Herne. . Das Arbeitslosenzentrum in Herne feierte am Freitag seinen 30. Geburtstag. Das Ziel der Einrichtung, sich einmal selbst überflüssig zu machen, wird sie nicht erreichen können, bilanziert Leiter Franz-Josef Strzalka im WAZ-Interview. Den Herner Arbeitsmarkt betrachtet er pessimistisch.
Das Arbeitslosenzentrum e.V. feierte am Freitag sein 30-jähriges Bestehen. Dessen Leiter Franz-Josef Strzalka erläuert im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann die Entwicklung und Bedeutung der Einrichtung.
Eigentlich arbeiten Sie im Arbeitslosenzentrum ja mit dem Ziel, sich selbst überflüssig zu machen. . .
Strzalka: Das Erstaunliche ist, dass man in den 80er-Jahren mit genau dieser Vorstellung angefangen hat zu arbeiten. Das Arbeitslosenzentrum sollte etwas vorübergehendes sein, man hatte lange die Vorstellung, dass Arbeitslosigkeit beseitigt werden kann. Bei der katholischen Kirche hat man schließlich erkannt, dass dieses Problem längere Zeit bestehen wird.
Wie sahen denn die Anfänge aus?
Zunächst gab es einmal in der Woche einen Treffpunkt, doch dann kam in der Gruppe der Wunsch auf, mehr zu machen. Zunächst wurde über eine ABM-Maßnahme eine arbeitslose Lehrerin eingestellt, 1987 wurde schließlich der Verein gegründet und ein Vorstand gewählt. Auch ich selbst kam in jenem Jahr als ABM-Kraft zum ALZ.
Ist Ihre Arbeit nach all diesen Jahren nicht zermürbend?
Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass sie nicht an die Substanz geht. Wir versuchen, die Leute aus ihrer Isolation zu holen. Wir versuchen ihnen das Gefühl zu nehmen, dass sie stigmatisiert sind. Aber wir sehen, wie die Arbeitslosigkeit die Menschen zerstört. Die Verzweiflung ist teilweise schwer zu ertragen. Das ist schon zermürbend. Wer arbeitslos ist, auf den hat der Druck enorm zugenommen. Der große Bruch kam mit der Einführung von Hartz IV.
Warum?
Früher haben wir die Arbeitslosen auch beraten und sie bei Behördengängen begleitet. Aber in den 80er-Jahren gab es das Gefühl, dass man alle Kräfte bündeln muss, um das Problem Arbeitslosigkeit zu lösen. Damals haben wir auch partnerschaftlich mit dem Arbeitsamt zusammengearbeitet. Wir haben zusammengesessen und gemeinsam Maßnahmen und Projekte entwickelt.
Was hat sich geändert?
Das Klima hat sich gewandelt. Viele Arbeitslose empfinden den Umgang mit ihnen als demütigend und entwürdigend. Hinzu kommt, dass sie mit einer Situation konfrontiert werden, die sie nicht kannten. Die Rechtslage ist viel komplizierter als vor Hartz IV. Viele haben Angst, dass sie gar kein Geld mehr bekommen. Als Arbeitslosenzentrum haben wir zwar noch Kontakte zum Jobcenter, aber weil wir versuchen, den Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, haben wir das Gefühl, dass wir als Gegner wahrgenommen werden. Man hat nicht mehr das Gefühl, dass das Problem Arbeitslosigkeit als gesellschaftspolitische Aufgabe angegangen wird. Die Leute werden allein gelassen.
Wie beurteilen Sie die Herner Situation? Die Arbeitslosenquote klebt bei rund 13 Prozent, etwa 10 000 Menschen beziehen ALG II.
Ich habe wenig Hoffnung, dass sich die Lage in der Herne entscheidend verbessert. Auch wenn bundesweit immer von einer Rekordbeschäftigung gesprochen wird. Aber es gibt eben immer mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Und ich bin mir auch nicht sicher, dass es tatsächlich einen Facharbeitermangel gibt. Nur jeder vierte Betrieb bildet aus, 40 Prozent der Ausgebildeten werden nicht übernommen, und die meisten Jugendlichen bekommen nur einen befristeten Vertrag. Wenn es einen Mangel gäbe, müssten ja die Löhne steigen. Das ist aber nicht der Fall. Für den Herner Arbeitsmarkt bin ich sehr pessimistisch. Aus meiner Sicht sollte man über einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt nachdenken.
Kann man vor diesem Hintergrund eigentlich davon sprechen, das 30-jährige Bestehen zu „feiern“?
So betrachtet ist es kein Grund zum Feiern. Wenn man allerdings bedenkt, dass das Arbeitslosenzentrum mehrfach kurz vor dem Aus stand, ist es ein Grund zum Feiern, dass das Bistum, die Stadt und all die anderen Förderer hinter uns stehen. Aber das Ziel, dass wir irgendwann selbst überflüssig sind, werden wir nicht erreichen.
Zum Arbeitslosenzentrum:
Das Arbeitslosenzentrum wird von den katholischen Kirchengemeinden, Vereinen und Verbänden in Herne und Wanne-Eickel getragen.
Es wurde im Jahre 1984 gegründet, um arbeitslosen Menschen zur Seite zu stehen.
Es werden Hilfen bei allgemeinen und individuellen Problemen und Fragestellungen angeboten. Dazu gehören Tipps in Rechtsfragen und Empfehlungen zum Umgang mit Behörden.
Das Zentrum an der Hermann-Löns-Straße 8 (im Hinterhof) ist geöffnet montags bis donnerstags, 8 bis 16 Uhr, sowie freitags, 8 bis 14 Uhr. Kontakt: HER 55547 oder per Mail: herne-alz@arcor.de.