Mülheim an der Ruhr. . In die Hände spucken und sich Herausforderungen stellen: Das macht Sylvia Waage, Leiterin des Amts für Grünflächenmanagement und Friedhofswesen, aus.
Der Pfingststurm Ela war von der ersten Sekunde an ein Thema für Sylvia Waage. Schon als er wütete, war die 51-Jährige mittendrin und beruhigte in ihrem nah am Witthausbusch gelegenen Haus den neuen Welpen – und den Ehemann. Dabei kippten rund ums Gebäude die Bäume und staute sich das Wasser vor der Tür 50 cm hoch. Als sich das Biest verzogen hatte, war Sylvia Waage noch immer mittendrin: Das Telefon klingelte nachts in einem fort. Sie möge am Morgen doch möglichst rasch zur Krisensitzung erscheinen, hieß es. Und ob sie nicht mal eben ein paar Männer mit kräftigen Sägen organisieren könne. . .
Auch wenn die Leiterin des Amts für Grünflächenmanagement und Friedhofswesen „noch nie so einen mächtigen Sturm erlebt“ hatte und „schlicht sprachlos“ war angesichts seiner Zerstörungen, war ihr alsbald klar: „Wir können nicht nur dastehen und die Hände überm Kopf zusammenschlagen – wir müssen versuchen, klar zu denken und zurückzufinden ins Alltagsgeschäft.“
Ela spukte auch durch ihre Träume
Genau so patent wie das klingt, machte sich Waage nach dem ersten Schrecken auch ans Werk. Unterkriegen lassen wollte sie sich nicht, schon gar nicht von den Ela-Träumen des Nachts. Zum Glück zog das Team von Anfang an mit. Dessen Engagement hebt sie gern hervor: „Ohne all diese Menschen, die mit Herzblut dabei waren, ohne die Mitarbeiter der Baum-Fach-Firmen, ohne die Feuerwehrleute aus dem ganzen Land, wäre der Schaden niemals zu bewältigen gewesen.“ Die brutal anstrengenden Wochen machten sich bezahlt: „Es gab viel Anerkennung aus Politik und Bürgerschaft“; über das Dankeschön freut Waage sich noch heute.
Ela war eine Herausforderung, aber es war nicht die einzige, der sich Waage stellen musste: Ihr Leben nahm seinen Anfang 1963 in Halle/Saale, inmitten der DDR. Das ging auch lange Zeit gut. Sylvia Waage war eine Schülerin, der das Lernen leicht fiel, die Abitur machte und sich an der Uni Halle/Wittenberg zur Agraringenieurin für Pflanzenzüchtung und Saatgutproduktion ausbilden ließ.
Ans Studium, die Abende im Studentenclub, erinnert sie sich liebend gern
Ans Studium, die Abende im Studentenclub, erinnert sie sich liebend gern. Zudem an die Zeit, in der sie für einen DDR-Zuchtbetrieb Fachbeiträge aus Holland übersetzen musste. Die Sprache beherrschte sie nicht, „und doch gelang das irgendwie“. Es begründete eine fortwährende Liebe zu den Niederlanden. „Die hatten einfach alles, was bei uns Mangelware war: Blumen, Obst, Gemüse. Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich da hingegangen.“
Noch konnte sie nicht, doch es gab im DDR-System auch Enttäuschungen, außerdem einen Vater, „der schon immer in den Westen wollte“. 1988, als der Mutter und ihr gestattet wurde, zum runden Geburtstag eines Mülheimer Onkels zu fahren, entschied sie mutig, auf den Vater zu hören, der ihr ein „Und wehe, du kommst wieder“ mit auf den Weg gegeben hatte. „Ich wollte endlich frei leben können.“ Sie blieb in Mülheim, „trotz der Ängste, die Familie nie wieder sehen zu können“. Auch der Rat eines Bekannten half – „er ist heute mein Mann“.
Stellenabbau war schmerzhaft
Eine der schwierigsten Aufgaben in ihrem Berufsleben, sagt Sylvia Waage, war es, 20 Mitarbeitern klarzumachen, dass ihre Stellen dauerhaft wegfallen. Obwohl für alle gute Lösungen gefunden worden seien, „hat das natürlich trotzdem geschmerzt“.
Heute zählen 105 Stellen zum Amt für Grünflächenmanagement und Friedhofswesen.
Waage fand rasch einen Job, bei der noch jungen Müga GmbH. Ihr Fachwissen war willkommen, und führte sie in den folgenden Jahren immer weiter in Richtung Chefsessel. Die Herausforderungen ihres Amtes, so sagt sie, liegen weniger in so krassen Ereignissen wie Ela, als vielmehr im von Schulden bestimmten Alltagsgeschäft: „Wir würden oft gern viel mehr umsetzen, als die Mittel es zulassen.“ Schwierig sei es manchmal auch, beim Bürger Akzeptanz zu finden für Entscheidungen. Die Müga etwa wurde kritisch betrachtet, „ähnlich ist es heute mit Baumfällungen“. Dabei gebe es einfach Gesetze, die beachtet werden müssen. Sie hoffe auf mehr Vertrauen, denn eines sei klar: Auch sie möchte nicht einen Baum mehr verlieren als nötig.