der Friedrichstraße trafen, um zum 2088. Mal zu sippen. In ihren Sippungen (Treffen), die in der „Winterung“ vom 1. Oktober bis 30. April jeden Freitag stattfinden, beginnt für die „Schlaraffen“ oder „Sassen“ des Männerbundes ein humorvolles Spiel: Sie schlüpfen in ihre mit Orden- und Abzeichen übersäten Stoffmäntel (Rüstungen), setzen ihre „Helme“ auf und lassen ihre bürgerliche Identität hinter sich.
Sie huldigen dem Uhu, ihrem Wappenvogel, tragen stolz ihre fantasievollen Namen und werden zu Rittern oder Junkern. Man redet sich in der zweiten Person Plural mit „Ihr“ an. Mit einem herzlichen „Lulu“ begrüßt sich die fröhliche Runde – das Zeremoniell kann beginnen. Mit Holzschwertern bewaffnet heißen sie im Spalier zuerst ihre Oberschlaraffen willkommen, die auf dem „Thron“ Platz nehmen. Dann reihen sich unter Schwerterschlagen die Gäste, Ritter aus benachbarten Reychen, ein. Die Sippung wird mit Gongschlag, dem „Tamtam“, eröffnet.
Mittelalterlich anmutenden Redewendungen
„Wie in jeden normalen Verein erledigen wir im ersten Teil unserer Sippung Formalien“, erklärt Kantzler Ritter Pica-Pau lächelnd. Danach folgt die „Atzungspause“. Einige „reyten“ im Anschluss mit selbst gemachten „Fechsungen“ (Beiträgen) oder Vorträgen anderer Autoren ihr „Steckenpferd“. Das können Gedichte, lustige Texte oder Musikbeiträge sein. An diesem Abend hören die Sassen philosophische Weisheiten und einen skurrilen Vortrag zur männlichen Logik bei der Auswahl des Pissoirs.
Jeder Beitrag wird lautstark von der Runde mit „Lulu“ honoriert. Zu Dank überreicht der Oberschlaraffe feierlich einen „Ahnen“, einen Blechorden. Durch Lieder, Ritter Musifex begleitet seine Freunde dazu am „Clavicimbel“, wird das Protokoll aufgelockert.
Die eigene Begrifflichkeit, die mittelalterlich anmutenden Redewendungen und das Zeremoniell wirken auf Außenstehende zunächst befremdlich. Das humorvolle Miteinander, die Freude der Mitspieler steckt Gäste schnell an. Hier wird nichts zu ernst genommen, hier sind normale Regeln außer Kraft gesetzt. „Wir verfolgen die Grundsätze Kunst, Humor und Freundschaft“, erklärt „Ritter Frei Tax der Marathonn mit Ach und Krach“, im profanen Leben Steuerberater Georg Berger. Verpönt sind die Themen Politik und Religion. Ritter Prontofex, Oberschlaraffe des Innern und seit 18 Jahren dabei, erinnert sich, wie ihn ein Freund einlud. „Das ist ein komischer Verein, das würde dir gefallen, die spielen mit Sprache.“
Die erste Sippung sei ein Schockerlebnis gewesen, lacht der Oberschlaraffe. Bedauert hat er es nie.
Viele Urschlaraffen waren Freigeister
Die Vereinsgründung fand in Prag am 10. Oktober 1859 statt, als deutschsprachige Musiker, Schauspieler und Literaten den Verein Schlaraffia gründeten, der die Obrigkeit auf humorvolle Weise persiflierte. Ihre eigene Zeitrechnung „anno Uhui“ beginnt mit dem Datum der Vereinsgründung. „Angeblich hat in dem Lokal ein ausgestopfter Uhu gestanden“, erklärt Ritter „Quint-Harmonicus der irdische“, so wurde der Vogel zum Wappentier gekrönt. Wichtig sei eine profane Symbolfigur gewesen. „Viele Urschlaraffen waren Freigeister, ein gemischtes Völkchen eben“, ergänzt Ritter „Musifex der UHUversale“.
Die Schlaraffia hat weltweit mehr als 10 000 Mitglieder in 300 Reychen und 18 Ländern. Der deutschsprachige Verein funktioniert vor allen daher, weil überall gleiche Regeln gelten und allen Sassen Freundschaft entgegen gebracht wird. Das Reych Schlaraffia Möllmia, das als 253. Reych weltweit im Jahre anno Uhui (a. U.) 65, also im Jahr 1924, gegründet wurde, ist entstanden aus dem Mutterreych Dusseldorpia. Als Mitglieder werden gestandene Männer gesucht, die Humor und Lust an sprachlicher Kreativität haben. Wer neugierig geworden ist, kann sich informieren unter www.moellmia.de oder eine E-mail schreiben an Kantzler@moellmia.de.