Herne. . Seit Dezember 2013 ist die Herner CDU-Bundestagsabgeordnete Ingrid Fischbach Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. In der WAZ-Redaktion sprach sie über ihre neuen Aufgaben, Aspekte des Gesundheitssystems und die Pflegereform.
Seit Dezember 2013 bekleidet die Herner CDU-Bundestagsabgeordnete Ingrid Fischbach das Amt der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit. In dieser Funktion besuchte sie nun die WAZ. Auf die Frage, was sie trinken möchte, bat sie um eine Tasse mit heißem Wasser - und förderte ein Beutelchen gesunden Grünen Tees aus ihrer Tasche.
Frau Fischbach, was macht eine Parlamentarische Staatssekretärin eigentlich?
Fischbach: Sie baut die Brücke zwischen Ministerium und Parlament. Ich muss also dafür sorgen, dass das, was das Parlament dem Ministerium aufgeben will, gehört wird. Und umgekehrt: Wenn wir einen Gesetzentwurf einbringen, ist es meine Aufgabe, dass im Parlament dafür Mehrheiten entstehen.
Hat sich Ihr politisches Leben in Berlin völlig verändert?
Nein, nicht völlig. Und doch ist es komplett anders (lacht). Die Aufgaben sind ganz einfach andere geworden, nicht nur, weil ich nun auf der Regierungsbank sitze. Früher habe ich als stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende etwa den Parlamentarischen Staatssekretär in Sitzungen geholt und er wurde dann in Fragestunden auch schon mal gepiesackt. Nun ist es umgekehrt: Jetzt werde ich eingeladen und gepiesackt. Da geht der Ball dann hin und her, alles natürlich auf einer Ebene, dass man sich hinterher angucken kann. Mir macht das richtig Spaß!
In der letzten Legislaturperiode war die Familienpolitik Ihr Schwerpunkt, jetzt ist es die Gesundheit, genauer: die Pflege. Fiel Ihnen der Wechsel schwer?
Jein. Zwischen den Bereichen gibt es ja durchaus Überschneidungen. So liegt etwa die Zuständigkeit für die Pflege-Ausbildung und die Heimaufsicht auch im Familienressort, da kannte ich mich also schon aus. Das gilt auch für andere Bereiche. Dagegen musste ich mich auch völlig neu einarbeiten, etwa in die Themengebiete Apotheken und Arzneimittel. Fakt ist aber: Wenn ich im Plenum den Abgeordneten Rede und Antwort stehe, muss ich alle Bereiche drauf haben.
Und das kostet viel Zeit. . .
Genau. Wenn man so will, studiere ich wieder viel. Zum Glück geht das gut: Früher habe ich viel Zeit damit verbracht, auf Bahnhöfen zu warten, jetzt habe ich glücklicherweise einen Fahrer, so dass ich im Auto arbeiten kann. Das ist ein Riesenvorteil.
Das deutsche Gesundheitswesen sei intransparent, hieß es zuletzt in einer großen Studie. Ist das auch Ihr Eindruck?
Es gibt Bereiche, die sind sehr transparent, und es gibt solche, die sind weniger transparent. Letzteres wollen wir ändern. Intransparent sind etwa versteckte Kosten für die Patienten. Diese müssen wissen, was mit den Beiträgen passiert, die sie einzahlen und sie müssen genau sehen können, was ihre Behandlung kostet. Bei aller Kritik darf man aber nicht vergessen: Unser Gesundheitssystem ist äußerst leistungsfähig, wir klagen oft auf einem hohen Niveau. Ich kenne keinen, der im Urlaub krank wird und sagt: „Zum Glück passiert mir das nicht in Deutschland.“ Im Gegenteil, die Menschen wollen möglichst schnell nach Hause zurück.
Sind Sie gesetzlich oder privat versichert?
Privat.
Dann erhalten Sie bei Fachärzten ja schneller einen Termin…
Ein Problem sind in Deutschland in der Tat längere Wartezeiten für gesetzlich Versicherte, ich erlebe das etwa bei meiner Mutter. Da wartet man nicht zwei, drei Wochen, sondern zwei, drei Monate. Auch hier wollen wir Änderungen vornehmen. Allein schon die Ankündigung von Minister Gröhe, künftig Servicestellen für die Terminvergabe bei Fachärzten zu installieren, hat bereits eine Eigendynamik entwickelt. Ärzte, Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen sagen nun, dass sie das selber schaffen. Wenn das so ist, bin ich zufrieden. Aber ich denke, ein bisschen Druck muss man da schon machen.
