Herne. . Die Ampel feiert 100. Geburtstag: Am 5. August 1914 wurde in den USA die erste elektrische Lichtzeichenanlage installiert. In Herne gibt es heute Ampeln auf 164 Kreuzungen – aber auch Konkurrenz durch Kreisverkehre.

Sie ist eine Erfindung, die hierzulande wirklich jeder nutzt (wenn auch nicht selten absichtlich verbotswidrig), erstmals installiert wurde sie vor 100 Jahren, dann trat sie ihren Siegeszug rund um den Globus an: die Ampel. Am 5. August 1914 wurde im amerikanischen Cleveland die erste elektrische Lichtzeichenanlage in Betrieb genommen. Und heute? Ist die Ampel noch zeitgemäß? Ja, heißt es bei der Stadt, ergänzt freilich durch ein „Aber“.

164 Ampel-Anlagen mit rund 1300 einzelnen Lichtzeichenanlagen gibt es derzeit in Herne, heißt es bei der Stadt. Ihr Wert: gut 20 Millionen Euro. Wann aber genau die erste Ampel in Herne aufleuchtete, das kann Stadtsprecher Christian Matzko nicht sagen. Im Stadtarchiv gebe es darüber keine Aufzeichnungen. Bei Wikipedia, der Internet-Enzyklopädie, heißt es, dass die kleineren Großstädte in Deutschland ihre ersten Lichtsignalanlagen in den 1950er Jahren erhielten, die Nachbarstadt Gelsenkirchen etwa 1953.

Erste „Grüne Welle“ am 16. Juli 1960

Das könnte passen. Am 16. Juli 1960 jedenfalls wurde in der WAZ-Lokalausgabe Herne schon von einer „Grünen Welle“ berichtet, die es auf der (damals noch nicht verkehrsberuhigten) Bahnhofstraße gab. Wobei „Grüne Welle“ dann doch etwas, sagen wir mal: hochgegriffen ist. Eingeweiht wurde tags zuvor die Lichtzeichenanlage an der Einmündung Neustraße, die dann mit der an der Behrensstraße synchronisiert wurde. Punkt. Gut möglich, dass das die bis dato beiden einzigen Ampeln in der damaligen Stadt Herne waren. Jedenfalls wird in der WAZ-Ausgabe ein „Ironiker“ mit den folgenden Worten zitiert: „Wenn es nach der Zahl der Ampelanlagen geht, dann ist Herne auf dem besten Wege, eine Mittelstadt zu werden.“

Ampel erforderlich

Heute ist Herne durch die „Ehe“ mit Wanne-Eickel längst Großstadt, und eine solche braucht Ampeln. Oder? Nicht unbedingt, sagt Josef Becker, Leiter des Fachbereichs Tiefbau und Verkehrs bei der Stadt Herne. Wenn sich jeder an Paragraf eins der Straßenverkehrsordnung („Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“) halten würde, bräuchte man sie nicht, sagt er schmunzelnd.

Ganz ernst gemeint ist diese Aussage natürlich nicht: „In einer Stadt wie Herne sind Ampeln erforderlich“ , stellt er klar. Gerade auch deshalb, um die „schwachen Verkehrsteilnehmer“ zu schützen. Gemeint sind: Fußgänger etwa oder Radfahrer.

Größter Konkurrent der Lichtzeichenanlage sind heute Kreisverkehre. Immer mehr werden auch in Herne gebaut, zurzeit etwa auf der Bochumer Straße vor Hornbach. Acht sind mittlerweile fertig, sagt Stadtsprecher Matzko. „Wenn es für einen Kreisverkehr eine gute Stelle gibt“, sagt Becker, „gibt es nichts Besseres.“ Es gebe weniger Rückstau, weniger schwere Unfälle, zählt er auf.

Nicht zuletzt kosteten sie meist weniger: So schlage eine Ampelanlage mit etwa 150 000 bis 300 000 Euro zu Buche, ein Kreisverkehr zwar mit etwa 500 000 Euro, Letzterer halte aber mit etwa 50 Jahren doppelt so lange. Allein: Es fehle an Platz für Kreisverkehre in Herne, bekanntlich eine der dicht besiedelten Großstädte in Deutschland.

Und auch das will Becker nicht verschweigen: In Kreisverkehren gebe es mehr (wenn auch weniger schwere) Unfälle, Fußgänger und Radfahrer seien nicht so gut geschützt.

Was die Zukunft bringt? Der Ironiker vom Juli 1960 würde vermutlich sagen: Selbst lenkende Autos, die gar keine Ampeln mehr brauchen, weil sie sich virtuell miteinander verständigen. Fragt sich nur, was dann aus Radfahrern wird und Fußgängern wird. Wenn es sie dann noch gibt.

Herne ist „Grünpfeil-freie-Zone“

Ist Herne, was die Dichte an Grünpfeilen angeht, Großstadt? Das ist sicherlich Interpretationssache. Fakt ist: Es gibt an Ampeln in Herne keinen Grünpfeil mehr.

Der letzte wurde vor gut anderthalb Jahren in Eickel abgebaut. Der Grünpfeil – im Amtsdeutsch auch Verkehrszeichen 720 – ist nach der Straßenverkehrs-Ordnung eine „nicht leuchtende Ergänzung an Lichtzeichenanlagen“, durch die die Wartezeit für Rechtsabbieger bei günstiger Verkehrslage verkürzt wird; dargestellt wird er durch einen nach rechts gerichteten Pfeil auf einem kleinen Zusatzschild rechts neben dem roten Licht der Ampel. In Herne gab es nach der Wiedervereinigung – der Grünpfeil stammt aus der ehemaligen DDR – mehrere solcher Grünpfeile. Grundsätzlich geeignet, sagt Eduard Broja, Leiter des Teams Verkehrstechnik der Stadt, seien in Herne fünf Stellen.

Probebetriebe zwischen September 2011 und Februar 2013 hätten aber gezeigt, dass sie nicht geeignet seien, es habe verstärkt Unfälle gegeben. Zuletzt sei deshalb 2013 auch der Grünpfeil an der Kreuzung Eickeler-/Rainerstraße abgebaut worden. Sehr zum Verdruss übrigens der CDU: „In Eickel fanden 36 000 Bürger den grünen Pfeil gut“, sagte Andreas Barzik.