Moers. Achtsamkeit sei der Schlüssel zu einem glücklichen Leben, sagt Beraterin Anja Hartmann. Wie man sich in stressigen Situationen damit helfen kann.
Donnerstagmittag. Die Mail an den Kollegen in der Nachbarabteilung muss noch schnell beantwortet werden. Der hat die Anfrage schon vor fünf Minuten geschickt. In der WhatsApp-Gruppe des Kindergartens plöppen im Minutentakt die Nachrichten auf; bis zum Fest der Bärengruppe dauert es zwar noch ein bisschen, aber es steht noch nicht fest, ob Zauberer Zippo eingeladen werden soll oder doch die Kindertanzgruppe des Karnevalsvereins. Wo ist noch mal das Rezept für den sensationellen Nusskuchen von Oma Marta? Von dem schwärmen doch alle anderen Muttis so. Das Konzept für den Chef ist am späten Vorabend fertig geworden, immerhin. Der hat ja wirklich zu jeder Tages- und Nachtzeit genervt mit seinem Gedränge. Bald ist Weihnachten. Die Geschenke. Und das Menü....
Es sind Lebenssituationen wie diese, die auch Anja Hartmann aus ihrer Praxis kennt. Die 54-Jährige ist DGSF-zertifizierte systemische Beraterin und Achtsamkeitstrainerin für Meditation und Stressmanagement. Gerade lässt sie sich weiter zur Heilpraktikerin für Psychotherapie ausbilden. Und ist damit genau an der richtigen Stelle.
Das waren die beruflichen Weichen der Moerser systemischen Beraterin
Der Lebensweg der sympathischen Frau ist fürwahr interessant. Mit 19 Jahren hat sie eine Ausbildung im Steuerfach gemacht, hat lange in der Buchhaltung gearbeitet. „Ich war da vollkommen falsch“, sagt sie heute. „Es hört sich vielleicht ein bisschen seltsam an“, fährt sie fort: Aber ihre Ehe und die Mutterschaft seien eine Art Ausweg gewesen. Im Alter von 40 Jahren hat sich Anja Hartmann komplett neu orientiert, zunächst Soziale Arbeit studiert und sich dann sukzessive fortgebildet.
Heute gehört es auch zu ihren Aufgaben, Menschen rechtzeitig Impulse zur Orientierung zu geben. Veränderung, Persönlichkeitsentwicklung, Elterncoaching, Einzel-und Familienberatung sind Teile ihres Portfolios. Ihre Klienten sind hauptsächlich Frauen. Obgleich der erste Mensch, der Beratung bei ihr gesucht hatte, ein Mann war. An den kann sie sich noch gut erinnern. „Systemische Beratung kann sehr in die Tiefe gehen“, erklärt sie.
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Coaching hat mittlerweile einen ganz anderen Stellenwert als zu der Zeit, in der Anja Hartmann ihre Ausbildung gemacht hat. „Heute ist man ehrlicher mit sich“, sagt sie. In vielfacher Hinsicht. Die Welt ist unfassbar schnell geworden, die Digitalisierung, soziale Netzwerke, ständige Erreichbarkeit und die augenscheinliche Notwendigkeit nach Perfektion machen das Leben für viele Menschen hektisch; oftmals tritt eine Überforderung ein, die man sich zugesteht oder auch nicht. Höher, schneller, weiter, besser, mehr. Die Folge: negativer Stress. Und der macht krank. Migräne, Rückenprobleme, Magen-Darm oder Herz-Kreislauf-Beschwerden können körperliche Folgen sein. Das müsse selbstredend medizinisch abgeklärt werden, sagt Anja Hartmann.
Aber: Hier kann die Achtsamkeitstrainerin ansetzen. „Achtsamkeit ist der Schlüssel zu einem glücklichen Leben“, erklärt sie. „Wir haben verlernt, das Kleine im Leben wahrzunehmen.“ Die Folge davon sei, dass man lustlos und unzufrieden sei und damit hochgradig gestresst.
Welche Gedanken in den Köpfen kreisen und was richtiges Atmen bewirkt
Es beginnt bei den Gedanken. 60.000 Gedanken kreisen pro Tag in unserem Kopf herum, erklärt die Achtsamkeitstrainerin. Die meisten transportierten unbewusste sozialisierte Muster. Nur etwa 5000 davon sind neue Gedanken und damit gute. Achtsamkeit fokussiert auf das Hier und Jetzt. „Achtsamkeit heißt: Ich gehe Dinge an, ohne sie zu bewerten; ich beobachte sie“, erklärt Anja Hartmann. „Unsere Gedanken spielen eine wesentliche Rolle bei der Stressbewältigung und der Achtsamkeit.“
Die Vorteile eines achtsamen Lebens liegen für die Beraterin auf der Hand: Konzentration und Gedächtnis würden gefördert, die Schlafqualität gesteigert, das Immunsystem verbessert, die Stimmung verbessert; durch Meditation werden die Gedanken zur Ruhe gebracht, mithin könne Migräne gelindert werden.
Gerade an Weihnachten kommen demnach bei vielen Menschen gelernte Muster ans Licht: die Gardinen waschen, weil das früher zu Hause immer gemacht wurde; das perfekte Menü zaubern, den schönsten Baum schmücken und so weiter fort. Hier helfe es, den guten Gedanken Raum zu geben. Und schon mit ein paar Übungen könne man es schaffen, Gedanken zu fokussieren. „Unser Atem ist die einfachste Methode, unseren Organismus zur Ruhe zu bringen“, erklärt Anja Hartmann. Denn, sehr praktisch: „Der ist ja immer da.“ Wichtig: Es muss in den Bauch geatmet werden.
Das sind ein paar kleine Übungen für innere Ruhe
Die Achtsamkeitstrainerin setzt sich aufrecht hin, nimmt mit jeweils Mittel- und Zeigefinger den Bereich ihres Bauchnabels in die Mitte und atmet durch die Nase ein in den Bauch, der bläst sich auf wie ein Ballon, beim Ausatmen durch den Mund entweicht auch die Luft. Oder: die 4-7-8-Atmung. Vier Sekunden einatmen, auf 7 die Luft anhalten und dann acht Sekunden ausatmen. Hartmann: „Durch das Atmen trickse ich meine Gedanken aus.“ Tanzen und Grinsen sind weitere Tipps.
Weiterer wesentlicher Punkt: die Dankbarkeit. Auch das hat etwas mit der Bewertung zu tun. Anja Hartmann nennt zwei Methoden. Methode eins: das Bohnensäckchen. Hier befinden sich fünf Kaffeebohnen in einem Säckchen, das man in der Hosentasche mit sich trägt. Bei jedem bewusst erlebten schönen Moment wandert eine Bohne in die andere Hosentasche. Oder das Glücksgläschen. Man nimmt ein einfaches Einmachglas. Nun schreibt man am Abend die schönen Dinge des Tages auf kleine Zettelchen und wirft sie in das Glas, um am Ende der Woche auf die vielen schönen Momente blicken zu können. Alles eine Frage der Perspektive eben.