Kreis Wesel. Nach der Aufregung im vergangenen Jahr gibt es jetzt wieder zwei junge Seeadler im Kreis Wesel. Doch nun ist ein Elternteil nicht zurückgekehrt.
Es war Ruhe eingekehrt bei den Seeadlern auf der Bislicher Insel, doch Natur ist launisch: Einer der großen Raubvögel wird jetzt vermisst. Ilka Weidig, Leiterin des Naturforums Bislicher Insel, mahnt, die Vorgänge nicht zu vermenschlichen. Trotzdem klingt es wie Stoff aus einer Vorabendserie: Neue Frau sprengt eine alte Beziehung, erobert den Mann, bekommt Kinder, wird Witwe…
Im vergangenen Frühjahr gab es Verwirrung um die brütenden Adler, die von einer Artgenossin, zunächst hieß es von einem männlichen Adler, angegriffen worden sind. Wer wen dabei verjagt hat, war zunächst nicht klar, nur dass die Jungen nicht überlebten.
Fest steht: In diesem Jahr gibt es erneut ein Paar und es hat zwei Jungtiere. Offenbar hat sich das alteingesessene Männchen mit einem neuen Weibchen gepaart, sagt Ilka Weidig. Doch jetzt, mitten in der Fütterungszeit, wird das Männchen vermisst. Weidig geht davon aus, dass der Vater der Brut verletzt oder tot sein muss. „Einfach so, nur weil er seine Frau nicht mehr mag, würde er nicht wegbleiben.“ Jetzt muss das Weibchen allein sehen, dass es den Nachwuchs satt bekommt.
Die Jungtiere sind fit und können noch einige Zeit im „Hotel Mama“ verbringen
Wirklich gut zu unterscheiden und zu identifizieren sind die Vögel nicht, es bleibt immer Luft für Spekulationen. Klar ist, dass das Weibchen unberingt ist – dass es eine Adlerin ist, zeigt allein ihre Größe: „Bei Raubvögeln sind die Frauen die Großen“, sagt Weidig.
„Das Lebensziel des Adlers ist es, möglichst viele Nachkommen in die Welt zu setzen. Dafür braucht er ein gesundes Weibchen.“ Das hatte er nach dem Verlust seiner Partnerin in „der Neuen“ gefunden und gemeinsam versorgten sie bis vor ein paar Wochen ihren Nachwuchs. Der sei fit, sagt Ilka Weidig, die beiden Jungtiere können bereits fliegen. Doch es gibt für sie noch so viel zu lernen: Die kleinen Adler finden gerade heraus, wie aus einem Vogel ein Raubvogel wird. Wie man jagt, sich gegen die Attacken von Krähen und Bussarden zur Wehr setzt, einen flinken Fisch zu fassen bekommt. Bei all dem kehren die Jungvögel immer wieder zu den Eltern zurück und betteln. Nun allein, füttert die Mutter weiter. „Wäre das Männchen früher verschwunden, wäre das ein Problem gewesen“, sagt Weidig. So aber habe sie gute Chancen, ihre jungen Adler groß zu bekommen.
Ohnehin trennt sich der Raubvogelnachwuchs nur langsam vom „Hotel Mama“. Auch wenn sie das Jagdgeschäft beherrschen, so Weidig, kommen die Jungen mitunter vorbei und bekommen auch einen Happen ab, obschon das mit der Zeit weniger werde.
Es ist offen, wie es jetzt weiter geht – Spannung wie in einer Vorabendserie
Gegen Ende August, September, ziehen die Jungvögel ab. „Sie sind aber geduldet, bis die Altvögel in Brutstimmung kommen.“ Besuch ist immer willkommen, nur in den Schnabel gibt es danach nichts mehr. „Neulich konnte man einen Jungadler sehen, der sich zu den beiden Alten in einen Baum setzte.“ Während erwachsene Seeadler nicht geduldet werden, dürfen die eigenen Jungen schon mal vorbeischauen.
Wie es weiter geht mit den Seeadlern auf der Bislicher Insel ist offen. Ilka Weidig dämpft die Erwartungen: Wenn es auf der Bislicher Insel nur alle zwei Jahre Adlernachwuchs gäbe, wäre das schon toll. Doch die Fans der schönen Raubvögel sind verwöhnt: In diesem Jahr wachsen Nachwuchsadler zehn und elf hier heran. Da sind die Erwartungen hoch. Hier wären wir wieder bei der Vorabendserie: Wird sie einen neuen Partner finden? Der alte auf wundersame Weise wieder auftauchen? Und wird es dann neue Junge geben?