Mülheim. Die Sonderbar an der Kaiserstraße hat wieder aufgemacht und präsentiert Gutes zu erschwinglichen Preisen. Für die Mitarbeiter des Diakoniewerkes Arbeit & Kultur ist das Upcycling eine große Motivation und Selbstbestätigung. Ein Laden, den man gesehen haben muss
Es ist eine Neueröffnung der besonderen Art. Schon das leuchtende Holzschild vor der Tür der Kaiserstraße 9 signalisiert, dass hier Hochwertiges, aber auch Skurriles zu erwarten ist. Was in den Schaufenstern präsentiert wird, bewegt sich zwischen Retroschick und modernem Design. An ein soziales Projekt denkt man jedoch am wenigsten. Aber genau das ist es. Die Sonderbar des Diakoniewerks Arbeit & Kultur besteht zwar schon seit acht Jahren, präsentiert sich aber seit gestern nach dem Umbau und der Behebung eines Wasserrohrbruchs auf deutlich erweitertem Raum mit neuem Konzept.
Wer Ausschau nach Wahlscheibentelefonen, Nierentischen, Vinylscheiben oder schrillen Einrichtungsgegenständen aus Großmutters Zeiten hält, für den war die Sonderbar schon immer eine Fundgrube, in der so manches Schnäppchen zu machen ist. Angeboten werden hier die zum leuchten gebrachten Juwelen aus den Haushaltsauflösungen des Diakoniewerkes, die sonst am Standort an der Georgstraße untergehen würden.
Ideen muss man haben
Neu ist aber das Konzept für Upcycling. Mehr aus Abfall machen. Aus der Abfallbranche kennt man seit Jahrzehnten das Gegenteil. Aus ehemals hochwertigen minderwertige Dinge machen. Das liegt in Großstädten schon seit Jahren im Trend. „Wir müssen Abfall als Rohstoff begreifen“, erzählte Dominik Schreyer, der Sohn von Ulrich Schreyer, dem Leiter des Diakoniewerkes. Von dem 33-Jährigen, der Soziale Arbeit studiert, gingen wesentliche Impulse für die Sonderbar aus. Paletten müssen nicht auf den Sperrmüll, man kann aus ihnen Regale, Tische und vieles mehr machen.
Geistiger Pate einer solchen Sicht ist der holländische Designer Piet Hein Eek, der es mit seinen außergewöhnlichen Patchwork-Möbeln neben Läden in den Großstädten bis hin zum New Yorker Museum of Modern Art gebracht hat.
Die Sonderbar ist unter vielen Gesichtspunkten interessant. Es geht hier nicht nur um gutes Design, sondern um vieles mehr. So hat Ulrich Schreyer die Hoffnung, durch den Verkauf in der Sonderbar den Wegfall von Förderprogrammen zumindest teilweise auszugleichen.
Unikate erstellt
Wichtiger noch: Dinge zu entwerfen, auszuprobieren und schließlich für den Verkauf zu bauen, ist für die Mitarbeiter des Diakoniewerks extrem motivierend und stärkt das Selbstbewusstsein derjenigen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt chancenlos sind. „Man kann sehen, wie das Kreise zieht und andere Mitarbeiter selbst auf Ideen kommen“, hat Betriebsleiter Michael Farrenberg beobachtet. So hat eine Mitarbeiterin im heimischen Backofen Schallplatten erhitzt und daraus Schüsseln mit gewellten Rand geformt. Die Unikate sind für 9 Euro erhältlich. Wichtige Impulse kommen aus der Schreinerei, aber inzwischen auch aus der Elektroabteilung. Es hängt immer davon ab, was die Mitarbeiter in der Schreinerei leisten können und welche Werkzeuge sie nutzen können.
Aus einem Globus lassen sich auch problemlos zwei Lampenschirme machen. Auch ein Salatseiher aus Edelstahl gibt einen originellen Lampenschirm ab, ebenso wie ein Knäuel aus Kleiderbügeln. Und an ausgedienten Zündkerzen lassen sich an einem Brett Schlüssel montieren.
Mit liebe zum Detail
Dem Kunden erschließen sich viele witzige Details erst auf den zweiten Blick. Alte Skier dienen als Sitzbank und seitdem man im Internet mit wenigen Klicks alle Detailfragen klären kann, ist der dicke Brockhaus im heimischen Bücheregal überflüssig geworden. Eingespannt zwischen dicken Bohlen vom Gerüstbau lässt sich auf den dicken Schinken prima sitzen. Und dann gibt es im Obergeschoss noch eine Fülle ausrangierter Langspielplatten und CDs aus allen Stilrichtungen. Auch das eine Fundgrube.
Gestaltet haben den Laden auch die Mitarbeiter des Diakoniewerkes. Größer und heller ist er geworden. Mit dem originellen Fußboden, dem Beleuchtungskonzept und den Möbeln ist die Sonderbar in jeder Hinsicht eine Bereicherung. „Wir haben eine Zwischendecke rausgehauen“, erzählt Farrenberg. Das waren zwar nur einige Zentimeter, die Wirkung ist aber ungleich größer. Und das benachbarte Ladenlokal, das seit langer Zeit leer steht, übernahm die Sonderbar gleich mit. So vergrößerte sich die Verkaufsfläche von 140 auf 180 Quadratmeter.