Sonsbeck. Ein Ehepaar aus Sonsbeck plant historische Bauernhäuser als Neubauten. Was hinter dem besonderen Konzept steckt und was Denkmalschützer sagen.
Das Haus der Familie Loder in Elsdorf ist ein Ort voller Gegensätze. Eine Wärmepumpe steht an der im Kreuzverband gebauten Klinkerfassade, eine Satellitenschüssel ist auf einem tiefen, roten Giebeldach montiert, und wer durch die Fenster mit feinen Sprossen blickt, sieht im Wohnzimmer einen Flachbildfernseher stehen. Die – dem Anschein nach – alte Bauernkate steht mitten in einem nicht mal 20 Jahre alten Neubaugebiet.
Wenn Passanten klingeln und fragen, wie das sein kann, sagt Gerd Loder (60): „Das Haus sieht zwar alt aus, ist aber komplett neu.“ Ein „neuer Altbau“, wie er sein Zuhause nennt: 2015 gebaut, aber an historischer Bauweise orientiert. Auf den Stil sind der 60-Jährige und seine Frau durch das Planungsbüro „Bauernhausmanufaktur“ gestoßen: „Wir haben uns sofort in Bauernhäuser verliebt.“
Umgebaute Scheune
Sabine und Michael Weyers sind die Gesichter hinter der Manufaktur und dem besonderen Baukonzept, neue Häuser nach historischem Vorbild zu planen oder Bestandsimmobilien danach umzuplanen. Die „Firmenzentrale“ ist ihr eigenes Zuhause und gleichzeitig das Musterhaus, das sich Interessenten ansehen können: eine umgebaute Scheune auf einem Bauernhof nahe Sonsbeck.
„Seit über 20 Jahren sind historische Gebäude unsere Leidenschaft“, sagt Michael Weyers. Der Ursprung des Planungsbüros liegt in einer alten Katstelle am Niederrhein, die die Eheleute vor 17 Jahren restauriert haben: von einer Ruine am Waldrand mit zerfallenen Wänden, Moos auf dem Dach und einem verwucherten Grundstück zu einem schicken Einfamilienhaus – historische Bauart, moderner Komfort.
Schnell seien Fans der historischen Bauart auf die umgebaute Bauernkate aufmerksam geworden. Daraufhin hätten sich die Weyers genau informiert, welche Merkmale die Bauernhäuser ausmachen: „Nach vielen Recherchen in Freilichtmuseen und Gesprächen mit Fachleuten vom Denkmalschutz entstand das Konzept der Bauernhausmanufaktur“, sagt Michael Weyers.
Für die Eheleute sei es das „oberste Gebot“, die Merkmale und Details alter Katen konsequent umzusetzen: Dachflächen bis ins Erdgeschoss, ein verzapftes Holzständerwerk als Tragekonstruktion, Klinkerfassaden, Sprossenfenster, ein historisches Gesims, also bestimmte Verzierungen am Dach. Bei der individuellen Raumaufteilung und Innenausstattung richten sich die Weyers nach den Kunden – „solange die äußeren Merkmale der Bauernhäuser erhalten bleiben“.
Im Gespräch beraten die Eheleute auch ihre Kunden, wie sie beim Hausbau oder Umbau sparen können. Denn insgesamt sind die Bauernhäuser oft ein wenig teurer als normale Häuser, doch an mehreren Punkten ließen sich Kosten reduzieren. Michael Weyers sagt: „Je nach Größe, Ausstattung und Energiestandard liegen unsere Häuser zwischen 2.500 und 3.500 Euro pro Quadratmeter.“
Trotz der vielen historischen Details, die die Weyers beachten, passen sie sich modernen Standards an, zum Beispiel in Sachen Energie und Strom: „Bis vor drei Jahren war ich der Meinung, dass auf ein Dach mit historischer Hohlpfanne keine Photovoltaik-Anlage kommt“, so der 62-Jährige. Jetzt komme man daran nicht mehr vorbei, deswegen passen die Weyers mittlerweile PV-Elemente in die Dächer ein.
Was Denkmalschützer zu den neugebauten Häusern sagen
Auch das Haus von Familie Loder in Elsdorf bleibt nicht ewig so, wie es nach dem Bau 2015 war: „Bald bekommen wir einen Glasfaseranschluss. Dann kommt auch die Satellitenschüssel weg vom Dach“, sagt der 60-Jährige. Das passe eh besser in den historischen Stil. „Trotzdem erkennt man auf den zweiten Blick, dass es kein altes, sondern ein neues Haus ist.
Diesen Widerspruch erkennt auch Anja Schmid-Engbrodt vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz: „Historische Bauernhäuser kann man nicht nachbauen, sondern nur deren Erscheinungsbild.“ Die Vorsitzende des Arbeitskreises „Hausforschung im Rheinland“ sieht im Konzept der „Bauernhausmanufaktur“ durchaus einen Nutzen für den Denkmalschutz. Durch den Umbau würden Gebäude erhalten bleiben, um die sich sonst eventuell niemand kümmere und die dadurch verfallen würden.
Sie erkennt aber auch eine Gefahr: „Es erweckt den Schein, man könne historische Werke nachbauen, ohne die historische Substanz mit einzubeziehen.“ Anja Schmid-Engbrodt kritisiert aus Sicht des Denkmalschutzes, dass alte Häuser passgenau auf moderne Ansprüche nachgebaut würden: „Alte Scheunen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie ein großes Volumen und kaum Fenster haben. Diese Struktur geht bei den neugebauten Häusern verloren.“