Herne. . Die morgige Bombenentschärfung legt halb Wanne-Eickel lahm. Im Fokus stehen Volker Lenz und Karl-Friedrich Schröder. Die Feuerwerker werden die Zünder aus den beiden Bomben ausbauen. Im Interview erläutert Schröder,wie das gefährliche Erbe des 2. Weltkriegs entdeckt und unschädlich gemacht wird.
Rund 10 000 Menschen werden evakuiert, Hauptbahnhof gesperrt sowie ein Autobahnkreuz. Die Bombenentschärfung am morgigen Sonntag legt halb Wanne-Eickel lahm. Im Fokus stehen Volker Lenz und Karl-Friedrich Schröder. Die Feuerwerker werden die Zünder aus den beiden Bomben ausbauen. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann erläutert Karl-Friedrich Schröder (54), wie das gefährliche Erbe des Zweiten Weltkriegs entdeckt und unschädlich gemacht wird.
Herr Schröder, Sie haben ja im Verlauf der vergangenen Jahre zahlreiche Bomben und Luftminen entschärft. Wie viel Routine steckt in der Entschärfung morgen?
Schröder: Das Wort Routine hören wir nicht gerne. Grundsätzlich gilt, dass jeder Zünder anders ist. Der Zustand hängt zum Beispiel ab von der Belastung beim Aufprall, der Alterung oder der Lage der Bombe. Berücksichtigen muss man zusätzlich die möglichen Belastungen der Zünder, die durch die Entschärfung auftreten.
Haben Sie schon einen Blick auf die Zünder geworfen?
Ja. Es sind ja insgesamt vier Zünder. Ich werde gemeinsam mit meinem Kollegen Volker Lenz arbeiten, und man kann sagen, dass wir quasi mit unserer großen Werkzeugkiste anrücken werden, damit wir auch bei den Entschärfungen flexibel reagieren können. Selbstverständlich dürfen wir die „kleine“ 250-Kilogramm-Bombe nicht vergessen. Diese werden wir zuerst entschärfen.
Können Sie einschätzen, wie lange die Entschärfung dauern wird?
Das weiß man vorher nie genau. Als Richtwert kann man vielleicht eine Stunde pro Bombe veranschlagen. Unser Ziel ist es, gegen 11 Uhr mit der Arbeit anzufangen.
Warum wird denn ein so großer Evakuierungsradius um die Fundstelle gezogen?
Die Luftmine hat in der Tat das Potenzial für eine große Zerstörungskraft. Der Radius von eineinhalb Kilometern bedeutet zwar nicht, dass in dieser Entfernung bei einer Detonation, die wir natürlich vermeiden wollen, Häuser komplett zerstört werden, allerdings könnte es Splitter- oder Steinflug geben, bei dem Menschen verletzt und Gebäude beschädigt werden können.
Wie wurden die Bomben überhaupt entdeckt?
Sehr geplant und sehr gezielt. Ein zentrales Ziel des Kampfmittelräumdienstes ist es, Baumaßnahmen sicherer zu machen. Und da ja auf diesem Gelände ein Neubau geplant ist (Rewe baut dort einen Supermarkt d. Red.), wurden Luftbilder ausgewertet.
Wie geschieht diese Auswertung?
Im Grunde genommen handelt es sich um eine Luftbildinterpretation. Bei detonierten Bomben kann man den Trichter und den Auswurf der Erde erkennen. Auf Blindgänger deuten kleinere Trichter hin. Bei einer Luftmine ist es anders. Die sieht als Blindgänger fast so aus wie eine kleine detonierte Bombe – deshalb ist es extrem schwierig, sie zu finden. Im Ergebnis hatten wir zwei Verdachtsmomente. Diesem Verdacht sind dann Mitarbeiter vor Ort nachgegangen. Mit einem sogenannten Gradiometer wurde die Oberfläche auf dem entsprechenden Gelände untersucht. Dabei haben wir Anomalien, also Unregelmäßigkeiten festgestellt. Deshalb wurden in einem bestimmten Raster Bohrungen durchgeführt. Bis wir schließlich beide Blindgänger gefunden hatten.
Fast 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs finden sich immer noch regelmäßig Blindgänger. Ist eigentlich ein Ende absehbar?
Ich persönlich sehe kein Licht am Ende des Tunnels. Dazu muss man wissen, dass im Zweiten Weltkrieg mehr als 2,6 Millionen Tonnen Bomben bei Luftangriffen auf Europa abgeworfen wurden. 48 Prozent aller auf Deutschland geworfenen Bomben galten dem heutigen NRW. Die Blindgängerquote wird auf drei bis 15 Prozent geschätzt. Deshalb werden wir noch lange zu tun haben.
Auch in Herne?
Das gesamte Ruhrgebiet ist ja stark bombardiert worden. Herne ist da in einer Reihe mit Dortmund, Bochum und Hamm zu nennen. Ich gehe davon aus, dass wir auch in Zukunft wieder „zu Gast“ in Herne sein werden.
Sie arbeiten immer in einer potenziellen Lebensgefahr? Ist das nicht eine Belastung?
Jeder Mensch findet den Beruf, der ihm liegt, und deshalb kann ich sagen, dass wir auch Spaß bei der Arbeit haben.