Herne. . Ulrich Koch, Vorstand der Herner Stadtwerke, sieht keine Zukunft mehr für das Geschäftsmodell des reinen Verkaufs von Energie. Das sagte er im Interview mit der WAZ-Redaktion. Vielmehr würden dezentrale Energieerzeugungsanlagen zum zentralen Zukunftsthema.

In der vergangenen Woche brachte die Bundesregierung die Veränderungen am Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) auf den Weg. Auf die Ergebnisse hat auch Stadtwerke-Vorstand Ulrich Koch mit Spannung gewartet. WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann sprach mit Koch über die Energiewende und was sie für die Zukunft der Stadtwerke bedeutet.

Wenn Sie sich die Veränderungen beim EEG anschauen, welches Fazit ziehen Sie aus Ihrer Perspektive?

Koch: Die Veränderungen scheinen mir ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien war in der Vergangenheit nicht richtig kontrolliert und hat das gesamte System vor enorme Herausforderungen gestellt. Die Frage, wo man hin will, war und ist auch noch nicht beantwortet. Der Ausbau sollte mit Augenmaß passieren, jetzt scheint man einen sinnvollen Mittelweg zu finden...

...auch weil Sie nicht mehr den schwarzen Peter wegen der gestiegenen EEG-Abgabe und damit der ständig höheren Stromrechnung haben?

Es ist vor allem eine gute Botschaft für die Kunden, wenn die EEG-Abgabe nicht mehr steigt. Wir als Stadtwerke waren immer unglücklich, weil wir quasi als Steuereintreiber genutzt werden. Wir haben im Grunde nichts mit dem EEG zu tun, das ist eigentlich ein klassisches Steuerthema. Aber den Endkunden interessiert am Ende nicht, dass der Staatsanteil an der Rechnung bei mehr als 50 Prozent liegt, er sieht die hohe Energierechnung und vermutet die Verantwortung beim Energieversorger.

Eine Garantie, dass das EEG nicht mehr steigt, gibt es allerdings nicht. In den vergangenen Jahren gab es eine Reihe von unverhofften Wendungen...

Ja, die Politik hat in der Energiefrage schon etwas von Versuch and Irrtum. Das ist nicht ungefährlich für das gesamte Energieversorgungssystem, aber auch für die Stadtwerke. Wenn man nicht weiß, was kommt, ist man vorsichtig bei Investitionen und muss sich alle Optionen offen halten. Die weitere Diskussion um das EEG ist beispielsweise für unser Smart-TEC-Programm von entscheidender Bedeutung. Wenn man für Blockheizkraftwerke mit mehr als 10 Kilowatt Leistung eine EEG-Umlage zahlen muss, werden sie unwirtschaftlicher. Das ist ein hohes Risiko für uns und die Energiewende vor Ort.

Kennen die Stadtwerke diese Situation nicht aus leidvoller Erfahrung?

Leider ja, mit den konventionellen Kraftwerken in Hamm und Lünen, an denen wir beteiligt sind. Die machen wenig Spaß, denn sie sind derzeit nicht wirtschaftlich zu betreiben, was bei der Investitionsentscheidung überhaupt nicht abzusehen war. Unser konventionelles Erzeugungsportfolio macht uns daher große Sorgen. Wir werden ab 2015 rund acht Millionen Euro Verluste dieser Kraftwerke kompensieren müssen. Da geht es nur noch um Schadensbegrenzung.

Was ziehen Sie für Schlussfolgerungen aus dieser unerfreulichen Entwicklung?

Das Geschäftsmodell des reinen Verkaufs von Energie ist in Zukunft nicht mehr tragfähig. Die Stadtwerke werden sich in den kommenden Jahren weiterhin stark verändern müssen.

Wenn das bisherige Geschäftsmodell nicht mehr tragfähig ist: In welche Richtung wird sich das Unternehmen entwickeln?

Ein zentrales Zukunftsthema sind die dezentralen Energieerzeugungsanlagen. Deshalb haben wir überlegt, wie wir einen Teil dieses wachsenden Marktes nutzen. Das Ergebnis ist unser Smart-TEC-Programm, bei dem wir Anlagen wie Blockheizkraftwerke oder Wärmepumpen nicht nur verkaufen, sondern auch betreiben. Ein Angebot, das alles aus einer Hand bietet, ist bislang einmalig. Wir haben uns vorgenommen, ein paar hundert Geräte in ganz Nordrhein-Westfalen zu verkaufen. Dies in Partnerschaft mit dem Handwerk.

Wie sieht es in Herne aus?

Der Herner Markt ist für uns wichtig, aber allein wäre er zu klein für so ein Angebot. Wir würden uns wünschen, dass auch die Stadt in dieser Hinsicht noch stärker mit gutem Beispiel voran geht. Wenn man über Energieeffizienz spricht, läuft ein großer Anteil über die Wärmeversorgung. Der Einbau von neuen Heizungsanlagen ist relativ günstig umzusetzen, da hat die Stadt mit ihren zahlreichen Gebäuden viel Potenzial. In dieser Hinsicht würden wir gerne zusammen einen Schritt nach vorne gehen.

Welche anderen Schwerpunkte rücken statt der Energie in den Vordergrund?

Infrastruktur, also Energie, Glasfaser und eben auch der Hafen. Deshalb haben wir begonnen, bei der WHE den Investitionsstau aufzulösen. Das hat bislang schneller geklappt als gedacht, aber es bleibt eine Menge zu tun. So arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Auslastung des Containerterminals zu steigern.

Stört Sie da nicht, dass die Häfen Dortmund und Duisburg klare Vorteile haben, weil sie nicht Bestandteil der Umweltzone Ruhr sind?

Wir sind nicht glücklich mit der Umweltzone. Wenn Güter auf die Schiene sollen, muss das irgendwo passieren. Der Standort der WHE ist dafür optimal. Die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Häfen sehen wir mir Sorge. Immerhin sichern wir in Herne damit über 130 Arbeitsplätze. Es gab wegen der Ungleichbehandlung bereits Gespräche, auch die Industrie- und Handelskammer ist in dieser Frage an unserer Seite.