Mülheim. Pietro Bazzoli ist seit 1998 Betriebsratsvorsitzender bei Siemens in Mülheim. Er bleibt auch heute, da es die zweite große Krise zu bewältigen gibt, besonnen.

Die Prägung war früh da, die Skepsis einiger Kollegen hat Pietro Bazzoli aber doch zu spüren bekommen, als er 1998 zum Vorsitzenden des örtlichen Siemens-Betriebsrates aufstieg. Mit gerade einmal 29 Jahren. Heute ist Bazzoli 45 – und allseits geschätzter Fürsprecher für 4800 Mitarbeiter am Standort. Heute wie damals: Bazzoli hat wieder einmal dicke Brocken vor der Brust: Siemens will Stellen streichen, der Konzernumbau macht Sorgen.

Und doch: Bazzoli ist auch an diesem Morgen in seinem Betriebsratsbüro die Ruhe selbst. Er kocht dem Gast einen Crema aus der neuen Maschine, nimmt sich Zeit für ein Gespräch. In Hektik, glaubt man, kann dieser Mann gar nicht fallen. Ganz geerdet kommt er daher, ausgeglichen, Herr seiner selbst. Pietro Bazzoli fasst zu Beginn des Gesprächs die Hände hinter dem Kopf zusammen.

Trauer um früh verstorbene Eltern

Er ist Familienmensch. Wohnt mit vier Frauen, darunter seine drei Töchter (10, 13, 16), in Saarn. Den 22. Hochzeitstag hat er unlängst gefeiert. „Ich bin ein beständiger Mensch“, sagt er. „Nicht gerade ein Hallodri.“ Familie – das ist für Bazzoli das Positive, die Konstante des Lebens. „Es hat sehr weh getan, dass meine Eltern schon früh, 2004 und 2006, verstorben sind.“

Die Eltern waren prägend. Die Mutter ein Flüchtlingskind aus dem ostpreußischen Königsberg, der Vater ein gebürtiger Römer, der mit dem Opa zum Aufbau von Raffinerien zunächst nach Lingen ins Emsland kam, um dort als Schweißer arbeiten. Hier die ostpreußische Strenge, diszipliniert. Dort römischer Stolz, katholischer Glaube und südländische Lebensphilosophie. Bazzoli ist froh, „beide Kulturen genossen zu haben“.

Unter Bazzoli wurden 400 Stellen gerettet

Der Vater, auch bei Siemens beschäftigt, war es, der früh äußerte, dass für den Sohnemann doch die Betriebsratsarbeit reizvoll sein könnte. Er selbst sei jemand gewesen, der „sich für Gerechtigkeit immer eingemischt hat“. 1985 begann Bazzoli seine Ausbildung zum Maschinenschlosser bei der damaligen Kraftwerk Union AG. Ein Jahr später war er schon in der Jugendvertretung aktiv, seither ist Bazzoli beständig für Mitarbeiterinteressen unterwegs. Bei der Arbeit Ende der 80er-Jahre für die Gesamtjugendvertretung der AG hat er Siemens in seiner ganzen Breite kennen gelernt, „ich hatte da schon mit Arbeitsdirektoren zu tun, das hat mich in jungen Jahren geprägt.“

1994 Betriebsrat, seit 1998 dessen Vorsitzender. Sofort musste Bazzoli ins kalte Wasser springen. Siemens wollte die Generatoren-Fertigung verlagern, 850 Stellen abbauen. „Wir haben es geschafft, dass die Verlagerungspläne zurückgenommen wurden und der Personalabbau mit 450 Jobs geringer ausfiel“, erinnert er sich.

Bazzoli kann auch anders

Aktuell sollen 299 Stellen in Mülheim wegfallen, der angekündigte Konzernumbau könnte noch manch eine Schreckensbotschaft nach Mülheim tragen. Familienmensch Bazzoli lässt das nicht kalt, Siemens sieht er auch als Familie, für deren Zusammenhalt es immer wieder, freilich sachlich, zu streiten gilt. Mitmachen und andere fürs Mitmachen begeistern. Gestalten. Das sind dabei Antriebsfedern. „Ich habe früh erkannt, dass es Menschen gibt, die Hilfe brauchen“, sagt der 45-Jährige.

Wenn’s zur Sache geht, kann er auch mal anders. Da kommt die preußische Disziplin der Mutter durch: Bazzoli mag das strukturierte Vorgehen, nicht den letzten Drücker, er hat hohe Ansprüche an sich, auch an Mitstreiter. Vielleicht war es denn auch gut so, dass es zuletzt nicht mit der Bundestagskandidatur für seine SPD geklappt hat. Sicher: Bazzoli wäre ein Kandidat für Arbeitnehmer-Herzen. „Aber ob ich damit glücklich geworden wäre, wenn ich aus Mülheim herausgerissen worden wäre?“ Da denkt Bazzoli lieber an ein Comeback als Altherrenfußballer beim SV Raadt. Er lacht. „Wenn ich die Jungs damit nicht verschrecke. . .“