Kreis Wesel. Der erste Corona-Winter ohne Maßnahmen steht im Kreis Wesel bevor. Was verraten die Fallzahlen sowie das Abwasser über das Infektionsgeschehen?

Isolationspflicht, Maske, Impfung: In den vergangenen Jahren hat das Coronavirus unser Leben maßgeblich beeinflusst. Während das Infektionsgeschehen im Sommer stets zurückging, deutete sich zum Herbst eine neue Welle an: Immer dann, wenn wieder mehr Menschen in geschlossenen Räumen zusammenkamen. Und nun? Der Bundesgesundheitsminister hat im April die Pandemie offiziell für beendet erklärt. Uns steht der erste Winter ohne Regeln und Maßnahmen bevor. Dr. Reinhard Spicker, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung und HNO-Facharzt im Kreis Wesel, blickt dem relativ gelassen entgegen: „Ich glaube nicht an eine Welle, die das öffentliche Leben lahmlegt, dafür ist die Immunität zu gut.“

Was sagen die Corona-Fallzahlen im Kreis Wesel überhaupt noch aus?

Wohl nicht mehr allzu viel. Beim Landesgesundheitszentrum (LZG), wo in den vergangenen Jahren täglich die aktuellen Fallzahlen eingesehen werden konnten, wird nun auf den wöchentlichen Infektionsbericht verwiesen. Der aktuelle listet für die 39. Kalenderwoche (26. September bis 2. Oktober) im Kreis Wesel 22 (Vorwoche 18) neue Fälle, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 4,76. Zur Erinnerung: Während der Pandemie-Jahre kletterte dieser Wert zwischenzeitlich auf 1800.

Noch zeigten die Infektionen ein typisch niedriges Sommerniveau, heißt es auf Nachfrage vom Kreis. „Die Neuerkrankungsrate an Covid-19-Infektionen in der Bevölkerung sind aufgrund der milden oder latent verlaufenden Erkrankungen nicht valide einzuschätzen.“ Denn nicht bei jeder Atemwegsinfektion werde verlässlich, also labordiagnostisch, auf Corona getestet. Auch laut Dr. Spicker sind diese Zahlen kaum belastbar. „Ganz viele Menschen testen sich und bleiben zuhause, so verhalten sie sich eigentlich richtig“, folglich tauchten sie aber nicht in der Statistik auf.

Welche Hinweise gibt das Abwasser auf die Virenlast?

Das Coronavirus lässt sich bekannterweise auch in Ausscheidungen nachweisen, die ins Klärwasser laufen, es ist dort aber nicht mehr ansteckend. Im vergangenen Jahr liefen dazu Projekte bei Emschergenossenschaft/Lippeverband auch im Kreis Wesel. Inzwischen gibt es 14 Kläranlagen in NRW, an denen zu zwei Terminen pro Woche die Viruslast im Abwasser getestet wird – eine davon steht in Dinslaken. „Erfasst wird damit das Abwasser von insgesamt zurzeit etwa einem Fünftel der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen“, heißt es zur Erläuterung auf der Internetseite des LZG. Immer montags wird der aktuellste Bericht (die letzten Werte stammen vom 20. September) veröffentlicht – und dieser zeigt in Dinslaken zuletzt einen Anstieg der Virenlast von 136 Prozent im Vergleich zum Mittelwert der letzten fünf Messwerte, die Kläranlage deckt 0,3 Prozent der Bevölkerung ab. Das LZG schreibt, dass dieses Monitoring Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen in NRW zulasse, aber Indikatoren wie die Sieben-Tage-Inzidenz oder Hospitalisierungsrate nicht ersetzen könne.

Wer sollte sich impfen lassen und wer ist im Kreis Wesel Ansprechpartner?

Die Zeiten der Impfzentren sind vorbei, der Kreis ist hier inzwischen nicht mehr zuständig, sondern verweist auf die niedergelassenen Ärzte sowie stationären Einrichtungen. „Das gehört wieder in die Arztpraxis mit individuellem Gespräch“, so Dr. Spicker.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt ab 18 Jahren einen Basisschutz mit mindestens drei Corona-Kontakten (Impfung oder Infektion). Eine erneute Auffrischungsimpfung werde Über-60-Jährigen empfohlen, Vorerkrankten sowie Menschen, die im medizinischen Bereich tätig sind oder in Pflegeeinrichtungen leben.

Genauso sollten auch enge Kontaktpersonen von schwer Erkrankten, beispielsweise Patienten mit Chemo-Therapie, darüber nachdenken, so Dr. Spicker. Gesunde Kinder profitieren aus seiner Sicht derzeit nicht von einer erneuten Impfung, natürlich sollte auch hier der Kinderarzt individuell hinzugezogen werden. Wichtig sei, dass eine vorherige Impfung genauso wie eine Infektion mindestens zwölf Monate zurückliegen sollte. Wer sich zugleich gegen Grippe impfen lassen möchte, könne das simultan auch am selben Tag machen, so Dr. Spicker. Ansonsten empfiehlt er eine Pause von mindestens zwei Wochen zwischen beiden Impfungen.

Was tue ich, wenn ich Symptome oder einen positiven Corona-Test habe?

„Infektionszeichen wie Husten, Schnupfen oder Halsschmerzen können auf eine Infektion mit dem Coronavirus hinweisen, treten aber auch bei anderen Atemwegsinfektionen auf“, so das Gesundheitsamt.

Grundsätzlich sollte sich jeder an die bekannte Husten- und Niesetikette halten, raten die Experten. Sie verweisen auch auf die während der Pandemie hilfreichen Maßnahmen wie regelmäßiges Lüften, um das Risiko für eine Übertragung von Atemwegserregern zu minimieren. Wer den Eindruck habe, sich möglicherweise mit Corona infiziert zu haben, sollte einen Test machen, im Zweifel auch beim Arzt, so Dr. Spicker, mindestens zwei bis drei Tage zu Hause bleiben, Maske tragen. „Bei Bedarf, insbesondere wenn sich die Krankheitszeichen innerhalb weniger Tage nicht bessern oder sogar verschlechtern oder wenn eine Risikogruppe betroffen ist, sollte eine ärztliche Beratung erfolgen“, so das Gesundheitsamt weiter.