Herne. Herner Schüler gehen auf die Barrikaden: Es ist unmöglich, in der Corona-Krise ein reguläres Abi zu machen, sagen sie. Sie lehnen Prüfungen ab.
Schüler der Erich-Fried-Gesamtschule in Herne fordern einen Stopp der verpflichtenden Abiturprüfungen in diesem Jahr. Sie hätten wegen der Corona-Krise nicht die gleichen Chancen wie die Schüler in der Vergangenheit, kritisieren sie. Außerdem fürchten sie, dass sie sich und gefährdete Familienmitglieder anstecken.
„Wir fühlen uns wie Versuchskaninchen“, sagt Hannah Jaworski (19). Erst seien sie vor den Osterferien wegen Corona quasi aus der Schule geworfen, dann wochenlang über ihre Zukunft im Unklaren gelassen worden. Und nun hätten sie plötzlich nur wenige Tage zum Lernen in der Schule, um dann in kurzer Zeit ein Zentralabitur bauen zu müssen – in einer bedrückenden Atmosphäre zudem. Die langjährige Schülersprecherin und heutige Stufensprecherin des 13. Jahrgangs gehört zu mehreren Schülern der Erich-Fried-Gesamtschule in Holsterhausen, die unter diesen Umständen kein Abi machen wollen. Sie kritisieren die Landesregierung und fühlen sich von ihr allein gelassen.
Homeschooling ist kein Ersatz für Unterricht, sagen die Schüler aus Herne
Ihnen fehle der Stoff, sagen vier Schüler zur WAZ. Ausgerechnet die Kompaktphase für die Abiprüfungen vor den Osterferien hätten sie wegen des Lockdowns verpasst. Aufgaben, die Lehrer in der unterrichtslosen Zeit per Mail verschickt hätten, oder Video-Schalten hätten das längst nicht kompensieren können. Zu Hause, berichtet Karolina Lengling (19), hätten sich viele Schüler nicht konzentrieren können. So quengelten im Hintergrund bei manchen die Geschwister, die nun zu Hause seien. Oder berufstätige Eltern hätten die Schüler direkt mit der Geschwisterbetreuung beauftragen müssen.
Ähnlich äußert sich Mitschülerin Chiara Ciccarelli (19). Lerngruppen könnten sie wegen des Kontaktverbots jetzt nicht bilden, Nachhilfe sei verboten, und in Bibliotheken hätten sie auch lange nicht gehen dürfen. Und beide betonen: Arbeit allein zu Hause könne regulären Unterricht nicht ersetzen. „In der Schule kann man einfach besser lernen und sich besser konzentrieren“, sagt Karolina Lengling.
Mit Maske im Unterricht kann man sich nicht konzentrieren
Unterricht für die Abiturienten gebe es nun zwar wieder – aber eben keinen „normalen“. Unterricht in Corona-Zeiten, mit all seinen Regeln, der sei alles andere als einfach. So sei das Tragen einer Maske dringend empfohlen. „Damit kann man sich nicht konzentrieren“, stellt Chiara Ciccarelli klar. Außerdem seien nicht alle Lehrer an Bord. Und fast alle der 13-Klässler hätten daheim „Risikogruppen“, Oma oder Opa im selben Haus etwa, ja auch Eltern mit schweren Vorerkrankungen. So gingen sie zudem noch mit einem schlechten Gewissen in die Schule: „Ich will meine Eltern nicht infizieren“, sagt etwa Chiara.
Die Erich-Fried-Gesamtschule sei nicht Schuld an ihrer Misere, betonen die angehenden Abiturienten. Im Gegenteil: „Die Schule organisiert die Corona-Maßnahmen gut“, sagt etwa Eric Lange. So habe sie auf den Fluren ein Einbahnstraßensystem etabliert, Schüler kämen sich nicht zu nahe. Auch täten die Lehrer, was sie könnten, um Stoff zu vermitteln, so der 18-Jährige. Aber auch er sagt: Das alles reiche nicht, damit sich die Schüler so gut aufs Abi vorbereiten könnten wie die in den vergangenen Jahren.
Die Abiturienten fordern deshalb Chancengleichheit vom Land. Das heißt: Sie wollen, dass die verpflichtenden Prüfungen ausgesetzt werden und dass sie eine Durchschnittsnote aus ihren bisherigen Leistungen in der Vorabi-Zeit bekommen. Gut wäre darüber hinaus eine freiwillige Teilnahme an Prüfungen – etwa für die, die sich zur Vorabi-Note verbessern wollten oder müssten. Faul, betonten sie alle, seien sie nicht. Den Vorwurf hätten sie schon mehrfach gehört. Unter diesen Umständen ein reguläres Abi zu machen, das sei aber schlichtweg nicht möglich.
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