Holthausen. .
Ein selbstständiges Leben führen und trotzdem die Vorzüge einer Gemeinschaft erleben – mit diesem Anspruch war der Verein „Gemeinschaftlich Wohnen und Leben im Alter“ bereits 1996 angetreten. Es sollten noch einige Jahre ins Land gehen, bis die Ideengeber zum ersten Mal ihren Fuß in ihr neues Zuhause im Senioren-Wohnprojekt auf dem ehemaligen Kasernen-Gelände setzen konnten. Nun blicken die Vereinsmitglieder bereits auf mehr als zehn Jahre des gemeinschaftlichen Wohnens an der Liverpoolstraße 33 zurück. Die Idee aus Mülheim galt bei ihrer Umsetzung im Jahr 2004 als Leuchtturmprojekt in NRW und wurde vom Land mit 500 000 DM gefördert. Aktuell aber sehen sich die derzeit 52 Bewohner der 44 Wohnungen vor mögliche Veränderungen gestellt, die ihr Konzept ins Wanken bringen könnten.
Hintergrund ist die Fusion des Wohnungsunternehmens Gagfah, dem bislang 33 Wohnungen in dem Komplex gehören, mit dem Immobilienkonzern „Deutsche Annington“, Deutschlands größtem Vermieter. Bei Mietern und Kommunalpolitikern ist die Deutsche Annington seit langem in der Kritik; dem Unternehmen werden zögerliche Instandhaltungen und teure Modernisierungen vorgeworfen.
Die Hausgemeinschaft der Liverpoolstraße 33 fragt sich nun: Wie kann die Idee des Senioren-Wohnprojekts auch in Zukunft erhalten und finanziert werden? „Als wir angefangen haben, war die Gagfah noch gemeinnützig orientiert“, blickt Helga Spindeck zurück und fügt hinzu: „Jetzt gehört das Unternehmen einer amerikanische Investmentgesellschaft.“ Die 89-Jährige gehört zu den Gründungsmitgliedern des Vereins, hat das Wohnprojekt maßgeblich mitaufgebaut und ist eine von drei Bewohnerinnen, die von Anfang an in dem Haus an der Liverpoolstraße wohnen.
Die Gagfah wolle ihre Wohneinheiten nun verkaufen und habe allen Mietern ein Kaufangebot gemacht. „Doch die allermeisten Bewohner werden das Angebot nicht annehmen können – aus finanziellen Gründen“, weiß Marlies Schnabel, die zweite Vorsitzende des Vereins. Aufgrund der unsicheren Lage haben sich die Mitglieder nach Unterstützung, etwa beim Mieterschutzbund, umgesehen. Auch mögliche Interessenten, die die Wohnanlage anstelle der Gagfah übernehmen könnten, haben sie angesprochen. Doch bislang ohne Erfolg: „Die MWB hat kein Interesse an uns, weil es bei uns sowohl Miet- als auch Eigentumswohnungen gibt.“ Und von der SWB stünde die Antwort noch aus, berichtet die Vereinsvorsitzende Doris Schäfer.
Die Bewohner der Liverpoolstraße 33 wollen ihr Zuhause auf keinen Fall missen. „Mancher von uns“, ist Helga Spindeck sich sicher, „hätte ansonsten sicher schon längst in ein Heim gemusst.“ So aber leben sie selbstbestimmt in ihren Wohnungen und kommen im Gemeinschaftsraum zusammen, wenn ihnen der Sinn danach steht. Mittwochs treffen sie sich zur Gesprächsrunde, es gibt einen Singkreis, einmal in der Woche ein gemeinsames Frühstück und, und, und. All das sehen sie bedroht, sollte sich durch den Wohnungsverkauf durch die Gagfah etwas ändern. Bei dem Wohnungsunternehmen heißt es auf Anfrage dieser Zeitung: „Sorgen muss sich niemand machen.“ Gagfah-Pressesprecherin Bettina Benner beruft sich auf die so genannte Sozialcharta des Unternehmens, in der ein erweiterter Kündigungsschutz festgelegt sowie Höchstgrenzen für Mieterhöhungen und der Ausschluss von Luxusmodernisierungen geregelt seien.
In dieser Woche will eine Gagfah-Mitarbeiterin den Bewohnern der Liverpoolstraße 33 vor Ort Rede und Antwort stehen. Helga Spindeck und ihre Mitstreiter wollen alles daran setzen, ihr Projekt so weiterzuführen, wie es von Anfang an gedacht war: „Unser Ziel war und ist es, dass jeder Bewohner hier solange wie nur möglich in den eigenen vier Wänden selbstbestimmt leben und alt werden kann.“