Die Pflege, die ja Ihr Schwerpunkt im Ministerium ist, ist auch ein Schwerpunkt der neuen Bundesregierung. Wie kommen Sie voran?
Der Entwurf des ersten Pflegestärkungsgesetzes ist bereits eingebracht und wurde auch schon im Bundesrat beraten. Ein zweites Pflegestärkungsgesetz ist bereits in Planung. In zwei Stufen wollen wir eine Verbesserung der Leistungen um fast 20 Prozent erreichen. Durch die geplante neue Fassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs bekommen nicht nur wie bislang Menschen mit körperlichen Einschränkungen Unterstützung, sondern auch Menschen mit kognitiven und psychischen Problemen. Menschen mit Demenz sollen künftig ebenfalls einen größeren Anspruch auf Hilfe erhalten. Sie müssen die Hilfe bekommen, die ihrer Situation angepasst ist. Deshalb soll zum Beispiel in den Heimen der Personalschlüssel für das Betreuungspersonal von 1:24 auf 1:20 gesenkt werden. Das ist schon eine deutliche Verbesserung. Und wir wollen eine Dynamisierung aller Leistungen von vier Prozent, um den Inflationsausgleich in den Griff zu bekommen; das heißt, wer heute 100 Euro von der Pflegekasse erhält, bekommt demnächst 104. Ab dem 1. Januar 2015 sollen die 2,5 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland von Leistungsverbesserungen im Umfang von 2,4 Milliarden Euro profitieren.
Bedeutet das eine Steigerung der Beiträge zur Pflegeversicherung?
Wir finanzieren die Verbesserungen aus dem System und heben den Beitrag insgesamt in dieser Legislaturperiode um 0,5 Prozent an. Ich habe aber noch nie erlebt, dass für eine geplante Beitragserhöhung die Zustimmung bei den Bürgern so groß war. Die meisten haben inzwischen in ihrem Umfeld schon erlebt, wie wichtig Pflege ist. Auch für die häusliche Pflege planen wir Verbesserungen bei der Kurzzeit-, Verhinderungs-, der Tages- und Nachtpflege. Und wir möchten neue Wohnformen wie Wohngemeinschaften durch eine Anschubfinanzierung fördern.
In einigen Jahren kommen die geburtenstarken Jahrgänge in das Alter, in dem sie pflegebedürftig werden könnten . . .
. . . auch das haben wir berücksichtigt. Von der Beitragserhöhung gehen 0,1 Prozent, das sind etwa 1,2 Milliarden Euro jährlich, in einen Pflegevorsorgefonds. Mit dieser Reserve soll verhindert werden, dass wir in 20 Jahren, wenn große Beitragssteigerungen drohen, vor einem rapiden Anstieg der Kosten stehen. Aber man muss klar sagen: Die Pflegeversicherung ist keine Vollkasko-, sondern eine Teilkaskoversicherung. Sie ist als Unterstützung in einigen Bereichen gedacht und wird nun weiterentwickelt.
Ingrid Fischbach stammt aus Wanne-Eickel. Sie wurde dort 1957 als Ingrid Marianne Schweden geboren und lebt auch heute noch in ihrer Heimatstadt.
Nach dem Abitur studierte sie in Dortmund und schloss mit dem Staatsexamen für das Lehramt für die Sekundarstufe I ab. Sie unterrichtete an der Polizeischule in Selm-Bork und an der Erich-Fried-Gesamtschule in Herne.
Als berufstätige Mutter einer Tochter setzte sie sich früh für eine
bessere Betreuung von Kindern ein und war 1993 Mitbegründerin der Herner Tageseltern. Ingrid Fischbach hat inzwischen auch ein Enkelkind.
In die CDU trat sie 1990 ein, gehörte von 1994 bis 1998 dem Rat der Stadt Herne an. Über die Landesliste NRW kam sie 1998 in den Bundestag. In der vergangenen Legislaturperiode war sie stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag für die Bereiche Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Arbeit und Soziales, Arbeitnehmer und Kirche.
Seit 2011 ist sie Vorsitzende der 40 000 Mitglieder starken Frauen Union in NRW.