Mülheim an der Ruhr.. Wann kann man die Balance nicht mehr halten? Wann macht man beim Tanz am Abgrund den einen falschen Schitt? Diesen Fragen spürt der Künstler Laurentz Thurn nach. Derzeit zeigt er einige seiner Gemälde in der Galerie Ricarda Fox in Mülheim.
Laurentz Thurn hat den Moment, in dem er plötzlich über das Geschehen hinaus sah, auf Video festgehalten. Ein paar versprengte Gestalten tanzen da vor einer erleuchteten Konzert-Bühne, und im Zentrum des überalterten Publikums steht ein buckliger Mann mit riesigem Cowboy-Hut, der die dürren, gichtigen Glieder schüttelt, als gebe es kein Morgen. Und die Band singt dazu „You’re all gonna die“ (Ihr werdet alle sterben). Es ist der Tanz am Abgrund, der den Künstler interessiert, die Spannung zwischen zwei Polen, in der sich jeder alltäglich bewegt und versucht, das Gleichgewicht zu wahren. „Balance Zwei“ ist die Ausstellung dann auch betitelt, die am heutigen Samstag in der Galerie Ricarda Fox eröffnet wird.
Doch es ist nicht das Gleichgewicht, das Laurentz Thurn interessiert, sondern die Frage nach dessen Verlust: Wann kippt es? Wann kann man die Balance nicht mehr halten – zwischen Jugend und Alter, Leben und Tod, Mut und Angst, erfundener Kultur und amerikanischer Realität. Letztlich steht im Zentrum seiner Malerei immer auch die Frage nach der eigenen Identität.
Bereits 2012 war eine erste Balance-Ausstellung bei Ricarda Fox zu sehen
Bereits im Jahr 2012 war eine erste Balance-Ausstellung in Ricarda Fox’ Galerie zu sehen. Damals beobachtete Laurentz Thurn, wie ein Vater und sein Sohn in einem Badesee auf einem Balkenkreuz das Gleichgewicht zu halten suchten. Das tatsächliche Austarieren der beiden ließ ihn über Vater-Sohn-Beziehungen nachdenken und diese in für ihn ungewöhnlichem grellen Grün umsetzen.
Die Grundidee dessen führt er nun (inspiriert durch die Tanz-Szene, die er im amerikanischen Senioren-Staat Florida erlebte) in einer für ihn typischeren Szenerie fort und versucht, „sie mehr auf den Punkt zu bringen“. Laurentz Thurn holt die Frage nach dem ausgleichenden Element auf die Straße und nutzt dazu seine bewährte Farbgestaltung basierend auf Orange, Rot und Blau. Diese bringt er mit starkem Gestus plakativ auf die Leinwand, portraitiert Menschen, Typen, gibt ihnen Individualität und Attitüde, ohne deren Gesichter detailliert auszuarbeiten.
Ausstellungseröffnung an der Liverpoolstraße
„Balance Zwei – You’re all gonna die“ ist die Ausstellung überschrieben, die am heutigen Samstag, 15. November, 15 bis 18 Uhr, in der Galerie Ricarda Fox eröffnet wird. Die Vernissage an der Liverpoolstraße 15 wird von Markus Emanuel Zaja auf der Klarinette musikalisch gestaltet.
„Schräge Bilder aus New York“ lautet der Untertitel der Schau, der, wie Ricarda Fox erklärt, doppeldeutig ist: „Seinem Stil des gemalten Filmstils treu, nimmt er seine Motive in der Bewegung von der Straße“ und malt sie „in authentischer Farb- und Formensprache – doch diagonal verlaufende Horizontlinien beringen das Bildgefüge diesmal aus der Balance“.
Es sind verschiedene Aspekte, die er unter einem Titel zusammenbringt. Doch Kunst, das betont Laurentz Thurn, muss für ihn nicht leicht konsumierbar sein. Er setzt seine dem Betrachter vor und wartet dann auf dessen Reaktion. „Das einzelne Bild“, sagt er, „interessiert mich nicht. Mich interessiert das, was die Leute dahinter sehen.“ So wie er mehr sah, als nur einen tanzenden Alten mit Cowboy-Hut.