Herne/Bochum. . Es gibt immer mehr „Enkeltricks“: Die angezeigten Fälle haben sich binnen weniger Jahre vervielfacht, die Aufklärungsquote ist gering. Dahinter, sagt die Polizei, stecken kriminelle Organisationen. Die Hintermänner sitzen meist im Ausland.

Immer häufiger werden Senioren Opfer des sogenannten Enkeltricks. Die angezeigten Fälle haben sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Die Polizei registrierte im Bereich des Präsidiums Bochum, zu dem neben Herne und Bochum auch Witten gehört, bislang 223 Betrugsfälle in diesem Jahr, davon 29 in Herne. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2013 gab es in den drei Städten 155 Fälle, 2012 66 und 2011 30 derartige Delikte.

Herne ist als Teil des Ruhrgebiets laut Polizei eines der Enkeltrick-Zentren in Deutschland – zusammen mit anderen Großstädten. „Im Revier gibt es viele Versteck- und Flucht-Möglichkeiten. Außerdem ist die soziale Kontrolle nicht so groß wie etwa in Bayern“, sagt Andreas Dickel, Leiter der Kripo. Er hält den Enkeltrick für „besonders mies“, weil die Täter die Hilfsbereitschaft der Opfer ausnutzten. Beim Enkeltrick bekommen Menschen mit ältlichen Vornamen Anrufe von vermeintlichen Verwandten. Die Anrufer gaukeln eine Notlage vor und erschwindeln auf diese Weise Geld.

Dahinter stecken organisierte Kriminelle. Oft sitzen die Hintermänner im Ausland, vor allem in Polen. „Die hocken da wie im Call-Center, mit Headset, und telefonieren ihre Namensliste ab“, so Dickel. Falle ein Senior auf die Masche herein, verständigten die Hintermänner eine Kontaktperson in Herne.

Oft seien das Leute, die dringend Geld benötigten, manche kämen vom „Schwarzarbeiter-Strich“. Die Polizei spricht von „Keilern“. Diese fahren auf Anweisung der Hintermänner von Opfer zu Opfer, um – vorgeblich im Namen des vermeintlichen Enkels oder Neffen – das Geld abzuholen. Die Schadenssummen liegen nach den Erfahrungen der für Prävention zuständigen Polizistin Bärbel Solf oft im fünfstelligen Bereich.

„Diese Keiler wohnen hier in der Nähe in billigen Hotels oder bei Residenten“, sagt Dickel. Für die deutschen Behörden sei es schwierig, an die Drahtzieher heranzukommen. „Wenn wir einen festnehmen, dann sagt der nichts. Außerdem wechseln sie häufig die Telefone. So ist es schwer, die Nummern zurückzuverfolgen.“

Ein Grund, weshalb es im Ruhrgebiet besonders häufig zu solchen Delikten komme, sei der Revier-Akzent. Dieser sei für die „in der Regel migrantisch geprägten Tätergruppen“ leichter nachzuahmen als etwa Schwäbisch oder Fränkisch.

Zwar fielen nur wenige der angerufenen Senioren auf den Trick herein – von den 223 gemeldeten Fällen 2014 waren lediglich zwölf aus Sicht der Täter erfolgreich. Experten wie der von der Polizei beauftragte „Seniorensicherheitsberater“ Claus-Dieter Hümke gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus, weil viele Opfer Angst hätten, für senil gehalten zu werden und in ein Heim zu kommen. Die Aufklärungsquote sei auch deshalb gering. Die Polizei will verstärkt Aufklärungsarbeit leisten, um Senioren zu warnen.