Wesel. Beim Brückenbau an der Betuwe-Linie in Lippedorf will die Bahn durch ein besonderes Verfahren Zeit sparen. Im September steht der Einschub an.

Bahnpendler können den Fortschrittbeim Neubau der B8-Brücke über die Betuwe-Strecke in Lippedorftäglich verfolgen: Direkt neben den Gleisen sind die eingekleideten Brückenbögen nicht zu übersehen. Es sieht aus, als sei Verhüllungskünstler Christo am Werk gewesen. Hinter der weißen Plane haben die Arbeiter einen schweißtreibenden Job. Sie schweißen die 11,50 Meter hohen Bögen der 70 Meter langen Brücke zusammen. „Die Arbeiten liegen in der Zeit“, erklärt Irina Schuler, Projektingenieurin der Deutschen Bahn.Bis zum 17. Oktober wird die Willy-Brandt-Straßewieder befahrbar sein, versichert sie. Auch wenn acht Monate Bauzeit Pendlern und Anwohnern lang vorkommen: Durch ein besonderes Verfahren spart die Bahn viel Zeit.

Für den dreigleisigen Betuwe-Ausbau war die alte Überführung zu schmal. Seit Februar ist die Bundesstraße gesperrt, die alte Brücke ist längst verschwunden, die Straße führt über eine Umleitung. Das neue Widerlager auf der Westseite der Bahnstrecke ist fertig, gegenüber wird das zweite Betonbauwerk gerade gegossen. Verzögerungen hat es bisher nicht gegeben, berichtet Irina Schuler. Die kann die Bahn auch nicht gebrauchen: Denn die Sperrpause für das Einfahren der fertigen Brücke kann nicht verschoben werden. Fünf Jahre vorher muss diese angemeldet werden, drei Jahre vor dem Termin wird die Sperrung bestätigt, so die Ingenieurin. Daran ist nicht zu rütteln. Die Abläufe enthalten daher ausreichend Puffer, außerdem werde mit viel Vorlauf geplant. Inzwischen sind die Hauptmaterialien entweder schon verbaut oder vor Ort, so Schuler. Rund 40 Arbeiter sind täglich zwischen 7 und 18 Uhr im Einsatz.

Zeitsparendes Verfahren beim Brückenbau für die B 8 in Lippedorf

Zwischen den verhüllten Brückenbögen, in denen über 20 Schweißer am Werk sind, ist das Stahlgerüst für den Boden des Bauwerks zu erkennen. Für die Beschäftigten hinter der Plane kann es ordentlich warm werden, denn Durchzug darf bei den Schweißarbeiten nicht herrschen.

Projektingenieurin Irina Schuler (Deutsche Bahn) und Bernd Gericks, Projektleiter der Firma Max Bögl, berichten über den Stand der Dinge beim Neubau der B 8-Brücke über die Bahnstrecke in Wesel-Lippedorf.
Projektingenieurin Irina Schuler (Deutsche Bahn) und Bernd Gericks, Projektleiter der Firma Max Bögl, berichten über den Stand der Dinge beim Neubau der B 8-Brücke über die Bahnstrecke in Wesel-Lippedorf. © FFS | Markus Weißenfels

„Bei Hitze werden die Pausenzeiten verlängert“, erklärt Bernd Gericks, Projektleiter der Firma Max Bögl. Das auch in Hamminkeln ansässige Unternehmen ist für den Brückenbau zuständig und wendet dafür ein Verfahren an, das – wie Gericks betont – in Deutschland einmalig ist und für das seine Firma ein Patent besitzt. Wenn die Brücke an Ort und Stelle steht, werden 29 jeweils 17 Meter breite Modulplatten aus Beton auf den Stahlboden gehoben und aneinander geschoben. Damit ist die die Fahrbahn schon fertig. Die Teile werden passgenau im Werk im bayerischen Neumarkt hergestellt und dann über Hamminkeln nach Wesel transportiert.

800 Tonnen schwere B 8-Brücke wird an ihren Platz geschoben

Vorher muss die 800 Tonnen schwere Brücke an ihren Platz gefahren werden. Das passiert während der Bahnstreckensperrung vom 26. August bis zum 24. September. In dieser Zeit herrscht auf der Baustelle rund um die Uhr Betrieb. Die erste Septemberwoche ist für den Einschub der Brücke reserviert. Dafür wird die Brücke auf so genannte Selbstfahreinheiten – ähnlich wie Lkw-Achsen – gehievt und an ihren Platz gefahren. Die Gleise müssen dafür mit Holz gesichert werden.

Hinter den weißen Planen schweißen die Arbeiter die Stahlbögen für die B 8-Brücke in Wesel-Lippedorf zusammen.
Hinter den weißen Planen schweißen die Arbeiter die Stahlbögen für die B 8-Brücke in Wesel-Lippedorf zusammen. © FFS | Markus Weißenfels

Die Prozedur im Schneckentempo wird wohl einen Tag dauern, schätzt Gericks. Danach sind noch Restarbeiten notwendig, auch der Damm für die Straße muss wiederhergestellt werden. Eile ist trotz der Sperrpause für den Personenverkehr geboten, denn die Logistikfahrten für andere Betuwe-Baustellen an der Strecke sollen sobald wie möglich wieder aufgenommen werden.

Durch das Modulverfahren spart die Bahn beim Neubau der Brücke viel Zeit: „Ursprünglich waren wir in der Planung mal bei zweieinhalb Jahren“, sagt Irina Schuler. Nun sind es acht Monate. Die Bahn spart außerdem Geld. Bei der längeren Sperrung wäre eine Behelfsbrücke über eine provisorische Strecke notwendig gewesen. Der Verkehr auf der B 8 wird schon am 17. Oktober wieder rollen – die Anwohner an der viel genutzten Umleitungsstrecke in Lippedorf werden an diesem Tag aufatmen.

Bahnbrücke über die Lippe in Wesel wird ab 2024 gebaut

Beendet sind die Brückenbauarbeiten auf dem Betuwe-Streckenabschnitt damit nicht: Einige Meter weiter haben die Vorarbeiten für die Erweiterung des Bauwerks über die Lippeschon begonnen. Anfang 2024 geht es mit dem Bau einer neuen Brücke für ein drittes Gleis los, die 2024 fertig sein soll. Anschließend wird die alte Bahnbrücke abgerissen und durch eine neue mit zwei Gleisen ersetzt.