Herne. . Ralf Sagorny kam erst über Umwege zur Schule. Jetzt leitet er das Emschertal-Berufskolleg.Das Interesse am EBK steigt – auch, weil es zu wenig Lehrstellen in der Stadt gibt.

„Von Werne nach Herne, das reimt sich doch schön“, beschreibt Ralf Sagorny das letzte Kapitel seines Werdegangs. Der 49-Jährige ist der neue Chef am Emschertal-Berufskolleg, nachdem sein Vorgänger, Reiner Paulczynski, erkrankte und sich in den Ruhestand verabschiedete. Sagorny unterrichtete zuvor 20 Jahre lang am Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg in Werne. Der Vater von fünf Kindern fährt im Sommer Fahrrad, im Winter Ski, fotografiert gerne und ist anonsten: Lehrer mit Leib und Seele. Über Programm und Perspektiven des Berufskollegs befragte ihn WAZ-Redakteur Martin Tochtrop.

Herr Sagorny, Sie sind auf einem Umweg zum Pädagogen-Job gelangt.

Ralf Sagorny: Ich wollte immer Lehrer werden, aber Mitte der 80er-Jahre gab es eine Schwemme, da habe ich dann Elektrotechnik studiert und anschließend im Bereich Software und Entwicklung gearbeitet. Aber dann suchten sie Leute wie mich, und ich habe doch noch meinen Traumberuf bekommen.

Wie sieht die Schülersituation derzeit am Emschertal-Berufskolleg aus, nimmt das Interesse an der Schulform zu?

Wir haben derzeit 1900 Schüler, für das Schuljahr 2014/15 sind 2100 Schüler prognostiziert, ein erheblicher Anstieg.

Woher kommt das?

Das könnte am Rückgang der Lehrstellen liegen. Mit einem Berufsgrundschuljahr oder einem Berufsorientierungsjahr versuchen die Betroffenen, näher an den Beruf zu gelangen. Ein spezielles Problem in Herne ist, dass es hier recht wenig Ausbildungsbetriebe gibt.

Kann das große Interesse am Berufskolleg nicht auch an der wachsenden Kritik am Gymnasium liegen?

Möglich, besonders G 8 kommt nicht gut an. Man muss innerhalb kurzer Zeit zu viele Inhalte vermitteln. Ich halbe selbst Kinder, die davon betroffen sind. Ich würde das nicht noch einmal durchführen. Die Konkurrenz zum Gymnasium wächst auf jeden Fall. Wenn die Voraussagen eintreffen, bekommen wir immerhin zehn Prozent mehr Schüler.

Was sind denn die Vorteile des Berufskollegs?

Zunächst einmal muss man sagen, dass bei uns ein ganz normales Zentral-Abitur wie am Gymnasium durchgeführt wird und dass man anschließend jeden Studiengang besuchen kann – als wenn man das Abi an einem Gymnasium gebaut hätte. Der Vorteil ist aber neben der längeren Schulzeit – also nicht G 8, sondern G 9 – dass es bei uns viel persönlicher zugeht. Wir haben relativ kleine Klassen von manchmal nur gut 20 Schülern und erfahren so viel mehr über die soziale Situation unserer Schüler. Dazu kommt, dass wir mit unseren Schwerpunkten Gesundheit und Soziales, Ernährung und Hauswirtschaft, Technik, Informatik und Gestaltung viel besser auf den späteren Beruf vorbereiten als die anderen Schulformen.

Wie drückt sich das konkret aus?

Wer beispielsweise bei uns den Bereich Erziehung absolviert, bekommt schon Praxiserfahrung im Kindergarten. Dann reicht – nach Fachabitur oder Vollabitur – ein Anerkennungsjahr statt einer dreijährigen Ausbildung aus. Gerade durch den U-3-Ausbau und jetzt auch noch durch das Thema Förderung der Inklusion sind Erzieherinnen gefragt. Außerdem bieten wir das Modellprojekt Sonderpädagogik im Zeichen von Inklusion für Förderschüler an. All das schlägt sich bei uns natürlich auf die Schülerzahlen nieder. In der Fachoberschule mit dem Schwerpunkt Sozial- und Gesundheitswesen werden wir im kommenden Jahr dreizügig fahren.

Und welche Fächer sind derzeit eher weniger am Emschertal-Berufskolleg gefragt?

Das sind die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, Anm. d. Red.) Wir wollen aber trotzdem jetzt Ingenieurwissenschaften mit in unser Unterrichts-Programm aufnehmen.