Moers. Treff bei der SPD Rheinkamp: Drei Frauen aus der Kommunal- und Landespolitik erörtern Sachzwänge. Was sich bei der Kinder-Betreuung ändern soll.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt vielerorts noch eine große Herausforderung dar. Der Fachkräftemangel und zu wenige Betreuungsangebote erschweren die Situation junger Eltern zusätzlich. Insbesondere berufstätige Mütter sind von der Problematik betroffen. Und dann noch als Frau in der Politik, einem mancherorts auf lokaler Ebene immer noch männerdominierten Sektor, aktiv sein? Funktioniert das? Wenn ja, wie? Wo besteht Verbesserungsbedarf?
Um derartige Fragen ging es in der Diskussionsveranstaltung „Frauen machen Politik. Frauen haben Familie“ der SPD Rheinkamp in der Werkstatt Meerbeck am vergangenen Samstag. Mit Christina Kampmann, Hanna Gewinner und Sabrina Mosebach standen drei Frauen zur Verfügung, um aus eigener Erfahrung zu berichten. Sonja Volkmann, stellvertretende Redaktionsleiterin der NRZ Moers, moderierte das Gespräch.
NRW-Landtagsabgeordnete berichtet in Moers von ihrem Pendleralltag
Christina Kampmann, Mutter von dreijährigen Zwillingen, war lange ehrenamtlich in der SPD tätig, seit 2013 Bundestagsabgeordnete und von 2015 bis 2017 Familienministerin des Landes NRW. 2019 kandidierte die Landtagsabgeordnete zusammen mit Michael Roth für den SPD-Vorsitz. Zwei bis dreimal wöchentlich pendelt die 43-jährige Politikerin zwischen Bielefeld und Düsseldorf. Wie das gehe? Sie habe Unterstützung durch ein Au-Pair, sagt Kampmann, sie wisse aber, dass das keine Option für jeden ist.
Kinder in Plenarsälen seien kein seltenes Bild mehr. Die ideale Lösung sieht die Abgeordnete darin jedoch nicht. Der Bundestag verfügt über eine eigene Kita. Eine Landtags-Kita würde Kampmann ebenfalls begrüßen. Eine weitere Hürde in der hauptberuflichen Politik: In den meisten Bundesländern existierten elternzeitähnliche Regelungen nicht. Unterstützung aus dem Familien- und Freundeskreis sei dadurch entscheidend.
Starker Rückhalt für Mütter im SPD-Ortsverband in Moers
Die Erfahrung, wie wichtig Unterstützung ist, haben auch Hanna Gewinner und Sabrina Mosebach in ihrer ehrenamtlichen politischen Tätigkeit gemacht. Beide sind als sachkundige Bürgerinnen im Rat der Stadt Moers. Hauptberuflich arbeitet Mosebach in Vollzeit in einer Grundschule, Gewinner ist Sozialarbeiterin. Quality-Time mit der Familie, Beruf und Ehrenamt – „Das in eine Waage zu bringen, ist schwer und braucht Zeit“, erklärt Mosebach. Die alleinerziehende Mutter zeigt sich dankbar für die Unterstützung durch den Vater ihres zehnjährigen Sohnes. Im Kollegium wie auch im Ortsverband der SPD herrsche zudem weitgehendes Verständnis, wenn ihr Sohn beispielsweise krank werde. „Das ermutigt einen, weiterzumachen“, erklärt Mosebach.
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Die beiden Kinder von Hanna Gewinner sind 13 und 16 Jahre alt und entsprechend selbstständiger. „Für meine Töchter gehört das zum Alltag, dass man sich politisch engagiert“, sagt die 42-Jährige. Trotzdem bedürfe es viel Organisation, um den Familienalltag mit dem Beruf und dem Ehrenamt in Einklang zu bringen. Ihr Mann und sie führen einen digitalen, geteilten Terminplaner. Dazu käme der Rückhalt im Ortsverband. Für Hanna Gewinner steht jetzt der nächste Schritt in der politischen Karriere an: Sie kandidiert für den Stadtverbandsvorsitz.
Flexiblere Betreuungsangebote sind nicht nur in Moers schwer umzusetzen
Wie es mit der Rücksicht in der Politik auf der Landesebene aussieht? Christina Kampmann hat den einen oder anderen blöden Spruch bereits mitanhören müssen. So habe ein Kollege über eine Landtagsabgeordnete gesagt, sie könne doch eine Woche nach der Entbindung „auch mal langsam wiederkommen“. Sie spricht auch von sozialem Druck. „Ich habe das Gefühl, dass das mehr gefeiert wird, wenn Männer zu Hause bleiben, wenn das Kind krank ist“, sagt sie. Grundsätzlich möchte sie sich für eine gleichberechtigte Debatte über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen.
Die realpolitischen Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation sind ebenfalls Thema der Diskussion. In der Reform des Elterngeldes, der Verringerung des Gender-Pay-Gaps sowie der Bearbeitung des Ehegattensplittings sieht die Landtagsabgeordnete nur einige von vielen Stellschrauben zur Förderung von mehr Gleichberechtigung.
Hybride Sitzungen sind für Hanna Gewinner und Sabrina Mosebach eine weitere Möglichkeit, um junge Eltern zu entlasten. Die Diskussionsteilnehmerinnen sehen zudem die Notwendigkeit, mehr und flexiblere Betreuungsangebote für Kinder zu schaffen. Es fallen Stichworte wie 24-Stunden-Kitas und Kitaplatzerweiterungen. Das hilft bei politischen Abend- oder Wochenendverpflichtungen. Nur: Der Fachkräftemangel sowie finanzielle Engpässe im Bereich der Kinderbetreuung lassen die Umsetzung solcher Maßnahmen aktuell nicht zu. „Gerade sind wir ganz weit davon entfernt“, sagt Kampmann mit Blick auf die aktuelle Situation.