Herne. . Vor 100 Jahren befuhren die ersten Schiffe den Rhein-Herne-Kanal. Die offizielle Einweihungsfeier fiel ins Wasser, weil sich Deutschland im Ersten Weltkrieg befand. Die WAZ startet eine Serie zum runden Geburtstag.

Als die fein gekleideten Herrschaften mit den schmucken Zylindern und Damenhüten auf den Köpfen den ersten Spatenstich auf Herner Gebiet vornahmen, müssen sie gewusst haben, dass es sich um ein Jahrhundertbauwerk handelt. Sie haben Recht behalten. Vor ziemlich genau 100 Jahren schwammen die ersten Schiffe auf dem Rhein-Herne-Kanal: Am 13. April 1914 befuhr eine Kommission erstmals ein Teilstück des 45 Kilometer langen Bauwerks, das zu einer Hauptverkehrsader des Ruhrgebiets werden sollte. Im Herner Stadtarchiv findet sich ein Zeitungsartikel aus jenen Tagen.

Dort steht geschrieben, dass die Kommission auch den Hafen Wanne-Herne unter die Lupe – sprich Monokel – nahm und dass sie „im Hotel Schmitz hierselbst das Mittagsmahl einnahm“. Eigentlich müsste – so sollte man meinen – der Kanal ja „Rhein-Henrichenburg-Kanal“ heißen. Schließlich beginnt er heute in Duisburg-Ruhrort und endet am imposanten Schiffshebewerk. Doch: Ursprünglich endete der Rhein-Herne-Kanal (kurz: RHK) in Herne, wo er oberhalb der Schleuse Herne-Ost auf den Zweigkanal des Dortmund-Ems-Kanals von Henrichenburg nach Herne traf. Dieser Stichkanal war bereits 1896, also lange vor der Eröffnung des RHK, fertiggestellt. Erst mit der Stilllegung des letzten Teils des Zweigkanals, dem Abschnitt vom Kanalhafen der Zeche Friedrich der Große, Anlage 3/4 , bis zum Ende vor der Bahnhofstraße, wurde der Abschnitt Henrichenburg-Herne 1950 dem Rhein-Herne-Kanal zugeschlagen.

Auf dem still- und trockengelegten Kanalabschnitt östlich der Brücke über die Bahnhofstraße bis zur Brücke über den Landwehrbach in Herne verläuft heute die A42 (Emscherschnellweg). Eine offizielle Eröffnung des RHK hat es niemals gegeben: Der Kaiser, der ja so gerne durch sein Land reiste, hatte in Kriegsangelegenheiten zu tun. Die schon vorbereitete Feier wurde kurzerhand wieder abgesagt. Bereits 1724 schwebte Clemens August, Kurfürst von Münster, die Idee vor Augen, über einen Kanal eine Verbindung zwischen Westfalen und dem Rhein bis in die Niederlande herzustellen. Aber erst, als der Industrielle Friedrich Harkort 1865 die Mittellandbewegung gründete, gelang der Bau des Dortmund-Ems-Kanals von Emden bis Dortmund und später – mit dem Stichkanal – auch bis Herne.

Immer wieder wurde der Kanal verbreitert, vertieft, wegen der wachsenden Schiffe, die ihn befuhren. Aber auch umgekehrt: So wurden in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs fünf Brücken zerstört, unter ihnen auch die Eisenbahnbrücke in Baukau. Bis 1950 waren noch nicht alle Brücken wiederhergestellt. An der Pöppinghauser Straße in Horsthausen war immer noch behelfsmäßig ein schwimmender Steg verlegt, über den Fußgänger ans andere Ufer gelangen konnten. Wenn Schiffe passieren wollten, wurde die Konstruktion kurzerhand eingezogen.

Der hundertste Geburtstag der Wasserstraße wird kräftig gefeiert. Höhpunkte werden eine Schiffsparade am 27. April und die Kanalvollsperrung am 30. August sein, wenn der Schiffsverkehr zwischen Duisburg und Datteln ruht, stattdessen aber überall gefeiert wird.