Moers. Der originale Stoff von Bernard Shaw ist aktueller denn je. Spielt soziale Herkunft für den Aufstieg keine Rolle mehr? So sieht das STM die Lage.

Gibt es heute tatsächlich keine Klassengrenzen mehr? Kann jeder aufsteigen, wenn nur Leistung und Einsatz stimmen? Wer hart arbeitet, steigt auch bis ganz oben auf? Man mag sich über soziologische Konzepte und Begrifflichkeiten streiten, kann jedoch nicht darüber hinwegsehen, dass selbst in einem so fortschrittlichen Land wie unserem rund 20 Prozent der Kinder in Armut leben. Die haben es noch immer deutlich schwerer, Karriere zu machen. So ganz ausblenden lässt sich die soziale Herkunft eben doch nicht.

Blicken wir über den Tellerrand: Kann also aus einer einfachen und ziemlich mittellosen Blumenverkäuferin eine feine Dame werden? Rhetorische Frage, bei der zumindest der ältere Teil der Bevölkerung sofort eine Figur vor Augen hat: Eliza Doolittle, die Blumenverkäuferin aus My Fair Lady. Das Musical aus dem Jahr 1956 verbinden Zuschauerinnen und Zuschauer sicherlich vornehmlich mit der Liebesgeschichte von Eliza (Julie Andrews) und Professor Higgins (Rex Harrison). Aber das war gar nicht der eigentliche Ansatz von Bernard Shaw, der mit seinem Text Pygmalion die Grundlage für die Geschichte gelegt hat.

In Moers ist das Trio schon bekannt

Sandra Höhne, Dramaturgin am STM: „Shaw selbst war ein politischer Mensch.“ Mithin ging es nicht um die Romanze, sondern um Gesellschaftskritik. Die Geschichte sei heute aktueller denn je. Und so begibt es sich, dass der Stoff von Bernard Shaw nicht nur auf den Bühnen in München und Dresden gezeigt wird, sondern auch in Moers. Dazu hat sich Höhne ein Trio gesucht, dass in Moers gut bekannt ist, seit die „zwei Fleischereifachverkäuferinnen“ im STM die einen entzückt, die anderen verschreckt hat.

Damian Popp (Inszenierung), Tanja Maderer (Bühne, Kostüm, Video) und Jonas Schilling (Musik und Sounddesign) haben sich intensiv mit Shaws Text befasst, haben „gestruggelt“, wie Popp sagt, was wohl so viel bedeutet, dass die drei mit der Materie gekämpft haben, bis sich ihre eigene Lesart herauskristallisiert hat. „Von Liebe ist im Original keine Rede“, klärt auch Damian Popp auf. Shaws Text sei viel komplexer als das Musical. Es gilt also, sich vom rosa Plüsch aus den 1950ern zu lösen. Bei Popp & Co werden die Figuren überzeichnet. Ohne Brecheisen. Nahe am Text. Nahe an der Kritik.

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So wie Pygmalion am Schlosstheater aufgeführt wird, bildet es eine ganz eigene Ästhetik. Eine Überzeichnung in allen Bereichen. Die Bühne wird ausgefüllt von einem ganz in weiß gehaltenen Kanalsystem. Eliza Doolittles Zuhause. Auf dieses werden alle anderen Orte projiziert. Die großen, die schönen, die glanzvollen. Das Stück beleuchtet die sozialen Unterschiede, es befasst sich aber nicht damit, wie die Menschen sprechen, sondern wie mit ihnen umgegangen wird.

Das sind die Termine in Moers

Selbstverständlich wird nicht nur gesprochen, es wird auch gesungen. Die Texte sind eigens für die Inszenierung geschrieben, die Lieder komponiert. Musicalfans sollen ebenso auf ihre Kosten kommen wie Punks oder Opernliebhaber. Das klingt verheißungsvoll und deutet an, dass es eines sicherlich nicht wird: langweilig. Damian Popp: „Es wird auf jeden Fall wieder wild.“ (sovo)

Premiere ist am 3. Mai um 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen: 5., 10., 12., 25., 26. Mai, 2. Juni. Matinee: 28. April, 11.30 Uhr.